Christoph Hoenings

Djihad


Скачать книгу

an technischen Daten rausgeht, wird vorher digitalisiert und codiert. Nein, nein, das Leck muss hier in der Hauptverwaltung sein. Ob Sie tatsächlich betroffen sind, kann ich noch nicht sagen. Es kann genauso gut eine Abhöraktion im Gange sein, die sich gegen andere Vertriebsbereiche richtet. Wir werden auch den Verkauf Alternativer Energien durchforsten. Was Windräder und Solarzellen angeht, betreiben die Amerikaner lebhafte Industriespionage.“

      Rupert Graf wusste, dass nach dem Ende des Kalten Krieges weltweit zahllose Geheimdienste, die sich zuvor der militärischen Spionage gewidmet hatten, verkleinert oder gar aufgelöst worden waren. Da deren Experten jedoch nichts anderes gelernt hatten als zu spionieren, verlegten die sich nun auf Industriespionage. Die US-Regierung hatte dies sogar völlig ungeniert zugegeben und dazu ausgeführt, das diene schließlich den Interessen der USA.

      „Was genau machen Sie?“ fragte Graf.

      „Wir bauen Ihre Festplatte aus und prüfen die. Für die Zwischenzeit erhalten Sie einen neuen PC. Auf den spielen wir alle Dateien auf, die älter sind als zwei Jahre. Alles was danach kommt, wird erst einmal separiert und kommt auf separate Datenträger, so dass Sie mit diesen Dateien weiter arbeiten können. Allerdings müssen Sie penibel darauf achten, nichts davon auf Ihrer Festplatte zu speichern. Dies gilt genauso für Ihr Sekretariat und für Ihre Mitarbeiter hier in Oberhausen.“ Vogel zuckte mit den Achseln.

      „Und dann werden wir uns auf den alten Festplatten auf die Suche machen! Das wird ´ne Scheißarbeit, sage ich Ihnen!“

      Mit Allahs Hilfe hatte Ahmed Falouf es geschafft, Kontakt zu Siddiqui knüpfen. Es war eigentlich mehr ein Zufall. Kismet. Ahmed hatte General Faisal zur Residenz des indonesischen Botschafters gefahren, wo ein Empfang wegen eines nationalen Feiertags stattfand. Der General hatte auf der Fahrt dorthin missmutig vor sich hin gegrummelt, dass er eigentlich besseres zu tun hatte. Ahmed hatte den Wagen des Generals vor dem Eingangsportal der Residenz angehalten, wo Bedienstete der Botschaft dem General aus dem Wagen geholfen hatten, und war er zu dem nahegelegenen reservierten Platz gefahren, wo auch die anderen Chauffeure warten mussten. Zunächst waren alle in ihren Autos sitzen geblieben, um im Fernsehen das Ende der Übertragung des Fußballspiels zwischen der Nationalmannschaft Saudi Arabiens gegen die des Irans zu verfolgen. Dazu mussten sie sich auf einen der Sitze im Fond begeben. Die Bildschirme waren in die Kopfstützen der Vordersitze eingebaut. Dass währenddessen sämtliche Motoren liefen, um die Klimaanlagen in Gang zu halten, hatte niemanden gestört.

      Nach dem Ende des Spiels waren die meisten der Fahrer ausgestiegen, um zu rauchen und um das Spiel zu kommentieren.

      Es war Siddiqui, der ihn angesprochen hatte! Siddiqui in seiner weißen Marineuniform. Siddiqui hatte ihn wiedererkannt und ihn freundschaftlich begrüßt! Ein Zeichen Allahs!

      Mit Namen ist das so eine Sache: In der europäisch-amerikanischen Welt erhalten Kinder einen Vornamen und tragen in der Regel den Nachnamen des Vaters. Sofern die Eltern verheiratet sind. Sonst ist der Nachname der Familienname der Mutter. In den Ländern Spanien und Portugal trägt ein Nachfahre als Familiennamen den des Vaters, hängt aber den Familiennamen der Mutter noch hinten dran, oft nur abgekürzt mit dem Anfangsbuchstaben. Bei adligen Familien werden die so entstandenen Doppelnamen oft über mehrere Generationen zurück aufgeführt, was, solange das Papier reicht, zu bombastischen Namen führen kann.

      Ein Skandinavier namens Sven, dessen Vater Johann heißt, wird Sven Johannson heißen. Hat Sven eine Schwester namens Anna, heißt die: Anna Johannsdotter, sprich: Tochter von Johann.

      In der arabischen Welt ist es ganz ähnlich, der Knabe Mohammed wird, wenn sein Vater Abdul heißt, Mohammed bin Abdul oder Mohammed ibn Abdul heißen.

      Die Pakistani sind nicht so kompliziert. Zumindest nicht bei einfachen Leuten. Siddiqui, Sohn eines Memet, hieß einfach Siddiqui M.. Hieß Memets Vater, also Siddiquis Großvater, Khalid, so kann der Name Siddiqui noch um das K. erweitert werden, also auf Siddiqui M.K..

