Christoph Hoenings

Djihad


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einzigen U-Bootbauer, die solche Aufgaben gelöst haben.“ Und, nach einem fragenden Blick von Mahmut: „Die anderen üben noch.“

      Während sie stumm zusahen, wie der Kellner die Vorspeisenteller abräumte, dachte Graf daran, dass es unmöglich sein würde, in Saudi Arabien die notwendigen Fachkräfte für ein solches Unterfangen aufzutreiben. Fachpersonal würde in Pakistan und Ägypten rekrutiert werden müssen. Und selbst dann würde es der engen Überwachung durch die DRRS bedürfen. Das müsste genau geplant werden!

      „Wie stellen Sie sich den Zeitablauf vor, Exzellenz?“ fragte er Mahmut.

      „Eigentlich hatte ich mich mit Ihnen auf die Modalitäten eines Provisionsvertrages einigen wollen,“ antwortete Mahmut. „Wie ich verstanden habe, ist das aber angesichts der jetzt von Ihnen aufgezeigten Struktur nicht notwendig. Was also schlagen Sie vor?“

      „Wie schnell könnten Sie ein Unternehmen bereitstellen, das als lokaler Partner auftreten kann?“ fragte Graf.

      „Sofort. Ich habe eine ganze Reihe schlafender Gesellschaften.“

      „Soweit ich weiß, benötigen Sie in Saudi Arabien für die Ausübung industrieller Tätigkeit eine Lizenz Ihrer Regierung. In diesem Fall für den Bau maritimer Verteidigungsgüter. Wie schnell geht das?“

      „Wenn ich will, in einem Tag!“ sagte Mahmut im Brustton der Überzeugung. Graf, der wusste, dass solche Prozesse sich monatelang hinziehen konnten, beschloss, lieber den Mund zu halten.

      „Gut. Sobald Sie mir die Gesellschaft nennen können, die als Partner auftritt, sollten wir eine Absichtserklärung zur Bildung des Konsortiums formulieren. Einen Letter of Intent!“

      „Warum nicht gleich einen Konsortialvertrag?“

      „Damit sollten wir warten, bis wir ein Signal von offizieller Stelle in Ihrem Lande erhalten, dass dieser Weg dort akzeptiert wird.“

      „Trauen Sie mir etwa nicht?“ fragte Mahmut in wütendem Ton.

      Er schien von einem auf den anderen Moment wie ausgewechselt. Beleidigt, aufgeregt. Unbeherrscht.

      Graf sah ihn ausdruckslos an.

      „Wir müssen eine Reihe gesetzlicher Vorgaben erfüllen, bevor wir ein Konsortium bilden können, das als Auftragnehmer auftreten kann, Exzellenz. Auch Vorgaben aus Ihrem Land. Die sollten wir in Ruhe abarbeiten. Das können Ihre und unsere Juristen machen. Wir sollten uns darauf konzentrieren, unser Vorhaben ganz offiziell Ihren Behörden vorzustellen und zusehen, den Auftrag zu erhalten.“

      „Falsch, Mr. Graf!“ antwortete Mahmut, immer noch sichtlich aufgebracht. „In diesem Fall läuft das anders. Ganz anders!“

      Graf war froh, dass in diesem Augenblick der Kellner mit einem riesigen Tablett erschien, auf dem unter einer dicken Salzkruste die bestellten Doraden gegart worden waren. Stumm sahen sie zu, wie der Kellner die Salzkruste vorsichtig ablöste, den Fisch herauspulte und auf Tellern filetierte.

      Erst nach dem Abzug des Kellners ergriff Mahmut erneut das Wort:

      „Das Projekt unterliegt strengster Geheimhaltung. In unserem Land weiß nur eine Handvoll von Personen davon. Und mir ist von ganz oben freie Hand gegeben worden, es umzusetzen. Vergessen Sie also, Mr. Graf, die üblichen Prozeduren. Sie brauchen keine Ausschreibung, keine Präsentationen, keine langatmigen Vorverhandlungen. Die Boote werden das persönliche Geschenk einer der höchsten Persönlichkeiten meines Landes an die Streitkräfte. Ein Geschenk, das nicht abgelehnt werden kann und darf!“

      Rupert Graf wusste, dass es solche Geschenke schon gegeben hatte. Die Fregatten der Sawari-Klasse waren so ein Geschenk gewesen.

