Christoph Hoenings

Djihad


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Mahmut schon reagiert?“

      „Ja, insofern, als er seine Anwälte einen Termin mit unserer Rechtsabteilung hat verabreden lassen. Ich hoffe bloß, er schickt kompetente Leute.“

      „Wann tritt der Liefervertrag in Kraft?“

      „Das wird noch eine ganze Weile dauern.“

      „Warum denn das, in Dreiteufelsnamen? Sie haben doch alles, was Sie brauchen!“

      „Herr Schmehling, bleiben Sie realistisch! Bis der Konsortialvertrag ausgehandelt ist, vergehen etliche Wochen. Der steht dann unter dem Vorbehalt des Erhalts der notwendigen Genehmigungen. Mit Glück und der Hilfe Ihres Freundes haben wir eine Reaktion innerhalb von weiteren sechs Wochen. Erst wenn der Konsortialvertrag unterschrieben ist, können die Saudis dem Konsortium einen Auftrag erteilen. Und der muss erst mal verhandelt werden.“

      „Aber Sie können schon Vorarbeiten leisten,“ quengelte Schmehling. „Die Sache ist sicher. Da können Sie doch schon erste Bestellungen rausschicken, um Zeit zu sparen.“

      „Herr Schmehling, bitte! Wir haben noch mit niemandem über die technische Konfiguration gesprochen! Kein Mensch weiß, was die Saudis für Geräte und Waffen an Bord haben wollen! Zudem: Ohne Genehmigungszusage dürfen wir gar nichts! Das wissen Sie selbst!“

      Schmehling guckte, als ob Graf die Schuld daran trüge, dass der Export von Rüstungsgütern strengen Vorschriften unterlag.

      Die Hauptspeise wurde serviert. Loup de Mer. Schmehling forderte den Kellner auf, ihm Rotwein zu bringen. Barolo.

      „Wenn Sie die Saudis fragen, was sie wollen, Herr Graf, dauert es nur länger! Bieten Sie den Saudis ein Standard-Boot an, und damit hat es sich! Wenn Sie denen mit allen möglichen Alternativen kommen, verwirren Sie die nur, und dann verhandeln Sie in zwei Jahren noch!“

      Schmehling sah ihn missmutig an.

      „Beeilen Sie sich, Herr Graf. Wir haben mehrere Wahlkämpfe vor uns. Landtagswahlen, der Bundestag. Ich brauche das Geld so schnell wie möglich!“

      Sabine Sadler war verblüfft, als sie auf dem Weg von ihrem Seminar in der Uniklinik Düsseldorf zur Haltestelle der Straßenbahn von einem kleinen, unscheinbaren Mann angesprochen wurde, der fragte:

      „Weiß eigentlich Ihr Verlobter, dass Sie so fröhlich mit Rupert Graf bumsen?“

      „Was geht Sie das an?“ fragte sie in bissigem Ton zurück, verlangsamte jedoch ihren Schritt.

      „Nun. Es könnte ihn interessieren. Ihre Nächte in Grafs Wohnung, Ihre Reisen mit Graf. Kuala Lumpur. Sie waren zwar nur 24 Stunden dort, aber es gibt nette Bilder von Ihnen beiden vor den Petronas-Towers. Oder Bremen. Sie beim Verlassen von Grafs Apartment. All das zu Zeiten, zu denen Ihr Verlobter Sie in Ihren Seminaren vermutete. Wollen Sie mal sehen?“

      „Ja!“ sagte Sabine Sadler bestimmt.

      Der Mann zog einen Briefumschlag aus der Brusttasche seines Mantels und gab ihn Sabine.

      Die sechs Bilder darin waren von ausgezeichneter Qualität. Sie wären eine Zierde für jedes Photoalbum gewesen, scharf, über große Entfernung aufgenommen und durch mit den für Teleobjektive typischen Verzerrungen des Hintergrunds von gewisser Dramatik, und farbenfroh.

      „Gut, nicht wahr?“ fragte der kleine Mann fröhlich. „Ich hab noch mehr!“

      „Was wollen Sie?“ fragte Sabine Sadler. „Geld?“

      „Mit Ihnen reden!“ antwortete der kleine Mann.

      Ahmed Falouf war alles andere als fröhlich.

      Majed Akhad hatte tatsächlich für die Israelis gearbeitet! Majed hatte ihn, Ahmed, seinen Freund von Kindesbeinen an, betrogen und belogen! Und nicht nur das! Majed hatte ihn den israelischen Agenten ausgeliefert, die ihn jetzt zwangen, für Israel zu spionieren.

      Majed war und blieb verschwunden.

      Ahmed hatte mehrere Versuche unternommen, Kontakt zu Majed unter dessen alter Adresse aufzunehmen. Aber Majed Akhad, so war ihm dort gesagt worden, habe das Land verlassen.

