Christoph Hoenings

Djihad


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die Boote nicht ohne ausdrückliche Erlaubnis der Bundesrepublik Deutschland an ein drittes Land weiter zu geben. Über die Exportgenehmigungen war in den vergangenen Wochen heftig gestritten worden:

      Die Saudis hatten eine Genehmigung erwartet, die ihnen die problemlose Übergabe sämtlicher Boote zusichern würde. Stattdessen erhielten sie Dokumente, die aussagten, dass die eigentlichen Übergabegenehmigungen erst kurz vor Fertigstellung der Boote oder Bootsteile erteilt würden. Die DRRS hatte bisher lediglich die Genehmigungen erhalten, die Boote für Saudi Arabien herzustellen, ein gebrauchtes Boot aus Pakistan einzuführen, zu modernisieren und nach Saudi Arabien auszuführen.

      Rupert Graf hatte mehrere Verhandlungsrunden führen müssen, bis er die Saudis überzeugt hatte, dass dies das in Deutschland übliche Verfahren war. Die saudische Seite, der in den achtziger Jahren mehrmals die Lieferung deutscher Kampfpanzer erst zugesagt und anschließend verweigert wurde, wollte in dieser Frage absolute Rechtssicherheit. Was die Saudis tröstete war die Unterzeichnung eines Geheimschutzabkommens sowie von Abkommen über Qualitätssicherung und Ausbildungshilfe. Ersteres stellte sicher, dass die deutschen Behörden, was den Schutz sicherheitsrelevanter Daten anging, den Bau der saudischen Boote so behandeln würden, als wären diese für die Deutsche Marine bestimmt. Ebenso würde die Qualitätskontrolle der Arbeiten in Deutschland so durch das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung – BWB- erfolgen, als würden die Boote für die Deutsche Marine gebaut. Sogar die Arbeiten in Saudi Arabien selbst unterlagen der deutschen Qualitätskontrolle. Diese würde im Auftrag des BWB durch Mitarbeiter des Germanischen Lloyd durchgeführt.

      Im letzten Abkommen verpflichtete sich Deutschland, saudische Offiziere in Einrichtungen der Bundeswehr zu U-Bootfahrern auszubilden.

      Die Zeremonie selbst war schmucklos: In einem anderen Land hätte man zumindest ein paar Toasts ausgesprochen und sich zugeprostet, aber hier gab es lediglich Tee in kleinen Gläsern, oder Soft-Drinks.

      Gerade, als Rupert Graf eine kurze Dankesansprache halten wollte, ertönte ein Signal, und alle saudischen Anwesenden rannten davon. Die vier Deutschen waren plötzlich allein.

      „Gebetsstunde!“ sagte Oberst Kunzelmann. „Prayer time! Das dauert jetzt mindestens eine halbe Stunde, bis die wiederkommen.“

      Die Al Salam war durch zwei Vorstandsmitglieder und mehrere Mitarbeiter vertreten, die aber jetzt ebenso zum Nachmittagsgebet geeilt waren.

      Da eigentlich alle Formalitäten erledigt waren, hätte die kleine deutsche Delegation ebenso gut zurück zu ihrem Hotel fahren können, beschloss aber, bis zur Rückkehr der Saudis zu warten.

      „Ich habe in der Botschaft Champagner kalt stellen lassen,“ sagte Oberst Kunzelmann, als sie eine Stunde später das Marinehauptquartier verließen. „Allerdings werden wir wohl unter uns bleiben müssen.“

      Immerhin hatte Admiral Zaif al Sultan sämtliche Teilnehmer der nachmittäglichen Veranstaltung zu einem Abendessen in den Offiziersclub eingeladen. Allerdings erst für 22 Uhr. Viel Zeit, um sich durch einen Umtrunk in der Botschaft einzustimmen.

      Rupert Graf mochte arabisches Essen. Insbesondere die Vielzahl von mit reichlich Kreuzkümmel und Knoblauch gewürzten Vorspeisen begeisterte ihn immer wieder.

      Die Unterhaltung bei Tisch war mühsam. Da neben weiteren Admirälen auch ein Mitglied des Saudischen Generalstabs, General Faisal bin Salman erschienen war, blieben die übrigen saudischen Offiziere weitgehend stumm und sprachen nur, wenn sie selbst angesprochen worden waren. Es wurden mehrere Ansprachen gehalten, in denen beide Seiten versicherten, alles daran zu setzen, die Verträge zum Erfolg zu führen. Einer der Vertreter der Al Salam hielt seine Ansprache auf Arabisch und erhielt viel Beifall.

      Als mehrere gebratene Zicklein am Spieß hereingebracht und aufgetischt wurden, ahnte Rupert Graf bereits, was auf ihn zukam.

