Toma Behlsum

o.T., 2014


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nimmt. ‚Ein Scherz’ ergänzt James.

      Der Hotelbesitzer erklärt ihm, dass das Budget pro Häftling 7 Euro 50 sei, und dass in der Haftanstalt 644 Christen und Religionslose, 111 Moslems, 21 Buddhisten, 2 Hindi und 1 Jude sitzen, die alle für die eingeplanten 7 Euro 50 pro Häftling Anspruch auf Respektierung ihrer religiösen Gebräuche hätten,* und dass er auch deshalb möglichst viele verschiedenartige Küchenhelfer ausgewählt hatte. Dass die früher oder später alle das selbe Hobby hatten, unabhängig von ihrer Religion, Drogen, das sei nicht vorhersehbar gewesen.

      James sagt er habe gehört, dass 40% der Döner aus Schweine- oder Pferdefleisch bestehen und er könne sich nicht erinnern, dass deshalb ständig welche Moslems tot umfallen.

      ‚Das nicht’, gibt der Hotelbesitzer zu bedenken, ‚aber vielleicht wirkt sich das auf das Leben im Paradies aus.’

      James geht zum Gefängnispfarrer und fragt ihn nach Agnostikern unter den Häftlingen, die Küchenhelfer werden wollten.

      ‚Keine Linksliberalen, die aus der Kirche ausgetreten sind und die doch nur ignorante Egoisten sind. Und keine Atheisten, die nur die andere Seite der Religiösen sind. Echte Agnostiker’ betont er.

      Der Gefängnispfarrer sagt, es gäbe gar nicht so viele Agnostiker, aber er verspricht sich umzuhören.

      ‚Warum ausgerechnet Agnostiker?’

      ‚Nur Agnostiker sind in der Lage, die religiösen Gefühle nicht zu verletzen. Religiöse verletzen die religiösen Gefühle von anderen Religionen, weil sie ihre als die wahre Religion ansehen, sonst wären sie ja nicht bei der, in der sie sind Atheisten verletzen die religiösen Gefühle aller Religionen, weil sie religiöse Gefühle grundsätzlich für falsch halten. Nur Agnostiker, denen religiöse Gefühle völlig fremd sind, die sich für religiöse Gefühle nicht im Mindesten interessieren, sind in der Lage, sie nicht zu verletzen’ antwortet James.

      Dem Hotelbesitzer erzählt er das selbe, mit dem Zusatz, dass Agnostiker keine Drogen nähmen, weil diese keine Illusionen hätten, der Hotelbesitzer versteht den Zusammenhang aber nicht.

      Dann geht James ins Lager und schaut sich die Vorräte an: Würste die fast ausschließlich aus Nitritpökelsalz bestehen, Soßen aus Kartoffelstärke und Glutamat, Margarine aus gehärteten Fetten, Fertiggerichte mit 80% Zuckergehalt und solche mit 80% Salzgehalt. Er erstellt eine Einkaufsliste, und fängt mit dem Frühstück an, Cerealien, Milch, Obst Yoghurt, Kaffee, dann Gewürze, Obst und Gemüse.

      Der Hotelbesitzer sucht anfangs noch Streit, weil er das so gewohnt ist, aber als er keinen findet, auch weil die neuen Küchenhelfer problemlos mit der Verarbeitung der Lebensmittel zurecht kommen, findet er wieder in seinen ursprünglichen Fatalismus zurück und sich mit James ab.

      James kommt vom Umschluss in den Vollzug und bekommt auf seinen Wunsch eine Einzelzelle. Fernseher hat er keinen, aber ein Radio mit CD-Spieler, auf dem er Soulmusik hört, die sich aus der Gefängnisbibliothek bringen lässt, und jeder Tag ist wie der vorherige und wie der nächste sein wird.

      Nach 2 Jahren und sechs Monaten kocht James dann zum letzten Mal das Essen für die Gefangenen, Rindfleisch mexikanisch und eine von der Chemieindustrie hergestellte Traumcreme mit Kaffeegeschmack, er selbst isst nur ganz wenig davon, er konnte sein an sich schon hohes Gewicht in den letzten zweieinhalb Jahren nur halten, weil er selbst in der Küche gearbeitet hat und damit vermeiden konnte, das Essen zu essen, das von der Gefängnisverwaltung für die Gefangenen vorgesehen ist.

      Probleme mit Mitgefangenen hat er die ganzen Jahre nicht gehabt, er gilt als politischer Gefangener, als etwas anderes, und politische Gefangene werden respektiert, aber nicht als ihresgleichen angesehen, und James hat niemals versucht, das zu ändern, ihm ist das recht, auch wenn er sich nicht als politischer Gefangener sieht, und wenn, dann sind hier nur politische Gefangene. Er wiederum hat sich rausgehalten aus ihren Angelegenheiten, außer beim Fußballspielen, dort lernt er hartes Pressing und üble Tricks, das findet er interessant.