      Als Ahmed versucht hatte, Nachforschungen über Majeds Verbleib anzustellen, war ihm von seinem Führungsoffizier – so nannte sich der Kerl! - Anweisung gegeben worden, diese unverzüglich einzustellen.

      Ahmed Falouf hatte seine Möglichkeiten abgewogen, wieder und wieder. Was konnte er tun?

      General Faisal informieren? Das würde seinen sicheren Tod bedeuten! Auch wenn er kein richtiger Soldat, sondern nur ein armer Chauffeur war, trug er doch die Uniform des Saudischen Heeres. Was er tat, war Hochverrat! General Faisal würde dafür sorgen, dass Ahmed mit aller Härte bestraft würde! Mit dem Tode. Enthauptung oder so viele Peitschenhiebe, dass er daran sterben würde.

      Sich an einen der Vertreter Palästinas in Riad wenden?

      Palästina war kein international anerkannter Staat und hatte somit auch keine Botschaft oder diplomatische Vertretung, in der Ahmed hätte um Asyl und um Rückführung nach Palästina bitten können. Es gab zwar Vertretungsbüros verschiedener palästinensischer Interessengruppen in Riad, aber alle waren ohne diplomatischen Status. Und selbst wenn er nach Palästina gelangt wäre, hätten die Israelis ihn dort ausfindig gemacht und getötet. Das hatte ihm der Führungsoffizier genüsslich erklärt. Israel würde niemals zulassen, dass jemand über die Aktivitäten seines Geheimdienstes in einem arabischen Land plaudern würde!

      Ahmed Falouf war verzweifelt.

      Sein Führungsoffizier hatte ihn mit Geräten ausgestattet, die viel besser waren als sein alter Kassettenrekorder, und die er hatte im Auto des Generals verstecken müssen. Jetzt wussten die Israelis nicht nur, was der General in sein Telefon sprach, sie konnten ebenfalls mithören, was dessen Gesprächspartner sagten! Und sie wussten über GPS, wo sich das Auto des Generals jeweils befand!

      Ahmed Falouf vermutete, dass die Agenten Israels inzwischen den General direkt aus einem in der Nähe befindlichen Fahrzeug abhörten. Trotzdem musste Ahmed alle paar Tage einen unter dem Armaturenbrett befindlichen USB-Stick austauschen und für seinen Führungsoffizier in einem Hohlraum einer Lehmmauer in der Nähe seiner Behausung verstecken, wo er auch stets einen neuen USB-Stick vorfand. Nur dazu wurde er noch gebraucht!

      Ahmed Falouf befand sich in einer Falle, aus der er keinen Ausweg wusste. Besonders verbitterte ihn, dass er nicht mal für seinen Verrat bezahlt wurde!

      Sein Lohn bestand ausschließlich darin, dass er nicht an die Saudis verraten wurde und dass man seine alten Eltern in Palästina in Frieden ließ!

      Ahmed Falouf spürte seine Angst. Angst davor, erwischt zu werden. Angst, dass ihn jemand dabei beobachtete, wie er alle paar Abende auf dem Weg von seiner Wohnung zu dem Imbiss, wo er zu essen pflegte, sich an der Lehmmauer zu schaffen machte. Sicher, es war dunkel, und er ging ja immer erst so gegen acht Uhr abends, also lange nach Sonnenuntergang, aber dennoch könnte er per Zufall gesehen werden.

      Und er kannte die Neugier seiner Mitbewohner und Nachbarn. Würde er gesehen und auffallen, würde jemand an der Stelle suchen und das Speichergerät finden, so klein es auch war!

      Immer, wenn er sich der Mauer näherte, sah er sich nach anderen Passanten um. Aber da es so dunkel war, konnte er niemanden entdecken. Und immer klopfte sein Herz wie ein Hammer in seiner Brust, weil er fürchtete, wenn er die Hand in das kleine Loch in der Mauer steckte, sie könnte ergriffen und festgehalten werden.

      Die Kontaktaufnahme erfolgte immer auf die gleiche Weise:

      Wenn auf dem Weg vom Haus des Generals zum Hauptquartier der Streitkräfte auf der Old Airport Road an einer bestimmten Stelle ein grauer Toyota geparkt war, wusste Ahmed, dass er am selben Abend im Loch in der Mauer einen neuen Stick und eventuell ein paar gekritzelte Anweisungen finden würde, die außer für ihn selbst für niemanden verständlich waren.

      Er selbst hatte keine Möglichkeit der Kontaktaufnahme. Ahmed Falouf wusste jedoch, dass er beobachtet wurde. Er hatte nie herausbekommen, wer ihn beschattete. Aber er wusste, sie