Dr. Holger Wyrwa

Hommage an mich


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wahrscheinlich als Brutkasten für viele kleine neue Krankenpfleger. Jugend: Nichts weiter als fehlgeleitete, überschüssige Energie.

       Die Creme ist echt gut, lindert den Juckreiz fast sofort. Auch geil.

       30.08.2016

       Konnte nicht schlafen. Habe mir eine Wiederholung von „Next German Model“ angesehen. Eine Schlachthofatmosphäre mit Todesbolzen, Blut und Metzgermessern ist jeder Casting-Show hoffnungslos unterlegen.

       01.09.2016

       Wieder einer dieser eingebildeten Ärzte auf dem Flur. Grüßt mich ohne Titel. Es ist schade, das Dummheit nicht weh tut.

       In der Kantine einen Horrorfilm gesehen. Mutter und ihre etwa 16jährige Tochter im Streit. Ging heftig zur Sache. Die Tochter: Im Tötungsmodus. Die Mutter: Verzweifelt. Den Tränen nahe. Bin hingegangen. Mich vorgestellt. Kannten mich nicht. Mutter meine Visitenkarte gegeben. Immer dabei. Böse Blicke von beiden. Nicht jeder verdient Hilfe.

       Eine bemerkenswerte Beobachtung gemacht. Bei alten Leuten. Stehen sie von ihren Plätzen auf und ist ein Tisch zum Abstützen in der Nähe, verwenden sie eine an Gorillas erinnernde Methode der Fortbewegung, wenn auch hier nur vertikal. Sie ballen ihre Hände zu Fäusten und rollen über die Fingerknochen bis zu den Handknochen ab, wenn sie aufstehen. Sieht lustig aus. Stammen wohl doch vom Affen ab.

       Mir erst heute aufgefallen. Weder Gudrun noch Lisa haben sich je dafür bedankt, wenn ich sie mit meiner Rute beglückte. Habe wirklich alles gegeben. Verdammtes Schlampenpack. Auch die anderen nicht. Was soll das? Das kann doch nicht sein. Doch. Eine Ausnahme. Elsa, die Kahle. Letzter Fick in ihrem Leben. Drei Tage danach war sie tot. Krebs. Konnte ihr nicht helfen, außer Gnadenfick. Wusste, dass es das letzte Mal war. Zählt eigentlich nicht. Da bedankt man sich eben.

       02.09.2016

       Jasmin meinen strammen Max gezeigt.

      *

      Die Liebe ist eine Umarmung, die sich erst dann zu lösen beginnt, wenn eine falsche Gewöhnung daran sich mit der Gier nach Neuem paart. So sehe ich das. Doch das war nie das Problem in meinen zwei Ehen. Es gab nie eine falsche Gewöhnung an mich. Gudrun und Lisa hätten mich nie betrogen. Ich war für sie der Gott, den sie sich immer gewünscht hatten. Etwas anderes als mich hätten sie nie gebraucht. Nein, was sie von mir trennte, war der blanke Neid.

      Wissen Sie lieber Leser, ein weitgehend normales Leben kann ein Mensch nur dann führen, wenn er mit minderen Geistesgaben ausgestattet ist. Für Menschen wie mich hingegen, ist das Leben eine einzige Bürde. Denn überall trifft man auf Neider. Und bedauerlicherweise auch dort, wo Neid nichts zu suchen hat. Nämlich in einer guten und liebevollen Beziehung, wo die Partnerin neidlos die Größe und Intelligenz ihres Partners anerkennt und sich wie selbstverständlich auf den Platz einfindet, der ihr durch ihre eigene geistige Beschränktheit zugewiesen wurde. Sowohl Gudrun wie auch Lisa führten ein eher mittelmäßiges Leben. Sie waren nicht mit besonderen Geistesgaben gesegnet. Trotzdem versuchten sie, mit mir geistig Schritt zu halten. Ein von vorneherein natürlich zum Scheitern verurteiltes Unterfangen. Es hielt sie aber nicht davon ab, es immer wieder darauf ankommen zu lassen.

      Es ist ein Fluch, wenn man die eigene Unfähigkeit nicht erkennen kann. Beide gleichermaßen. Dummheit ist für die Dummen keine Last, sondern nur für die, die sie ertragen müssen. Ihre Dummheit menstruierend, vergossen Gudrun und Lisa Tränen der Einfältigkeit.

      Was meine beiden Frauen vereinte, war ihr unstillbarer Neid auf mich.

      Neid auf meinen Doktor- und Professorentitel.

      Neid auf meinen außergewöhnlichen beruflichen Erfolg.

