Christoph Hoenings

Djihad


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auf dem Platz vor der Großen Moschee in aller Öffentlichkeit die Hand abgehackt.

      Ahmed hatte dies mehrere Male miterlebt.

      Allerdings wurde der blutige Armstumpf nicht mehr, wie in früheren Zeiten, in ein Gefäß mit siedendem Öl getaucht, um die Wunde zu verschließen. Heute wurden die Delinquenten mit bereitstehenden Ambulanzfahrzeugen in eines der umliegenden Krankenhäuser gebracht, wo die Wunde von Ärzten versorgt wurde.

      Ahmed Falouf hatte auch Enthauptungen miterlebt. Er würde die am ganzen Leibe schlotternden Delinquenten genauso wenig vergessen wie das knackende Geräusch, wenn das niedersausende Schwert den Kopf des Opfers von seinem Körper trennte.

      Was mit Kopf und Körper anschließend geschah, hatte er wegen des dichten Gedränges auf dem Platz nicht sehen können. Aber jedes Mal hatte eine Atmosphäre geherrscht wie auf einem Jahrmarkt, aufgeregt, lebhaft, munter.

      Durch die offenen Fenster und Türen konnten Ahmed und Majed die Frauen sehen, die durch die Gasse vor dem Café gingen, tief verschleiert unter ihren schwarzen Umhängen, manchmal waren die Augen zu sehen, oft genug jedoch nur ein dunkles Gitter aus Stoff. Wie Ahmed wusste, gaben diese Frauen jedes gesparte Geld für Goldschmuck aus. Das war ihre Altersvorsorge. Armreifen und Ringe aus Gold.

      Jede dieser Frauen konnte jederzeit von ihrem Mann verstoßen werden. Dann war der Schmuck, den sie trug, oft das Einzige, was ihr blieb. Der Mann konnte dreimal sagen: „Ich verstoße dich“, und das war es. Die Kinder blieben beim Vater, die Mutter wurde aus dem Haus geworfen. Da die Frauen nicht arbeiten durften, waren sie auf den Erlös ihrer Schmuckstücke angewiesen. Und da sie dies wussten, kauften sie zu jeder sich bietenden Gelegenheit Gold.

      Manchmal hatte Ahmed die Arme von Frauen gesehen, wenn sie Waren untersuchten oder bezahlten. Die Hände voller Goldringe, die Arme von den Handgelenken bis dahin, wo der Arm unter den Umhängen verschwand, voller goldener Armreifen.

      Sollte es ihm je gelingen, Zaidah für sich zu gewinnen, er würde sie niemals verstoßen, und Zaidah würde niemals auf ihren Schmuck angewiesen sein!

      Ahmed Falouf sah voller Genugtuung, dass Majed immer ungeduldiger wurde.

      Sie hatten über alles mögliche gesprochen, nur nicht, weshalb er Majed hierher bestellt hatte.

      Majed hatte bereits mehrmals ostentativ auf seine Armbanduhr gesehen. Ahmed ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken. Wenn Majed in seinen Jahren bei den Israelis die orientalische Geduld verloren gegangen war, so war das Majeds Problem.

      Ahmed Falouf hatte Zeit.

      Der General war auf Reisen. Seine Dienste als Chauffeur würden in den kommenden Tagen nicht benötigt. Er hätte zuhause fernsehen können, alte, amerikanische Filme, deren Handlung man trotz der arabischen Untertitel nicht verstand, weil sämtliche Szenen, in denen eine unverschleierte Frau auftrat, herausgeschnitten waren. Da war es schon wesentlich unterhaltsamer, Majeds wachsende Ungeduld zu beobachten.

      Ahmed betrachtete Majed Akhad in aller Ruhe. Majed, den er von klein auf kannte, war behäbig geworden, beinahe dicklich. Sein Haar, das wusste Ahmed von früheren Treffen, zu denen Majed ohne die übliche Kopfbedeckung erschienen war, war schütter geworden. Lediglich der Bart auf der Oberlippe und um das Kinn war dicht und schwarz.

      „Der General hat viel aus dem Auto telefoniert in den vergangenen Tagen,“ sagte Ahmed. „Sehr viel. Mit vielen Personen. Mit wichtigen Personen. Mit sehr wichtigen Personen.“

      Voller Zufriedenheit sah er, wie es in Majed arbeitete. In aller Ruhe trank er seinen Kaffee.

      „Mit wem zum Beispiel?“ fragte Majed.

