Melanie Jezyschek

Passion - Gib mir ein Gefühl


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Man sieht sich.« Melina wollte sich umdrehen, sich Dana schnappen und weggehen, doch sie kam nicht weit. Ein fester Griff um ihren Arm hielt sie zurück.

      »Hau nicht wieder ab.«

      Tief durchatmend wandte sie sich ihm wieder zu. Sie musste die Ruhe bewahren und es irgendwie schaffen ihn loszuwerden. Zur Not konnte sie zwar auf die Sicherheitsleute des Clubs zurückgreifen, aber sie wollte Robin nicht in unnötige Schwierigkeiten bringen.

      »Ich hau nicht ab«, widersprach sie und wand sich in seinem Griff. Er ließ sie sofort los, behielt sie aber genau im Auge. Als würde er sofort wieder einschreiten, sollte sie auch nur andeuten, dass sie wegging.

      »Ach nein? Was war dann das gerade eben? Oder das heute Morgen?«, fragte er. Dabei konnte sie für einen kurzen Augenblick Verletztheit in seinem Gesicht erkennen. Sofort meldete sich wieder das schlechte Gewissen in ihr. Vielleicht hätte sie ihm doch eine Nachricht hinterlassen oder warten sollen, bis er aufgewacht war, um sich zu verabschieden.

      Nein. Es war besser so gewesen. Robin machte mit seinem Auftritt hier alles nur noch schlimmer.

      »Ich bin gegangen, na und? Ich habe nie behauptet, dass wir jetzt ein Paar sind oder so. Du warst nur ein One-Night-Stand, okay?« Sie verdrehte die Augen und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue abwartend an, während es in ihrem Bauch verdächtig kribbelte. Verräter.

      Robin kam ihr einen Schritt näher.

      »Das ist nicht dein Ernst, oder? Was ist aus dir geworden?«

      »Eine erwachsene Frau«, erwiderte sie lächelnd.

      »Wohl eher eine Schlampe«, korrigierte er und entfernte sich wieder ein Stück von ihr. »Das hätte ich nie von dir erwartet. Du bist nicht mehr meine Mel, du bist eine Fremde. Gefällt dir dein Leben? Sieht nicht so aus, aber mit deiner Einstellung wirst du es nie schaffen, da rauszukommen.« Ein letzter Blick, der seine ganze Abscheu verdeutlichte, dann drehte er sich um und verschwand.

      Melina fühlte sich, als hätte er sie geschlagen. Ihr war ganz schlecht und nur mit Mühe konnte sie sich auf ihren wackeligen Beinen halten.

      »Was ist das denn für ein Arsch? Nur gut, dass du ihn fallengelassen hast, also wirklich!«

      Danas Schimpftirade nahm sie nur am Rande wahr. Immer wieder hörte sie Robins Stimme und wie er sie als Schlampe bezeichnete.

      Gott, er hatte sogar recht! Sie benahm sich wie eine billige Nutte, es fehlte nur noch, dass man sie für den Sex bezahlte.

      Ihr entwich ein Schluchzen, als ihre Beine unter ihr einknickten. Bevor Dana sie rechtzeitig stützen konnte, saß sie auf dem Boden und zog die Beine an ihren Oberkörper. Tränen liefen ihre Wangen hinab.

      Was war nur aus ihrem Leben geworden? Ihren Träumen, ihren Wünschen? Nie hatte sie vorgehabt, in einem Club das Appetithäppchen für die Stripperinnen zu sein. Oder jede Nacht mit einem anderen Kerl in die Kiste zu steigen. Musste wirklich erst Robin ihr das klarmachen?

      Erneut stieg ein Schluchzen in ihrer Kehle auf, während Dana neben ihr auf sie einredete. Melina nahm sie nicht wahr. Wie auf einer kaputten CD hörte sie immer wieder Robins eiskalte Worte, die ihre Tränen weiter anheizten.

      ***

      Er war von sich selbst schockiert. Er war nicht mit dem Vorhaben ins Passion gegangen, Melina zu beleidigen. Und doch hatte er genau das getan. Obwohl das schlechte Gewissen schon an ihm nagte, als er auf den Weg zum Ausgang des Clubs war, machte er nicht kehrt. Auch wenn seine Worte hart gewesen waren, sie spiegelten zumindest einen Teil der Wahrheit wider.

      Melina hatte sich sicherlich nie ein Leben in diesem Club gewünscht. Oder immer wieder neue Männer in ihrem Bett, die nie länger als eine Nacht blieben. Er fragte sich, was aus dem kleinen Mädchen geworden war, das früher von einem Prinzen auf einem Schimmel geträumt hatte. Wo war diese, seine Melina hin? Er glaubte nicht, dass sie von sich aus so geworden war. Irgendetwas steckte dahinter, doch wie sollte er die Ursache herausfinden, wenn sie ihn von sich stieß?