      Zunächst hatte Ahmed spontan Siddiqui in das Auto des Generals einladen wollen, aber dann fiel ihm ein, dass die Israelis das Gespräch würden abhören können. Das hätte ihn nicht wirklich gestört, im Gegenteil, es hätte ihnen gezeigt, wie engagiert er arbeitete. Aber es hätte ihnen ein weiteres Tondokument in die Hände gespielt und damit einen Beweis, den sie gegen ihn würden verwenden können.

      Ahmed schlug vor, im Auto des Admirals noch ein wenig zu schwatzen.

      Hätte Ahmed geahnt, dass sich heute eine solche Gelegenheit bieten würde, er hätte den kleinen Sender eingesteckt, den seine Auftraggeber ihm gegeben hatten, um ihn im Auto des Admirals anzubringen. Aber der Sender lag gut versteckt in Ahmeds Behausung.

      Immerhin konnte er jedoch weitere Treffen mit Siddiqui verabreden. Das ging leicht. Ahmed brauchte nur zu fragen, zu welchen Veranstaltungen Siddiqui würde Admiral Zaif fahren müssen, um festzustellen, dass an diesen der General Faisal ebenfalls teilnehmen würde. Dies waren, Allah sei Dank, zwei innerhalb der nächsten vierzehn Tage.

      Nachdem sie eine Weile geplaudert hatten, war Ahmed Falouf zum Wagen des Generals zurück geschlendert und hatte gewartet, aufgerufen zu werden, um den General am Portal der Residenz einzusammeln. Ahmed Faloufs Laune hatte sich gebessert. Immerhin hatte er jetzt einen Grund, von seinen Auftraggebern einen Geldbetrag verlangen zu können. Und sei es nur, um Mittel zu haben, Siddiqui in eine Teestube oder zu einem Imbiss einzuladen. Noch besser wäre es, wenn er sagen könnte, Siddiqui gegen Geld zur Zusammenarbeit verpflichtet zu haben.

      Auf alle Fälle hatte Ahmed Falouf wieder eine Perspektive, seine Einkünfte aufzubessern.

      Ezrah Goldstein, Moishe Shaked und Itzak Salomonowitz saßen um das Tonbandgerät, das auf dem Arbeitstisch in Goldsteins Büro aufgebaut war. Alle drei hatten eine Abschrift der Unterhaltung zwischen Rupert Graf und Norbert Schmehling vor sich, ebenso eine wortgetreue Übersetzung ins Hebräische. Die Deutschkenntnisse von Shaked und Salomonowitz waren nicht so perfekt wie die von Goldstein, aber über ihre Kenntnis des Jiddischen waren sie in der Lage, der Unterhaltung zu folgen.

      Dass Schmehling angesichts seiner zahlreichen Geschäftskontakte in den arabischen Raum nicht unbedingt ein Freund und Unterstützer Israels sein würde, war ihnen bewusst. Wie wenig er Israel mochte, war ihnen spätestens bei der Lektüre des Gesprächsprotokolls klar!

      Über die Korrespondenz aus Grafs Büro wussten sie zudem, dass Schmehling eine wichtige Rolle bei der Erlangung der Exportgenehmigungen spielte. Ein Grund mehr, den Kerl nicht zu mögen!

      In der Unterhaltung zwischen Schmehling und Graf, mitgeschnitten zu nächtlicher Stunde in Monaco, gab es zwei Punkte von besonderem Interesse:

      Die Überlegungen, wozu Saudi Arabien die U-Boote brauchte, und warum unbedingt ein Boot so zeitig verfügbar sein sollte.

      „Spiel noch mal zu der Stelle, wo Graf nach dem Zweck fragt!“ bat Salomonowitz. Nach wenigen Augenblicken hatte Goldstein das Band auf die Zahl zurück laufen lassen, die auf dem Protokoll neben diesem Teil der Unterhaltung stand.

      In dem Teil zuvor hatten sich Graf und Schmehling darüber ausgelassen, dass der Kauf der Boote wirtschaftlich interessant war, mit finanziellen Vorteilen für die deutsche Industrie.

      Grafs Stimme kam überraschend klar aus dem Lautsprecher. Die Techniker des Dienstes hatten sämtliche Nebengeräusche aus der Bar des Hotel de Paris weg gefiltert.

      „Militärisch ist das ganze ziemlicher Unfug. Was wollen die mit diesen Dingern?“

      Schmehling: „Ihre Küsten schützen.“

      Graf: „Quatsch! Die Boote haben eine so geringe Reichweite, die sind für Patrouillenfahrten völlig ungeeignet. So was schafft man an, um von einem Mutterschiff aus heimlich in einen Hafen einzudringen, oder sich vor eine Hafeneinfahrt zu legen, um Schaden anzurichten. Das sind reine Angriffswaffen!“ Hier hörte es sich so an, als würde er grinsen: „Auch wenn wir in unseren Exportanträgen selbstverständlich den defensiven Charakter der Boote besonders herausgestrichen haben.“

      „Iran?“ hörten sie Schmehling fragen. „Da kommen die doch hin und wieder zurück.“

      Graf: „Was