Christoph Hoenings

Djihad


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Restaurant direkt an der Mole des Yachthafens.

      Graf wurde ins Obergeschoss zu einem Ecktisch mit Blick über das gesamte mit Booten und Yachten gefüllte Hafenbecken geführt.

      Mahmut war noch nicht da.

      Allerdings wurde Graf von einem aufmerksamen Kellner sofort mit Wasser und einem ausgezeichneten Weißwein versorgt.

      Mahmut erschien um elf. Er wurde begleitet von zwei kräftig aussehenden jungen Männern mit trotz der späten Abendstunde dunklen Sonnenbrillen auf den Nasen, die er aber, kaum dass er Graf begrüßt und Platz genommen hatte, mit ein paar barschen Befehlen wegschickte.

      Dann grinste er Graf breit an.

      „Schön, dass Sie kommen konnten, Mister Graf“ sagte er.

      Wie bei Arabern üblich, drehte sich das Gespräch die erste halbe Stunde nur um Belanglosigkeiten. Das Wetter. Der Tourismus in Spanien. Sport. Noch mal das Wetter. Die Entwicklung in Dubai. Politik in den USA.

      Es war wie ein Spiel. Keiner wollte die Geduld verlieren und anfangen, über das Geschäftliche zu sprechen. Graf hatte Zeit. Er hatte bis neun Uhr abends geschlafen und war jetzt putzmunter. Erst gegen halb zwölf wurde die Essensbestellung aufgegeben. Bis dahin hatte Mahmut zwei doppelte Whisky runtergekippt, was Graf als Zeichen von Nervosität registrierte.

      Es war dann auch Mahmut, der auf das Geschäft zu sprechen kam:

      „Ich kann Ihnen nächsten Monat einen Vorvertrag für Ihre U-Boote besorgen,“ sagte er völlig unvermittelt.

      „Was ist mit der angekündigten Ausschreibung?“ fragte Graf. „Sie wollten uns Gelegenheit geben, die Spezifikationen zu formulieren.“

      „Dafür ist keine Zeit! Wir brauchen die Boote so schnell wie möglich. Ohne Ausschreibung. Fünfzehn Prozent für meine Freunde und mich, und Sie haben Ihren Vertrag innerhalb von dreißig Tagen!“

      „Dafür muss eine Struktur gefunden werden,“ sagte Graf. „Wir können Ihnen nicht einfach fünfzehn Prozent als Provision zahlen. Dann haben wir sofort die deutschen Staatsanwälte am Hals!“

      „Wieso?“ fragte Mahmut. „Die werden doch schließlich von Ihren Steuergeldern bezahlt.“

      Graf zuckte nur mit den Schultern.

      „Versuchen Sie mal, das einem deutschen Beamten beizubringen!“

      „Dann finden Sie gefälligst eine Struktur,“ sagte Mahmut. „Fünf Boote. Mini-U-Boote, so wie Sie gesagt haben. Dreihundert Tonnen! Wir sind bereit, pro Boot dreihundert Millionen EURO zu zahlen, plus noch mal dreihundert für die Infrastruktur.“

      Das war weit mehr als das Doppelte des Marktpreises! Fast das Dreifache! Da war die Forderung Mahmuts nachgerade bescheiden! Zweihundertsiebzig Millionen bei einem Auftragswert von 1,8 Milliarden!

      „Das geht nur, wenn wir einen Teil der Fertigung und der Wartung in Ihr Land verlegen,“ sagte Graf.

      „Wie?“ fragte Mahmut.

      „Wir ziehen eine gemeinsame Fertigung auf. Sie werden unser lokaler Partner. Dann erhalten Sie einen Anteil am Umsatz und am Gewinn. Was Sie damit machen, ist mir dann egal!“

      Der Kellner kam und brachte die Vorspeise, gambas al ajillo, in heißem Öl brutzelnde Krabben mit Knoblauch und Chilischoten.

      „Das kann bei uns keiner!“ sagte Mahmut. „Für so was haben wir keine Fachkräfte!“

      „Kein Problem,“ antwortete Graf. „Sie erhalten vor-ausgerüstete Segmente. Die brauchen Sie nur noch zusammenzuschweißen.“

      „Das kann bei uns keiner!“ wiederholte Mahmut. „Wie soll das gehen?“

      „Sie gründen ein Unternehmen. Mit diesem Unternehmen bilden wir ein Konsortium. Dieses Konsortium, bestehend aus unseren Werften und Ihrem Unternehmen, wird der Lieferant der Boote. Und dieses Konsortium erhält die Zahlungen des Kunden.“

      Mahmut nickte.

