Christoph Hoenings

Djihad


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Auftraggebern komme, schließe ich nicht aus, dass sie den Kontakt abbrechen.“ Er sah Ahmed verschlagen an. „Ich kann nicht einmal ausschließen, dass sie dem General eine Nachricht zukommen lassen, dass du ihn ausspionierst.“

      Ahmed schluckte, fing sich aber sofort wieder:

      „Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als auf dich als denjenigen hinzuweisen, der mich dazu angestiftet hat. Wenn dann noch herauskommt, dass du jahrelang bei den Juden gelebt und bei ihnen studiert hast, kommst du hier nicht mehr lebend raus.“

      Das saß!

      Ahmed konnte sehen, dass Majed auf einmal sehr nervös war. Urplötzlich ging ihm auf, dass er möglicherweise voll ins Schwarze getroffen hatte! Womöglich gingen die von ihm gelieferten Informationen tatsächlich an die Israelis!

      Dieser Gedanke machte jetzt auch Ahmed nervös.

      Konnte es sein, dass Majed, sein Jugendfreund Majed, ein Spion der Israelis war?

      Wenn das herauskam, und wenn herauskäme, dass er Majed mit Informationen über den General versorgt hatte, wäre sein Leben hier in diesem Lande keinen Pfifferling mehr wert!

      „Ich werde sehen, was sich machen lässt,“ sagte Majed gerade. „Vielleicht lassen sich meine Auftraggeber ja auf deine Forderung ein. Es wird aber sicherlich ein paar Tage dauern, bis ich eine Entscheidung habe.“

      Ahmed Falouf war hin- und hergerissen zwischen seiner plötzlichen Angst und der Möglichkeit, fünfundzwanzigtausend Dollar zu verdienen.

      „Verlange vierzigtausend!“ sagte er, sich räuspernd, zu Majed. „Sie werden versuchen, herunterzuhandeln, zu schachern. Alles, was über fünfundzwanzigtausend hinausgeht, werden wir teilen.“ Gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass er niemals herausfinden würde, ob Majed mehr als fünfundzwanzig tausend Dollar erhalten hatte!

      „Ich werde sehen, was ich erreiche. Ich rufe dich in ein paar Tagen an.“

      Ahmed Falouf sah hinter Majed her, als er das Café verließ. Majed ging mit schleppenden Schritten, wie ein alter Mann, der eine schwere Last trug.

      Es war das letzte Mal, dass Ahmed seinen Freund Majed Akhad sah.

      Ahmed Falouf wartete auf eine Nachricht Majeds. Mit jedem Tag wurde er nervöser. Inzwischen war er bereit, auch ein Gegenangebot von weniger als dem geforderten Betrag anzunehmen. In den ersten Tagen hatte er die Audiokassette und seine handschriftliche Liste mit den vom General angerufenen Nummern, die er einfach von der Anrufliste des Mobiltelefons des Mercedes abgeschrieben hatte, ständig mit sich herumgetragen, in der Hoffnung, diese sofort gegen den Geldbetrag eintauschen zu können, wenn Majed sich meldete.

      Aber Majed hatte sich nicht gemeldet!

      Ahmed hatte schließlich das Band und den Zettel mit Klebeband an der Rückseite der Kommode in seiner Kammer befestigt. Allabendlich sah er nach, ob sich die Kassette noch dort befand.

      Aufgenommen hatte er die Gespräche des Generals mit einem Audiorecorder, den er sich irgendwann gekauft hatte, um seinen Eltern mündliche Berichte über sein Leben in Riad zu schicken. Seine Mutter konnte nicht richtig lesen, und sein Vater hatte zu schlechte Augen, um seine Briefe noch zu entziffern.

      Den Recorder hatte er unter den Beifahrersitz gelegt.

      Allah sei Dank pflegte der General am Autotelefon immer sehr laut zu sprechen. Trotzdem war Ahmed enttäuscht gewesen, wie schwer der General neben den Fahrgeräuschen auf dem Band zu hören gewesen war. Die Tonqualität war völlig anders als wenn Ahmed direkt in das Mikrophon sprach. Trotzdem konnte man bei voll aufgedrehter Lautstärke verstehen, was der General gesagt hatte.

      Ab morgen würden seine Pflichten als Fahrer wieder gefordert. Der General würde am frühen Morgen am Flughafen ankommen. Einen Moment lang dachte Ahmed Falouf daran, den Recorder wieder ins Auto zu legen. Der General würde telefonieren wie ein Weltmeister!

      Ahmed verwarf diesen Gedanken.

      Er wollte erst einmal das Geld für das erste Band. Wenn ordentlich bezahlt wurde, konnte man weitersehen.

      Mit jedem Tag wuchs in Ahmed Falouf die Nervosität und das Verlangen, Majed anzurufen. Was zum Teufel brauchte der Kerl soviel Zeit, um die Zahlung zu klären? Für ein Ja oder ein Nein brauchte man doch keine vier Tage!