      Er geht in die Ausgabe, seine beiden Handkoffer aus genopptem Leder, mit denen er eingeliefert worden war, werden ihm übergeben. Er besitzt außer dem, was er anhat, den einen Koffer voll mit Kleidung, darunter einen Leinenanzug, und den anderen Koffer mit keiner Kleidung, jedoch mit einem Notebook von Apple mit 80 MB Arbeitsspeicher und 1 GB Festplatte, und er besitzt seinen Lohn für zweieinhalb Jahre Küchenarbeit, Lohnstufe IV 12,02 Euro am Tag, macht knapp 200 Euro im Monat, davon gehen dann 60 bis 65 Euro für Zigaretten und Schokolade ab und gelegentlich noch was für Sonderausgaben, wie sie in Gefängnissen eben so anfallen. Es verbleiben ihm 4.413 Euro und 33 Cent, von denen er 2.500 Euro direkt vom Gefängnis aus an seinen Bruder schickt, um alte Berliner Schulden zu begleichen, wozu er bislang aus finanziellen Gründen nicht gekommen war. Mit den beiden Koffern geht er dann noch einmal in seine Zelle und packt den Rest seiner Sachen.

      ‚James’ ruft der Hotelbesitzer ihm nach, als er wieder auf dem Weg nach draußen ist. James hat nun 2 Jahre und 6 Monate, also die ganze Zeit seines Gefängnisaufenthaltes, mit ihm zusammen in der Gefängnisküche gearbeitet.

      ‚Ja’? James dreht sich um.

      ‚Sagt man im Gefängnis ‚Auf Wiedersehen’?’

      ‚Keine Ahnung’, sagt James und wendet sich wieder zum Gehen.

      ‚Was ich noch sagen wollte, das Hotel, von dem ich Dir erzählt habe, das leer steht, Du kannst es haben, wenn Du willst.’

      James dreht sich nochmals um.

      ‚Nicht das Haus, das bekommen mal meine beiden Töchter, aber solange ich hier drin bin kannst Du es betreiben.’

      ‚Ich wusste gar nicht dass Du zwei Töchter hast’ entgegnet James, ohne auf das Angebot einzugehen.

      ‚Ist hier drin auch nicht so wichtig. Ich habe ihnen verboten, mich zu besuchen, so muss ich mich nicht grämen, wenn sie sowieso nicht gekommen wären.’

      ‚Warum? Warum kann ich es betreiben?’

      ‚Warum nicht. Es steht leer’, ruft der Hotelbesitzer zurück ohne auf die Frage zu antworten, weil er in den letzten zweieinhalb Jahren von James gelernt hat dass es auf manche Fragen gar keine Antwort gibt.

      ‚Und wo steht es und wie heißt es?’

      ‚Das Grand Hôtel Bodensee in Lindau, an der Seepromenade im Hafen.’

      Wo sonst, denkt James.

      ‚Ich schau mal’, ruft er zurück. ‚Die Schlüssel?’

      ‚Der Laden ging in letzter Zeit nicht mehr so toll’ ruft der Hotelbesitzer. James hebt den Arm, ohne sich nochmals umzudrehen. ‚Die Türe ist offen’ ruft der Hotelbesitzer ihm noch nach, aber das hört James schon nicht mehr.

      *Christen dürfen immer freitags kein Fleisch essen, und auch nicht in der Fastenzeit, an den anderen Tagen ist aber so ziemlich alles erlaubt, auch Klippdachse* und Elefanten.

      Juden dagegen, das ganze Jahr über, und nicht nur 4 Wochen lang, dürfen Fleisch und Milchspeisen nicht gemeinsam zubereiten und schon gar nicht gleichzeitig essen dürfen, 4-5 Stunden Abstand, mindestens. Sie dürfen zwar Fisch, aber keine Schalen- und Krustentiere essen, und nur Wiederkäuer mit gespaltenem Huf, keinesfalls also Kamele, Klippdachse, Hasen und Schweine, wobei Kamele zwar Wiederkäuer sind, aber keine gespaltenen Hufe haben, während das Schwein 1a durchgespaltene Hufe hat, aber nicht wiederkäut, also alle unrein.

      Im Islam, sagen die Moslems, ist es hingegen generell verboten, Schweine, Schildkröten und Elefanten zu essen, Kamele, Klippdachse und Hasen sind erlaubt.

      Buddhisten, dürfen überhaupt keine Tiere schlachten, deshalb stellen sie dafür Muslime an, die sie dann dafür herzlich verachten.

      Dass man am jeweils ersten Mittwoch der Monate ohne U im Namen keine Katzen essen soll, steht aber unbegreiflicherweise nirgends.

      *Der Osterhase beruht übrigens auf einem Übersetzungsfehler der Bibel, eigentlich kommt zu Ostern der Klippdachs.

      In der Bibel gibt es Übersetzungsfehler noch