      Es war der Gastgeber selbst, Admiral Zaif, der behutsam mit einem Löffel die mitgegarten Augen aus den Schädeln der Tiere herauspulte und sorgsam auf mehrere bereits mit Reis und Gemüse belegte Teller setzte.

      Genau diese Teller wurden sofort den deutschen Gästen gebracht.

      Oberst Kunzelmann konnte sein Grinsen nicht verkneifen, als er die ratlosen Gesichter der deutschen Manager sah. Er hatte so was oft genug erlebt.

      Auch Rupert Graf war diese Situation nicht neu.

      Seine beiden Vorstandskollegen allerdings guckten hilflos auf das jeweils vor ihnen liegende Auge, das zwar Konsistenz und Größe eines hart gekochten Taubeneies hatte, sie aber trotzdem aus der etwas stumpfen Pupille anzuschauen schien.

      Kunzelmann und Graf schluckten die Augen in einem Bissen runter und spülten mit Limonade nach.

      Grafs Kollege Kellermann stammelte entsetzt auf Deutsch:

      „Das kann ich nicht essen!“

      „Musst du! Alles andere wäre eine ungeheure Beleidigung der Gastgeber!“ zischte Graf.

      Kellermann und Hartung kauten sichtlich lustlos auf der weitgehend geschmacksneutralen elastischen Masse herum, bis Graf ihnen sagte:

      „Mit einem Schluck Flüssigkeit geht´s leichter.“

      Anschließend versicherten alle vier lauthals ihren Gastgebern, selten etwas Besseres gegessen zu haben, was prompt dazu führte, dass Admiral Zaif noch weitere Zicklein nachbestellen wollte, was aber unter lautstarkem Protest gerade noch abgewendet werden konnte.

      Dafür war das Fleisch der Zicklein zart und gut gewürzt und entschädigte für die Augen.

      Admiral Zaif, der als Gastgeber Graf gegenüber saß, hatte bisher weitgehend die Konversation bestritten. Nun jedoch, während des Essens, wurde auch die Unterhaltung am Tisch gelöster. Die Teilnehmer, begannen, sich miteinander zu unterhalten und nicht nur ihren Vorgesetzten zuzuhören.

      Der Stellvertreter Zaifs, Konteradmiral Abdallah bin Athel, war der unmittelbare Tischnachbar Grafs. Bin Athel wandte sich an den neben ihm sitzenden Rupert Graf und sagte:

      „Einem Mitglied unserer königlichen Familie ist es äußerst wichtig, dass das erste Boot innerhalb der kommenden zwei Jahre hier zur Verfügung steht. Diese Person hat das Geld für die Boote bereit gestellt, unter genau dieser Bedingung. Es ist eine sehr ehrgeizige Aufgabe für unsere Marine, bis dahin eine geeignete Mannschaft ausgebildet zu haben.“

      Graf dachte daran, wie ehrgeizig es war, den Saudis das Boot zu diesem Zeitpunkt versprochen zu haben. Er fragte:

      „Warum diese kurze Frist?“

      Admiral Abdallah bin Athel schien plötzlich erschrocken über seine eigene Offenheit.

      „Das darf ich nicht sagen. Das ist ein Geheimnis!“

      Ahmed Falouf und Siddiqui saßen währenddessen gemeinsam im Warteraum für Chauffeure im Offiziersclub. Da der Club zahlreiche Sportmöglichkeiten bot und es tagsüber zu heiß war, um sich im Freien sportlich zu betätigen, waren selbst um diese Nachtzeit noch etliche Offiziere unterwegs auf den Joggingpfaden, auf den beleuchteten Tennisplätzen, sogar im ebenfalls beleuchteten Schwimmbecken.

      Da der Club weiterhin über mehrere Restaurants verfügte, in denen rund um die Uhr Mahlzeiten serviert wurden, waren um diese Zeit sicherlich noch weit mehr als hundert Besucher hier. Wie die Anzahl der Autos auf dem Parkplatz zeigte, waren die meisten Besucher selbst hierher gefahren. Dennoch saßen rund vierzig Chauffeure in dem Warteraum.

      Obwohl sich die meisten untereinander kannten, namentlich, oder zumindest vom Sehen, gab es kaum Unterhaltungen zwischen den Wartenden. Dies lag einmal an Sprachschwierigkeiten. Keiner von ihnen war ein Saudi. Auch wenn sie alle aus arabischsprachigen Ländern stammten, erschwerten doch die unterschiedlichen Dialekte oder die sprachlichen Eigenheiten ihrer Herkunftsländer die Verständigung. Siddiquis Hauptsprache war Urdu, eine der vielen Sprachen Pakistans, die jedoch mit zahlreichen arabischen und persischen Wörtern durchsetzt war.

      Während die meisten der Fahrer trotz des aus dem Fernsehgerät quäkenden Lärms dösten oder gar fest schliefen, vertrieben sich Ahmed Falouf und Siddiqui