      Ahmed Falouf schlenderte wie üblich um diese Abendstunde zu dem Schnellimbiss, der sich nur wenige hundert Schritte von seinem Wohnblock befand.

      Es war dunkel. In den Gegenden, in denen die ausländischen Dienstboten und Hilfsarbeiter lebten, gab es nur spärliche Straßenbeleuchtung. Oben an der Ecke, an der eine der Hauptstraßen vorbeiführte, war alles mit Neonreklamen hell erleuchtet.

      Von hinten näherte sich ein Fahrzeug.

      Ahmed war dankbar, weil das Licht der Scheinwerfer auch den Bürgersteig erhellte, auf dem er lief. So waren die Unebenheiten in dem gelben Lehmboden besser zu erkennen. Er musste grinsen darüber, wie lang die Beine seines eigenen Schattens vor ihm waren, so lang, dass sich der Schatten seines Rumpfes im Gegenlicht der Neonreklamen verlor. Interessiert sah er zu, wie sein Schatten sich immer schneller werdend immer weiter verkürzte, je näher der Wagen kam.

      Ahmed Falouf hatte nicht einmal Zeit, zu erschrecken, als der Wagen plötzlich neben ihm anhielt, zwei Männer heraussprangen, ihn mit festem Griff packten und blitzschnell in den Fond des Wagens stießen. Der dort Sitzende zog Ahmed in den Wagen hinein und stülpte ihm sofort ein dunkles Tuch über den Kopf. Ahmed fühlte, wie einer der beiden Ausgestiegenen sich neben ihn auf die Rückbank klemmte, der andere musste vorne eingestiegen sein.

      Das Auto fuhr sofort nach dem Zuschlagen der Türen an.

      Plötzlich spürte Ahmed Falouf einen Stich in den Arm, und fast sofort fiel er in tiefe Bewusstlosigkeit.

      Das Luxushotel Marbella Club war um diese Jahreszeit weitgehend leer. Es war kühl, als Graf aus seinem Mietwagen stieg, mit dem er von Malaga hierher gefahren war. Die tief an einem klaren blauen Himmel stehende Sonne gab nur wenig Wärme ab.

      Als Graf über die Autobahn hierher gekommen war, hatte er in der klaren Luft in der Ferne den Felsen von Gibraltar und, auf der anderen Seite der Meerenge, den Felsen von Ceuta auf der afrikanischen Seite erkennen können. Die Säulen des Herkules!

      In seinem in dem Pinienpark der Hotelanlage gelegenen Apartment fand er eine Nachricht von Mahmut, nach der er gegen zehn Uhr abends zum Essen abgeholt werden würde.

      Auch Ezrah Goldstein war in Marbella. Tatsächlich war er in der selben Maschine wie Graf angereist, allerdings wohnte er nicht so feudal wie Graf. Goldstein war in einem Hostel im Zentrum Marbellas abgestiegen, wo er sich mit dem Leiter der örtlichen Vertretung des Mossad, Gabriel Kaufmann, traf. Die Organisation des Mossad hier war vergleichsweise groß, was daran lag, dass nicht nur Mitglieder des Arabischen Königshauses Anwesen in der Umgebung Marbellas besaßen, sondern weil es in der gesamten Gegend von Arabern nur so wimmelte. Alles, was in Nahost Rang und Namen besaß, kam in den Sommermonaten hierher, manche Persönlichkeiten nur für wenige Stunden, andere für mehrere Wochen, wenn es auf der arabischen Halbinsel zu heiß war.

      Die Männer und Frauen, die Gabriel Kaufmann unterstanden, waren größtenteils Juden aus arabischen Ländern, die fließend Arabisch sprachen und die problemlos als Araber durchgehen konnten. Manche von ihnen hatten es sogar geschafft, in den Kreis der regelmäßigen Trinkkumpane prominenter Araber aufgenommen zu werden und bei nächtlichen Kartenspielen an Bord der vornehmen Yachten wertvolle Informationen zu sammeln.

      Gabriel Kaufmann wusste, in welchem Lokal Mahmut mit Graf speisen würde. Einer seiner Leute würde als Kellner am Tisch von Mahmut fungieren. Da Mahmut allabendlich das selbe Programm abspulte, wusste Kaufmann auch, wo noch ein Absacker getrunken werden würde. In beiden Lokalen hatte er für Goldstein Tische reserviert und sogar eine junge Mitarbeiterin als Begleitung für Goldstein bereit gestellt. Ein einzelner Mann ohne Begleitung würde auffallen.

      Rupert Graf wurde Punkt zweiundzwanzig Uhr von der Rezeption des Hotels angerufen, sein Abholer sei eingetroffen. Ein goldfarbener