Hubert Schönwetter

I'm a Man


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heim.

      Am späten nächsten Morgen – ich hatte kaum schlafen können – fuhr ich mit dem Fahrrad zum Tennisplatz, um Kathi zu treffen. Sie war noch nicht da. Ein anderes Paar, ungefähr in meinem Alter, spielte anscheinend schon eine Zeitlang. Ich wollte mich gerade auf einer Bank ausstrecken, da kam Kathi auch schon. Sie trug die perfekte Tenniskleidung, eine Kombi aus weißem Polo und weißem, kurzen Röckchen. Sie sah darin einfach umwerfend sexy aus.

      „Guten Morgen, Kathi, du siehst ja toll aus.“

      Sie strahlte mich an und wir küssten uns zur Begrüßung. Wir nahmen unsere Plätze neben dem anderen Paar ein und wollten loslegen, als der andere Junge Kathi den Vorschlag machte, ein Doppel zu spielen. Mir gefiel das gar nicht, aber Kathi hatte gleich zugesagt. Ich hatte ja bisher kaum gespielt, deshalb wäre ich lieber mit Kathi alleine geblieben. Aber so? Ich würde mich bestimmt blamieren.

      Kathi und ich spielten zusammen gegen die anderen. Kathis Aufschlag kam immer gut und der Return der anderen Seite kam auch ganz gut. Nur ich versaute es meistens, mein Niveau war eben noch nicht ausreichend, vorsichtig ausgedrückt. Ich schwitzte schon vor lauter Konzentration und Bemühen. Manchmal gelang mir eine sehr gute Vorhand, dass die anderen mich sehr überrascht betrachteten, aber mit meiner Rückhand konnte ich gar nichts anfangen. Vom Abend vorher war ich auch noch ziemlich fertig. Die Sonne brannte auf uns herunter, mein Kopf glühte. Endlich hatte man ein Einsehen, dass ich nicht zu gebrauchen war und Kathi und ich machten erst einmal eine Pause im Tennishäuschen. Ganz froh, wieder alleine zu sein, küssten wir uns. Durch die körperliche Anstrengung war aber unser Mund sehr trocken und der Kuss fühlte sich nicht so angenehm an.

      Kathi meinte „Du hättest mir sagen müssen, dass du nicht Tennis spielst.“

      <Was heißt nicht Tennis spielst. So schlecht war ich nun auch wieder nicht> dachte ich mir. Das ist schon ganz schön abgehoben von ihr.

      „Ja, aber dann hätte ich dich ja nicht so schnell wieder gesehen, und das wollte ich.“

      Sie lachte, die Stimmung war trotzdem nicht mehr so gut und wir verabschiedeten uns mit dem Versprechen, uns bald wieder zu sehen. Im Gehen beobachtete ich, wie sich Kathi mit den anderen Spielern großartig unterhielt. Ich fand die anderen nicht so sympathisch. Deshalb verstand ich Kathis Umgang mit ihnen nicht. Aber wahrscheinlich passte sie ja besser zu denen als zu mir.

      Die Augen links

      Den Einberufungsbescheid zum Wehrdienst hatte ich schon in der Tasche und ich sollte den Dienst gleich nach dem Ende der Schulzeit antreten. Viel lieber hätte ich sofort mit dem Studium begonnen, leider war der Wehrdienst bzw. Zivildienst verpflichtend. Untauglich waren meistens nur die Supersportler unserer Schule. Diese hatte Meniskus-, Achilles- oder andere muskuläre Problemchen. Die Muskeln im Kopf wurden leider nicht überprüft. Zivildienst war nichts für mich. Im Krankenhaus, Altenheim oder einer ähnlichen Einrichtung mich um kranke, schwache oder alte Menschen zu kümmern, das lag mir damals überhaupt nicht. Also Militär.

      Am Tag nach dem denkwürdigen Tennismatch besuchte der männliche Teil unserer Abiturklasse die Bundeswehrkaserne in der Nähe. Es war so eine Art Tag der offenen Tür, anders ausgedrückt, eine Marketingveranstaltung. Jedenfalls war der Führer der Veranstaltung sehr bemüht, uns den Beruf des Soldaten einerseits als eine Art von spannendem Abenteuer im Stile der Pfadfinder, aber andererseits auch als verantwortlicher Beschützer des Vaterlandes zu vermitteln. Wir durften auch mit dem Kleinkalibergewehr auf eine Zielscheibe in 50 m Entfernung schießen. Ich hatte meine Brille nicht dabei – bei der Vorbereitung auf den Führerschein war festgestellt worden, dass ich leicht kurzsichtig bin – deshalb hatte ich eine kleine Hoffnung, einer meiner unliebsamen Klassenkameraden könnte mir unbeabsichtigt in die Schusslinie laufen. Dann hätte ich eine gute Entschuldigung für meinen Fehlschuss. Zur allgemeinen Verunsicherung, besonders aber zu meiner, war ich bei weitem der beste Schütze, alle fünf Schuss im absoluten 10er-Schwarz. Auch die Soldaten konnten das nicht glauben. Anscheinend war ich ein Naturtalent in dieser Beziehung. Ich bekam noch eine Urkunde und den Spitznamen Slow Hand, was zwar nicht so treffend war, aber in Anlehnung an Eric Clapton eine Ehre, auch wenn der bestimmt nichts mit Schießen am Hut hatte.

