Hubert Schönwetter

I'm a Man


Скачать книгу

arbeitete auch Christine. Sie war zwei Jahre älter als ich. An und für sich kein Drama, aber wenn man die unterschiedliche Entwicklung der Geschlechter gerade in diesem Alter bedenkt, war ich ihr hoffnungslos unterlegen, auch wenn sie mich das nicht so merken ließ. Wir konnten uns immer sehr gut unterhalten, und ich wollte mehr, aber sie ließ sich nicht darauf ein.

      Ein Typ, vor dem alle zumindest Respekt hatten, war Richie. Er passte überhaupt nicht zum Rest des Publikums. Wenn er durch die Disco stürmte, räumte er jeden mit einer einfachen Handbewegung beiseite. Er starrte immer alle sehr direkt an, wie wenn er sagen wollte „was willst du? Komm her und ich geb dir eine aufs Maul!“ Gott sei Dank war er meistens in einer Kaschemme in der Innenstadt, von der man hörte, dass dort der halbe Abschaum der Stadt verkehrte, und nicht in der Ranch.

      Gisela, die sehr viel ältere Schwester von Clarki, war die einzige, die ihm Paroli bieten konnte. Gegen ihr Mundwerk und ihre Argumente kam niemand an. Sie hatte eine tolle Figur, feuerrote Haare und ihr Ruf in der Stadt war etwas zweifelhaft. Aber ich glaube, da war nichts dran. Ich verstand mich sehr gut mit ihr. Sie respektierte mich und ich spürte, dass sie mich auch mochte – aber nur als Freund ihres Bruders. Leider war sie nur selten in der Ranch, und wenn, dann verschwand Clarki schnell, er fühlte sich von ihr immer unterdrückt. Später heiratete sie einen GI und ging nach Amerika.

      Die offizielle Eröffnung des Tanzabends läutete immer die Melodie Time is tight von Booker T. & the M.G.‘s ein. Alle warteten schon sehnsüchtig, dass dieser Sound erklang, da dada da, daram. Dann konnte es endlich losgehen. Da am Anfang die Tanzfläche noch nicht so voll war, versuchte ich, gleich jemanden zum Tanzen zu finden. Ich hatte mich schon nach einer geeigneten Partnerin umgesehen, war aber noch nicht fündig geworden. Andy hatte gerade Born to be wild von Steppenwolf aufgelegt. Das wollte ich nicht versäumen und ich machte mich auf eine schnelle Erkundungsrunde durch den Saal. Von hinten erblickte ich eine Blondine mit langen, glatten Haaren und beeilte mich, sie auf die Schulter zu tippen und gleich zu fragen, ob sie tanzen möchte. Sie drehte ihren Kopf zu mir. Fassungslos starrte ich in ihr Gesicht, ein Gesicht mit Bart. In Erwartung eines wunderschönen blonden Engels war die Enttäuschung unsagbar groß – ich hatte einen Mann zum Tanz aufgefordert. Das Blut schoss mir in den Kopf, mir wurde heiß wie es im Death Valley sein musste, stammelte eine Entschuldigung und suchte das Weite, so schnell wie möglich raus aus der Ranch!

      So einen Reinfall hatte ich noch nicht erlebt. Solch glatte, lange Haare bei einem Mann! Die Beatles mit ihren Pilzköpfen sahen dagegen ja wie brave Schulburschen aus. Das sollte man verbieten! Sieht man ja, wie das enden kann. Draußen auf dem Parkplatz lief ich auf und ab und versuchte, mich zu beruhigen und meine Gedanken zu ordnen. Also, schau dir in Zukunft bitte die Menschen genau von vorne an, bevor du sie ansprichst, mein Junge! Ich atmete nochmals tief durch und ging wieder auf meinen Platz bei Clarki. Den ganzen Abend bemühte ich mich, den Langhaarigen zu ignorieren, aber irgendwie kam es mir vor, dass heute besonders viele blonde Mädchen in der Disco waren. Langsam normalisierte sich die Lage. Die Archies sangen Sugar Sugar, ich fragte Elisabeth, ob sie mit mir tanzen wolle, die Säge erteilte mir wie immer eine Abfuhr („aber warte, ich krieg sie schon noch einmal!“) und ich kreiste weiter im Viereck (nicht im Rund) des Tanzraumes. War wieder nichts.

      Also zog ich weiter in die Nebendisco, wo France wie gewohnt einsam an ihrem Tischchen saß. Ich hatte mich schon länger gefragt, was bei ihr nicht stimmte, aber sie sah immer so lieb aus, deshalb forschte ich nicht weiter nach. Ich hatte sie noch nie zum Tanzen geholt. Das machte ich jetzt zu Lay, lady, lay von Bob Dylan. Sie fühlte sich sehr zart und zerbrechlich an in meinen Armen und folgte meinen Tanzschritten ganz leicht und mit sehr viel Einfühlung. Ich bemerkte, wie uns Bronso mit seinen Blicken verfolgte. Also wollte ich ein bisschen weiter zum Rand tanzen.