      Neid auf meine überdurchschnittliche Intelligenz

      Neid auf meine herausragende Reputation

      Neid auf meine nahe übermenschliche Beliebtheit bei Frauen.

      Und natürlich: Neid auf mein Geld.

      Es gehört wahrlich Größe dazu, die eigene Beschränktheit im Vergleich zu einem höheren Wesen wie mir zu erkennen. Auch in meiner Familie war es nicht anders. Die Familie: Ein Pfuhl des Grauens. Ein Tempel gekränkter Eitelkeiten, von Neid und Eifersüchteleien zerfressen. Nie ist man der Verlogenheit, dem nicht eingestandenen Hass und der Niedertracht des Menschen näher als in den Momenten, wo erworbene Abneigung sich mit gezüchteter Liebe mischt.

      Ich mache Gudrun und Lisa im Rückblick keine Vorwürfe. Ich habe ihnen vergeben. Doch ich musste erkennen: Jede Liebesbeziehung, welche durch ein Bedürfnis nach Macht angetrieben wird, trägt bereits die unsichtbaren Spuren ihres Unterganges in sich, da jeder Hauch von Rivalität und jedes Begehren nach Überlegenheit nur unweigerlich die diabolische Lust nach Herrschaft in einem zu erkennen gibt.

       *

       04.09.2016

       Bin gelangweilt über den Stationsflur geschritten. Gähnende Leere. Betrat ein Zimmer, deren Tür offenstand. Ein alter Mann, schwer atmend in seinem Bett liegend, die Decke von sich weg gestrampelt. Die abgehungerten Beine, wie brüchige Zweige. Stank nach Greisenfurz. Etwa 80 Jahre alt. Das Gesicht von Falten durchzogen, wie ein dicht gewebtes Spinnennetz. Einige so tief, wie Krater. Arme und Hände in unnatürlichen Winkeln liegend, geradezu spastisch. Ein kaputter Embryo in Rückenlage.

       Was ich an Frauen so toll finde: Die Fußnägel sind immer geschnitten.

       Die süße Jasmin scheint doch auf mich zu stehen. Schiebt immer ihren Daumen zwischen Zeigefinger und Mittelfinger rhythmisch hin und her. Eindeutiges Zeichen. Gesteigerte Fickbereitschaft. Sigi Freud lässt grüßen. Mal sehen, wann es soweit ist. Ich bin bereit.

       05.09.2016

       Habe im Wartebereich der Station meine Visitenkarten hinterlegt und meine Zimmernummer darauf geschrieben. Ist ein Zimmer offen und ist niemand da, lege ich meine Karte auf das Bett. Habe meine Sprechzeiten darauf geschrieben.

       Jugendlicher in der Kantine. Hat sich hingesetzt, mit Altersstöhnen. Widerlich.

       Meine Eltern sind tot. Mir erst heute klargeworden, dass ich eine Vollwaise bin. Aber ich komme damit klar. Das ist nun mal der Gang der Dinge.

       Nur Vollgreise. Geriatrische Station. Mein Gott. Wie viel Alter muss man aushalten, wenn man am Leben bleiben will?

       Der grausamste Tod, den ich mir vorstellen kann, ist der, zu den Klängen von Andrea Berg zu sterben.

      *

      Während einer Urlaubsreise meiner Eltern wurde ich am 12. Juni 1954 geboren. Wie jedes Jahr fuhren sie nach Italien zum Gardasee. Mein Vater war ein berühmter Chirurg. Meine Mutter eine angesehene Internistin. Ihre Wehen setzten ein, als sie auf die erste Stufe trat, die zur Lobby eines Fünf-Sterne-Hotels führte.

      Man brachte sie umgehend in das örtliche Krankenhaus. Wie mein Vater mir später erzählte, muss es ein wunderbarer Abend gewesen sein. Sinnlichkeit lag in der von Frühlingsduft geschwängerten Luft.

      Ich schoss wie ein Torpedo durch den von Spasmen zerschundenen Geburtskanal meiner Mutter. Aber die Nabelschnur verhinderte ein größeres Unglück.

      Im Augenblick meiner Geburt müssen die Fenster des Krankenhauszimmers mit einem großen Knall aufgesprungen sein und ein Meer von bunten Funken ergoss sich über den Nachthimmel. Minutenlang starrten mein Vater und meine Mutter wie gebannt auf den wie brennenden Himmel, bis mein Vater mich mit beiden Händen hochriss und mich den Sternen wie zum Geschenk entgegenreckte. Und wie mit einem geheimen Wissen vorab