      „Es gibt nur einen Punkt, den ich zuhause noch abklären muss. Einen einzigen. Bisher war die Idee, die Boote in aller Stille im Ausland zu bestellen und irgendwann im Lande zur Verfügung zu haben. Völlig überraschend. So, wie unsere Vettern im Iran plötzlich über derartige Systeme verfügten. Wenn wir jetzt an eine Teilfertigung in unserem Lande denken, wird es sich nicht vermeiden lassen, dass dies einer größeren Personenanzahl bekannt wird als uns lieb ist. Es kann also sein, dass ich aufgefordert werde, die Boote woanders zu bestellen, nämlich da, wo sie komplett fertiggestellt, wo sie getestet werden können, wo die Mannschaften trainieren können, ohne dass dies der Welt bekannt wird.“ Mahmut sah Graf triumphierend an. „Und wo man mir problemlos meine Provision zahlt!“

      Rupert Graf hätte Mahmut sagen können, wo seine Provisionsforderungen problemlos erfüllt würden. Auch wenn alle europäischen Staaten das Internationale Bestechungsgesetz unterschrieben hatten, gab es anders als in Deutschland Regierungen in Europa, die im Interesse ihrer Industrien beide Augen zudrückten und Verstöße nicht nur nicht ahndeten, sondern die betroffenen Unternehmen sogar vor Strafverfolgung schützten. Was Graf aber als reichlich naiv empfand war die Vorstellung, der Bau der Boote könnte über längere Zeit geheim gehalten werden. Was geheim gehalten werden konnte, waren Leistungsdaten der Boote und ihrer Systeme, nicht aber die Tatsache des Baues an sich.

      „Selbst wenn es Ihnen gelänge, den Kauf der Boote nicht bekannt werden zu lassen, was ich angesichts notwendiger Exportgenehmigungsfragen in sämtlichen Zulieferstaaten sehr bezweifele, Exzellenz, was nützen Ihrem Land dann Boote, die völlig überraschend zur Verfügung stehen, deren jeweiliger Standort danach aber allen einschlägigen Institutionen bekannt sein dürfte?“

      „Was wollen Sie damit sagen, Mr. Graf?“

      „Nun, es gibt kein U-Boot auf der Welt, das so leise ist wie die in Deutschland gebauten. Es müsste also mehr im Interesse Ihres Landes liegen, Boote zu besitzen, von deren Existenz man zwar weiß, die aber nicht aufgespürt werden können. Man weiß, es gibt sie, aber man weiß nicht, wo.“

      Mit einer kurzen Handbewegung verscheuchte Mahmut den Kellner, der ihre leeren Teller abräumen wollte.

      „Auch andere Länder bauen gute U-Boote, Mr. Graf!“

      „Zweifellos, Exzellenz. Aber bei entscheidenden Technologien sind wir ein paar Nasenlängen voraus. Der Grund ist einfach: Dadurch, dass unsere Industrie so viele Exportaufträge hat, kann sie mehr Geld in neue Entwicklungen stecken als unsere Wettbewerber. Und dieser Sachverhalt kommt allen neuen Kunden zugute.“

      Rupert Graf sah, dass Scheich Mahmut an dieser Antwort zu kauen hatte. Selbst wenn Mahmut weitgehend freie Hand bei der Auswahl des Lieferanten haben sollte, würde er nicht mit einem zweitklassigen Produkt ankommen dürfen.

      „Wie schnell können Sie liefern, Mr. Graf?“ fragte Mahmut nach einer kurzen Pause. „Wann ist das erste Boot einsatzbereit?“

      „Das hängt von der Ausstattung der Boote ab. Liefern? Das erste Boot in vier, eher in fünf Jahren. Bis die Boote getestet sind und die Mannschaften trainiert, noch mal zwei Jahre dazu. In sechs Jahren könnte ein erstes Boot durchaus operativ sein.“

      Mahmut, der gerade im Begriff gewesen war, einen Schluck Wein zu trinken, verschluckte sich und begann zu husten. Der Hustenanfall schien gar nicht aufzuhören. Als Mahmut wieder nach Luft schnappen konnte, war er hochrot im Gesicht.

      „Das kann nicht Ihr Ernst sein, Mr. Graf!“

      Ahmed Falouf wunderte sich über die Stille, die ihn umgab. Und über die Finsternis. Es war stockfinster. Und totenstill.

      Ahmed versuchte, sich zu bewegen, aber irgendetwas hinderte ihn. Den Kopf konnte er nur wenige Zentimeter nach rechts oder links drehen. Arme und Beine konnte er gar nicht bewegen, lediglich die Fingerspitzen. Und seine Zehen. Es fühlte sich an, als sei er vom Hals abwärts bandagiert wie eine Mumie.

      Nur langsam fiel ihm ein, dass er mit einem Auto entführt worden war. Dass ihm jemand eine Injektionsnadel in den Arm gestoßen hatte.

      Und jetzt lag er hier.

      Ahmed Falouf versuchte, herauszufinden, ob er Schmerzen hatte. Fühlen konnte er nichts. Aber da er Fingerspitzen und Zehen hatte bewegen können, wusste er, er war nicht gelähmt.

      Er versuchte, etwas zu sagen, aber aus seinem Hals kam nur ein heiseres Krächzen.

      Wieso