      Vielleicht war sein Auftritt auch zu aggressiv gewesen, aber er hatte die Wut nicht beherrschen können. Dass sie einfach normal weitermachte, nachdem sie ihn am Morgen ohne ein Wort verlassen hatte, war für ihn unerträglich. Man konnte es Kränkung nennen, verletzten Stolz, alles traf zu. Und doch war Robin sich sicher, dass viel mehr hinter Melinas Verhalten steckte. Sie hatte einen Grund und den hatte er herausfinden wollen. Nun war es wahrscheinlich zu spät dafür. Er hatte alles versaut.

      Warum ihm diese Erkenntnis im Herzen wehtat, war leicht für ihn zu beantworten. Den ganzen Tag hatte er genug darüber gegrübelt, aber jetzt war er sich sicher. Obwohl Melina ihn fallen gelassen hatte, die Nähe zwischen ihnen in der vergangenen Nacht hatte er sich nicht nur eingebildet. Er hatte sich in sie verliebt. Ihr Wiedersehen hatte viel tiefere Gefühle in ihm geweckt als nur die Freude darüber, seine alte Freundin wiederzutreffen. Und falls er nicht total blind war, dann war es nicht nur ihm so gegangen. Vielleicht täuschte er sich und Melina hatte wirklich nur ihren Spaß mit ihm haben wollen, für so schlecht hielt er seine Menschenkenntnis jedoch nicht, erst recht nicht bei ihr. Etwas hinderte sie daran, sich zu öffnen. Wenn er nur wüsste, was.

      »Verdammte Scheiße!«, fluchte er, weshalb er einige überraschte Blicke von Leuten erntete, die den Club gerade betraten.

      So leicht konnte er noch nicht aufgeben.

      Er blieb stehen und verharrte einige Sekunden. Dann drehte er sich mit Schwung um und lief den Weg, den er soeben gegangen war, wieder zurück, bis er zuerst Melinas Freundin und dann sie selbst sah.

      Stocksteif nahm er das Bild, das sich ihm bot, in sich auf. Melina saß am Boden, die Beine an sich gezogen, während ihre Schultern bebten und ihre Freundin sie zu trösten versuchte. Sofort wurde der Klammergriff um sein Herz noch fester und das Atmen fiel ihm schwerer.

      Sie weinte. Wegen seiner Worte?

      Robin rang mit sich. Einerseits wollte er zu ihr und sie in den Arm nehmen, um sich zu entschuldigen. Andererseits war dieser Gefühlsausbruch vielleicht auch gar nicht so schlecht und sie dachte endlich darüber nach, was sie wirklich wollte. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sie glücklich wurde. Es musste nicht unbedingt mit ihm sein. Aber dieses Leben, das sie momentan führte, konnte niemals das sein, was für sie bestimmt sein sollte. Sie hatte Besseres verdient.

      Widerstrebend entschied er sich dafür, nicht zu ihr zu gehen. Er würde sich etwas überlegen, aber heute würde er ihr Zeit für sich lassen. Hoffentlich war das kein Fehler.

      Kapitel 5

      Erschöpft betrat Robin seine Wohnung, warf seine Aktentasche in eine Ecke und ließ sich dann im Wohnzimmer auf die Couch fallen. Obwohl er heute genug zu tun gehabt und schon den gesamten gestrigen Sonntag damit verbracht hatte, hatte er doch nicht verhindern können, an Melina zu denken – und darüber nachzugrübeln, wie er es schaffen konnte, dass sie sich ihm endlich öffnete.

      Leider war er weder gestern noch heute zu einer vernünftigen Idee gekommen, da ihm immer noch nicht klar war, warum sie sich so verhielt. Es war nicht zu leugnen, dass etwas in ihrem Leben sie zu diesen Schutzmechanismen hatte greifen lassen. Nur was, war nach wie vor die große Preisfrage. Er würde jetzt gerne Gedanken lesen können, aber er war kein Protagonist in einem Fantasy-Roman mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Im Gegenteil: Er war ein ganz normaler Mann. Ein Mann, der eine Frau einfach nicht vergessen konnte.

      Scheiße. Er hatte es niemals für möglich gehalten, dass Liebe ihn so runterziehen könnte. Aber da saß er nun wie ein Häufchen Elend auf seinem Sofa und ihm ging nichts anderes durch den Kopf als Melina. Nicht seine Arbeit, nicht seine Familie, nein, einfach nur Melina und was sie sich selbst antat. Würde er an Gott glauben, hätte er spätestens jetzt angefangen für sie zu beten. Doch er war weder Christ noch gehörte er irgendeiner anderen religiösen Gruppe an. Aber musste man überhaupt an etwas Übersinnliches glauben, um das Leben auf die Reihe zu kriegen? Sicher nicht. Bisher war er auch gut klargekommen, jetzt würde er nicht damit anfangen, frühzeitig