      Da meinte France „bitte, bleiben wir hier auf der Tanzfläche, hier ist doch genügend Platz.“

      Ich entgegnete ihr „ich wollte nur etwas unbeobachteter sein.“

      France: „Ist schon OK. Bleiben wir hier.“ Nach einer kurzen Pause: „Mein Mann möchte mich immer sehen. Sonst darf ich nicht mehr hierher mitkommen.“

      „Dein Mann? Wo ist er denn?“

      Sie nickte mit ihrem Kopf nach drüben „da oben, am Mischpult.“

      Ich wusste, wer da saß, musste aber trotzdem zu ihm hinschauen „Bronso ist dein Mann?“ entfuhr es mir.

      „Bronso? Er heißt doch nicht so!“

      „Entschuldige, mir ist das nur so rausgerutscht.“

      Sie sah mich komisch und zweifelnd an.

      „Wie alt bist du denn?“ fragte ich sie.

      „Siebzehn.“ (ich dachte an den Song Siebzehn Jahr, blondes Haar, so stand sie vor mir … – auch wenn ich mit Udo Jürgens sonst nicht viel anfangen konnte)

      „Und dein Mann? Wie alt ist der?“

      „Warum willst du das wissen?“ fragte sie mich.

      Sollte ich ihr sagen, dass ich ihn für annähernd doppelt so alt hielt und dass ich fand, dass sie überhaupt nicht zusammen passten, besser nicht!

      „Ach, nur so, egal.“

      Bob Dylan sang das Ende vom Lied und France hatte anscheinend genug von mir. Mir reichte es auch, dass mich Bronsos Blicke immer noch verfolgten, als ich schon auf dem Weg aus dem Raum war. Also das!

      Ich setzte mich zu Clarki, schnaufte durch und nahm einen großen Schluck vom Weißbier, in der Oberpfalz sagte man Weizen dazu. Übrigens war dieses Getränk zu dieser Zeit noch nicht sehr verbreitet. Als ich einmal in Österreich war, kannten sie es dort nicht einmal.

      Andy spielte nun eine Reihe von langsameren Songs, gerade Monday, Monday, so good to me von den Mamas and the Papas – ein schon seltsamer Name für eine Band. Aber schön gesungen. Neben Elisabeth saß nun auch ein hübsches Mädchen aus ihrem Nachbarhaus, Kathi. Sie hatte blaue Augen und mittellange, dunkelblonde Haare, die am Ende neckisch hochdrapiert waren. Sah nett aus. Ich kannte sie flüchtig vom Sehen, deshalb holte ich sie gleich zum Tanzen. Die Säge guckte nur blöd aus der Wäsche.

      „Hallo Kathi, wie gehts? Bist du öfter hier?“

      „Eigentlich nicht. Elisabeth hatte mich gefragt, ob ich mitkommen möchte, deswegen bin ich nun da. Aber schön hier. Und gute Musik.“

      „Ja, nicht wahr. Aber auch schön, dass wir uns hier getroffen haben. Du tanzt sehr gut.“

      „Danke, eigentlich bin ich früher mit meinem Freund oft auf die Dorfwirtschaften zum Tanzen gefahren. Da war die Musik aber nicht so wie hier.“

      „Ja, ich war auch ein paar Mal auf so einem Dorftanz, aber das ist nicht so wirklich meine Welt – und wo ist dein Freund heute?“

      Sie zögerte etwas. „Ist vorbei. Aus und vorbei.“

      Ich empfand darüber kein Mitleid, muss ich ehrlich sagen. Da bot sich eine wirkliche Chance für mich, und Kathi war attraktiv und ganz nett.

      „Dann vergiss ihn einfach schnell. Lass uns Spaß haben heute, Kathi.“

      Sie lächelte mich an und ich spürte, dass auch sie mich mochte.

      Sonny & Cher sangen I got you babe und nun ging alles sehr schnell. Wir tanzten sehr eng, spürten uns intensiv, küssten uns lange und gefühlvoll, während wir tanzten. Dabei vergaßen wir alles andere um uns herum. Nach dem Song gingen wir raus auf den Parkplatz, hielten uns an den Händen und beobachteten verliebt den Mondschein, richtig romantisch war es. Wir schlenderten wieder hinein und wechselten unsere Plätze, gingen gemeinsam an einen kleinen Tisch im Separee-Raum. Wir tauschten viele kleine Zärtlichkeiten aus, Zeitgefühl kannten wir nicht mehr.

      Plötzlich stand Elisabeth vor uns, nervös sagte sie „komm Kathi, Erwin möchte jetzt gehen. Er drängt schon. Bitte komm schnell!“

      Ich sagte zu Kathi, ich hätte sie auch sehr gerne heimgebracht, aber mein Auto sei noch in Arbeit. Wieder einmal versaute mir das fehlende Auto alles! Weil sie den Freund von Elisabeth nicht verärgern