      „Innerhalb des Konsortiums wird eine Aufgabenverteilung festgelegt. Wir fertigen die Boote vor, rüsten sämtliche Segmente aus und verschiffen diese an Ihr Unternehmen. Das Konsortium bezahlt unsere Werften in Deutschland für die Arbeit. Ihr Unternehmen baut dann die Segmente zum fertigen Boot zusammen. Diese Arbeiten werden durch Fachleute von uns überwacht. Die Segmente kommen völlig ausgerüstet, so wie es auch die Fertigung bei uns vorsieht. Das Konsortium bezahlt dann Ihrem Unternehmen die Endfertigung zu einem Preis, der Ihre volle Provision beinhaltet. Was Sie dann damit machen, ist Ihre Sache!“

      Graf hatte keine Ahnung, mit wem Mahmut seine Provision würde teilen müssen. Steuergelder wurden hier nicht eingesetzt. Saudi Arabien erhob keine Steuern. Graf wusste, die Erlöse aus der Ölexploration flossen direkt in die Kaftantaschen der Königsfamilie. Rüstungskäufe zahlte der Verteidigungsminister aus diesen Öleinkünften. Der Minister und seine Stellvertreter würden niemals erwarten, an den Provisionen teilzuhaben. Für die war das Klimpergeld! Normalerweise wurden große Beschaffungsprogramme jedoch dazu benutzt, Mitgliedern aus der dritten und vierten Reihe der Familien Einkünfte zu verschaffen, da diese nicht an den Öleinkünften partizipierten. Der Minister würde ein Signal geben, welcher seiner Schwäger oder Neffen was bekommen sollte, und auch, wieviel. Rupert Graf gab sich allerdings keinen Illusionen hin: Nachdem in Deutschland das Internationale Bestechungsgesetz in Kraft getreten war, war es unmöglich, solche Sachverhalte einem Finanzprüfer verständlich zu machen. Der sah nur die ungeheure Summe, die er als Betriebsausgaben absegnen sollte, und der würde daraufhin nach dem Staatsanwalt rufen.

      Die Ironie in dieser Sachlage sah Rupert Graf darin, dass nunmehr die deutsche Industrie sich Strukturen einfallen lassen musste, die den Wert der Aufträge und somit auch der daraus resultierenden Steuern verminderten. Durch die Verlagerung der Endfertigung der Boote nach Saudi Arabien gingen in Deutschland Arbeiten in der Größenordnung von 200 bis 300 Millionen EURO verloren. Denn es waren ja nicht nur Schweißarbeiten, die anfallen würden. Sämtliche Geräte und die Boote selbst mussten getestet werden, zahlreiche Mitarbeiter der DRRS würden nach Saudi Arabien reisen und bei der Fertigstellung der Boote Hilfe leisten müssen.

      Und hierfür Beträge in stattlichen Größenordnungen kassieren, die sie zuhause nicht einmal versteuerten!

      „Das verstehe ich“, sagte Mahmut. „Aber mir macht Kopfschmerzen, wie Sie das technisch hinbekommen wollen.“

      Ezrah Goldstein saß nur wenige Tische weiter, von wo aus er Graf und Mahmut beobachtete. Er konnte nicht hören, was die beiden besprachen, aber er sah, dass beide in ein lebhaftes Gespräch vertieft waren. Goldsteins Begleiterin, eine junge spanische Jüdin namens Evamaria Morales, die, wie sie ihm erzählt hatte, im alten Judenviertel von Cordoba großgeworden war und jetzt für den Mossad arbeitete, hatte ihre Bemühungen um die Aufrechterhaltung einer Konversation bald eingestellt, nachdem Goldstein lediglich einsilbige Antworten von sich gegeben hatte.

      Ezrah Goldstein wusste, er würde in der Nacht noch viel zu arbeiten haben. In Gabriel Kaufmanns Büro würde eine Tonbandaufnahme des gesamten Gespräches zwischen Graf und Mahmut auf ihn warten. Die Wanze unter dem Tisch Mahmuts zu aktivieren, war für den für Kaufmann arbeitenden Kellner ein Leichtes gewesen. Die von dem Mikrofon aufgenommenen Geräusche wurden per Funk zu einem im Hafenbecken liegenden Boot übertragen und dort aufgezeichnet. Goldstein wusste um die schlechte Tonqualität solcher Aufnahmen. Nebengeräusche, Umgebungslärm, Gesprächsfetzen von anderen Tischen mussten neutralisiert und das eigentliche Gespräch herausgefiltert werden.

      Er würde erst zu Bett gehen, wenn er genau wusste, worüber sich die beiden Spitzbuben unterhalten hatten und woraus eine neue Bedrohung für sein Land entstehen könnte!

      Rupert Graf beabsichtigte nicht, Mahmut jetzt in die Details der technischen Zusammenarbeit einzuweihen. Er konnte nicht riskieren, Mahmut zu schlau zu machen, der dann mit seinem neugewonnenen Wissen zu einem von Grafs Wettbewerbern laufen könnte. Insofern sagte er nur:

      „Exzellenz, da müssen Sie sich keine Sorgen machen! Solche Aufgaben haben unsere Werften schon mehrfach