      „Mit Ministern, mit Militärs im In-und Ausland, mit Botschaftern im Ausland.“

      „Worüber hat er gesprochen?“

      „Über viele Dinge. Über die U-Boote. Ich habe mir nicht alles merken können.“

      „Warum hast du mich dann hierher bestellt?“ fragte Majed.

      „Um mit dir über ein Geschäft zu reden. Ein Geschäft, das du mit deinen Auftraggebern besprechen sollst.“

      „Was für ein Geschäft?“

      „Einmal angenommen, rein hypothetisch, es gäbe eine Tonbandaufnahme dieser Gespräche, also, eine Aufnahme, was der General gesagt hat, was könnte eine solche Aufnahme deinen Auftraggebern wert sein?“

      „Rein hypothetisch, Ahmed, nichts! Was sollen sie anfangen mit einer Aufnahme mit ein paar Worten des Generals, ohne dass man weiß, mit wem er gesprochen hat oder ohne dass man den anderen Teilnehmer hört? Das ist nichts wert!“

      „Gut,“ antwortete Ahmed ruhig. „Dann haben deine Auftraggeber sicherlich nichts dagegen, dass ich dieses wertlose Band anderen Parteien anbiete.“

      „Auch für andere Parteien werden diese Aufnahmen wertlos sein,“ sagte Majed nach einer längeren Pause. „Sie können damit auch nichts anfangen!“

      „Doch!“ entgegnete Ahmed. „Ich besitze eine Liste der Nummern, die der General angerufen hat. Jedes einzelne Gespräch ist einer bestimmten Rufnummer zuzuordnen.“

      „Was heißt das?“

      „Man nimmt das Band und die Liste. Die Liste zeigt die gewählte Rufnummer und die Dauer des Gespräches. Dann sieht man, mit wem der General über welches Thema wie lange gesprochen hat. Und man hört den General sprechen.“

      Ahmed konnte sehen, wie Majed sich bemühte, Desinteresse zu heucheln.

      „Was soll das für einen Informationswert haben?!“ sagte Majed schließlich.

      „Nun, für jemanden, der daran interessiert ist, ist es sicherlich von Bedeutung. Gerade, was dieses neue U-Bootprogramm angeht. Wie gesagt, es waren so viele Telefonate, dass ich mir nicht alles merken konnte. Trotzdem dürfte es für jemanden, der diese Boote anbieten will, wichtig sein, zu hören, was der General gesagt hat. Und zu hören, wie er die Meinung seiner vorherigen Gesprächspartner weitergibt.“

      „Das sind genau die Informationen, Ahmed, für die du bezahlt wirst,“ sagte Majed, und der Zorn in seiner Stimme war nicht zu überhören.

      „Ich werde dafür bezahlt, Majed, dass ich dir erzähle, wohin ich den General fahre. Ich werde dafür bezahlt, Gesprächsfetzen, die ich aufschnappe, an dich weiterzugeben. Ich werde dafür bezahlt, dir zu sagen, dass der General überhaupt über die U-Boote gesprochen hat. Das habe ich hiermit getan. Wenn ich jedoch deine Auftraggeber mit weitergehenden Informationen versorgen soll, sollen sie dafür auch mehr bezahlen.“

      „Wieviel?“

      „Fünfundzwanzigtausend Dollar für das Band und die Liste. Für mich allein!“

      „Vergiss es!“

      „Beides ist viel mehr wert.“

      „Vergiss es!“

      „Gut,“ sagte Ahmed. Er machte dem Kellner ein Zeichen, dass er bezahlen wollte.

      „Was soll das jetzt?“ fragte Majed .

      „Ich habe einen anderen Interessenten. Den will ich nicht warten lassen. Er ist bereit, mehr zu zahlen. Erheblich mehr!“

      Das war glatt gelogen, und beide wussten es.

      Majed sagte:

      „Ich könnte versuchen, fünftausend Dollar für das Band herauszuschlagen. Das wird nicht leicht. Es würde überzeugender sein, wenn ich sagen könnte, ich hätte selbst gehört, was darauf ist.“

      „Vergiss es!“

      „Du musst verstehen, Ahmed, dass ich unmöglich einen Betrag in der geforderten Höhe vorschlagen kann mit dem Risiko, dass dein General seine vier Weiber angerufen und sich mit denen über die U-Boote ausgelassen hat! Ich müsste sagen können, dass ich den Inhalt des Tonbandes kenne.“

      „Vergiss es!“

      Majed sah jetzt richtig