      Dann kam der erste Tag bei der Bundeswehr. Einkleidung, Marschieren, Zimmer teilen mit acht anderen, Marschieren, Putzen, Marschieren, ...

      Nach einem Monat wurde mir richtig bewusst, was die nächsten noch 17 Monate auf mich zu kommen würde. Da entschloss ich mich, mich nachträglich freiwillig auf zwei Jahre zu verpflichten. Dadurch würde ich zwar erst später mein Studium beginnen können, aber ich würde genug Geld bekommen, um mir ein Auto kaufen zu können, und ich würde mir soviel erspart haben, dass ich auch noch mein Studium, wenigstens zum Teil, finanzieren konnte. Außerdem würde ich später zum Leutnant befördert und dann den anderen Unteroffizieren, die mich jetzt piesackten, die Hölle heiß machen können, und mich auch sonst nicht so anstrengen müssen.

      Mit meinem ersten Gehalt und elterlicher Unterstützung kaufte ich mir mein erstes Auto. Und was für eins! Ein rot-schwarzer Karmann Ghia mit 34 PS, 130 Spitze. Die Sitze konnte man auch als Liege-/Schlafsitze nutzen und es waren noch zwei Notsitze dahinter, Motor und Antrieb im Heck, ganz so wie in einem Porsche. Einer aus der anderen Kompanie fuhr einen gelben Opel GT mit 90 PS, das war natürlich eine ganz andere Liga. Aber ich liebte mein Auto über alles.

      Gegen Abend marschierten wir wieder einmal quer durch die Kaserne. Ein Offizier beobachte uns dabei. Dann stoppte er unseren Marsch abrupt.

      „Jäger, vortreten!“

      Er stand neben mir. Ob er mich gemeint hatte, wusste ich nicht, ich sah einfach stur geradeaus und rührte mich nicht.

      Er machte noch einen Schritt weiter auf mich zu und brüllte mich an: „Jäger, vortreten!“

      Ich sah ihn an und es wurde sehr deutlich, dass er mich gemeint hatte. Ich trat auf ihn zu und grüßte ihn militärisch, so gut es ging.

      „Wann waren Sie zum letzten Mal beim Friseur, Jäger?“

      Ich dachte kurz nach, kam aber gar nicht zu einer Antwort, da er gleich weiter schrie:

      „So etwas dulde ich nicht bei meinen Soldaten, in meiner Kaserne! Sie gehen sofort zum Friseur und melden sich morgen persönlich bei mir mit einem anständigen Haarschnitt, haben Sie mich verstanden?!“

      „Jawohl.“

      „Jawohl. Herr Oberstleutnant.“

      „Jawohl. Herr Oberstleutnant.“

      „Eintreten und weitermachen.“

      Ich überlegte kurz, ob ich gleich zum Friseur gehen sollte, es war ja schon spät, oder ob ich wieder mitmarschieren sollte. Das kurze Zögern brachte ihn noch mehr auf die Palme. Also, Palme war keine in der Nähe, höchstens ein Fahnenmast. Wenn er den raufklettern könnte, dann würde er von ganz oben herunterjuchzen.

      „Mann, was haben Sie da für Trantüten, Herr Stabsunteroffizier, da haben Sie noch viel Arbeit zu erledigen!“

      Wir drehten noch eine Runde, dann schickte mich der Stufz gleich zum Friseur. Dieser wusste ganz genau, wie kurz die Haare sein mussten. Nämlich so kurz, wie ich sie in meinem ganzen Leben niemals hatte. Meine Meldung am nächsten Tag bei unserem Kommandeur (der war es nämlich gewesen, der mich so zur Rede gestellt hatte. Natürlich hatte ich dabei keine Rede gehalten, nur er) verlief dann wieder entspannt. Er konnte sich kaum noch an gestern erinnern.

      Die Grundausbildung dauerte drei Monate. An den meisten Wochenenden mussten wir in der Kaserne bleiben. Wegen meinen kurzen Haaren war ich darüber eigentlich ganz froh. Mein Talent beim Schießen bestätigte sich auch für andere Waffen, nicht nur mit dem Gewehr. Ob 9 mm Pistole, der Maschinenpistole Uzi oder 90 mm Panzerpatrone. Ich war der beste Schütze im Bataillon.

      An einem anderen Tag, besser gesagt, in einer anderen Nacht, starteten wir einen Orientierungsmarsch im Wald. Als Junge bin ich oft im Wald gewesen, habe dort Spuren von Wild gesucht, habe vermieden, selbst Spuren zu hinterlassen und auf Zweige zu treten wie die Indianer, Pilze und Beeren gesammelt. Ich kannte mich aus im Wald, er war mein Freund. Beim Orientierungsmarsch