Christin Thomas

Hope


Скачать книгу

sie nicht, aber Sam war auch nicht daran interessiert ihnen das Thema näherzubringen. Er musste seinen scheußlichen Spitznamen loswerden und wieder einer von ihnen werden. Andernfalls würde das Abschlussjahr ein wahrer Alptraum werden.

      Sein Vater schickte Jenna, um ihm und Sam ihre Mäntel zu bringen.

      „Sehr gern“, lautete ihre verzerrte Antwort und schon verließ sie das Wohnzimmer in Richtung Flur.

      Sie brachte ihnen zügig zwei weiße Mäntel. Was auch sonst? Zu dieser Zeit war Weiß unglaublich in Mode. Schräg geschnitten und eng anliegend, mit passenden weißen Handschuhen. Sam war eher ein unauffälliger Typ. Dunkle und unscheinbare, schlichte Kleidung hätte seinen Geschmack eher getroffen. Mit den blonden Haaren und der hellen Haut kam er sich schon blass genug vor. Doch er wurde auch bei solchen Dingen nicht gefragt. In Cyron sah einer wie der andere aus und das schien auch jedem zu gefallen.

      „Willst du das nicht hierlassen?“ Sein Vater deutete auf das Hologramm-Armband. Sam griff instinktiv danach und umklammerte es mit seiner rechten Hand, als wollte sein Vater es ihm wegnehmen.

      „Natürlich nicht. Vielleicht will ich Aufnahmen machen.“

      Sein Vater lachte. „Die lassen dich niemals mit einem Gerät wie diesem da rein. Bilder sind nicht sicher, mein Sohn.“

      „Das sind Erinnerungen auch nicht mehr. Was ist denn, wenn die Magier dich eines Tages entführen und sich in deinem Kopf einfach alles ansehen, was sie wissen wollen?“

      Sein Vater strich sich über den Mantel, als wollte er ihn noch etwas zurechtrücken. „Ich wäre sicher tot, ehe sie irgendetwas wüssten.“ Sein Lächeln erlosch. „Deshalb ist dein alberner Krieg vor der Haustür auch gar nicht so lustig.“

      Dann wandte er sich an Jenna, der er zur Verabschiedung stets zunickte. Sam ging wie immer achtlos an ihr vorbei, während er sich das Armband abstreifte und es in seine Manteltasche steckte.

      Er ließ sich nichts anmerken, doch allein der Gedanke an den Tod seines Vaters ließ ihn erschaudern.

      Die Tore des Forschungsgeländes öffneten sich. Ein weiß lackiertes Fahrzeug schwebte auf den großen Platz und wurde von zwei riesigen Robotern mit Laserstrahlen gescannt. Sams Vater erklärte ihm, dass es sich hierbei um die neuesten Versionen der sogenannten Kontrolleure handelte. Sie prüften die Fahrzeuge auf Waffen und Sprengstoffe aller Art. Diese beiden waren länger in der Lage Kälte und Hitze standzuhalten als das Vorgängermodell. Seit die Magier nun auch mit elementarer Energie angriffen, war es zwingend notwendig, dass Cyrons Forscher dafür ausgerüstete Maschinen erschufen.

      „Das Hauptsystem Coroc ist an vielen Stellen bereits mit Material dieser Art ausgestattet, aber solange die Aufrüstung nicht abgeschlossen ist, haben wir allen Grund uns vor ihren Angriffen zu fürchten.“ Sein Vater klang ernst. Er machte sich allem Anschein nach große Sorgen und Sam konnte das nicht nur in seiner Stimme hören. Die Augen seines Vaters strahlten es in letzter Zeit oft aus. Kein Wunder, wenn man auf den ganztägigen Nachrichtensendern rund um die Uhr mit Bildern aus den Kriegsgebieten konfrontiert wurde! Die Schutzkuppeln der attackierten Städte wurden mit Gesteinsbrocken beschossen. Ganze Horden von Magiern lenkten sie mit unsichtbarer Kraft auf das tonnenschwere Glas. Jagdgleiter des ansässigen Militärs wehrten sich unterdessen mit Lasergeschützen. Die Bodentruppen sahen sich während solcher Szenarien meist dem Pfeilhagel der Jäger ausgesetzt. Das alles wurde vom Lärm der Einschläge und der panischen Schreie übertönt. Magier teleportierten sich unter die Schutzkuppel. Sie töteten die Wachen an den Energietoren und bereiteten den Weg für die Elementarmagier vor. Diese schleuderten dann ungehindert Feuerbälle auf ihre Opfer oder gefroren sie noch an Ort und Stelle.

      Sam sah sich solche Dinge ungern an. Der Anblick der Außerirdischen weckte in ihm immer ein ungutes Gefühl. Sie mochten sich mit einigen Menschen verbündet haben, doch die Techniker waren der Meinung, dass die Magier sie nur aufhalten wollten. Vielleicht fürchteten die Magier sich davor, dass die Techniker ihnen eines Tages gefährlich sein könnten. Das ganze Gerede um das Gleichgewicht im All schien bislang nichts Handfestes zu sein. War ein Stern zerstört, entstand irgendwo ein neuer.

      Die Natur kannte keinen Tod. Sam war davon fest überzeugt, seit er es in einem Buch gelesen hatte. Alles, was verging, brachte etwas Neues. Die Erde war für ihn eines der besten Beispiele. Sie war ja noch da, sie war nur krank, wie er es nannte. Und sie würde einige Zeit brauchen, um sich davon zu erholen. Dann würde es neues Leben geben, wenn sie nicht sogar schon Geschöpfe hervorbrachte, die unter den jetzigen Bedingungen leben konnten. Hier wusste das schließlich keiner. Seit sie geflohen waren und die letzten Generationen, die die Erde noch als ihr Zuhause gekannt hatten, starben, verblasste der allgemeine Wunsch dorthin zurückzukehren. Es gab bisher niemanden, der dorthin gereist war. Doch Sam hatte sich fest vorgenommen die Erde eines Tages zu besuchen. Er wollte den Ort sehen, der eigentlich seine Heimat gewesen wäre, und den blauen Planeten selbst erkunden.

      Die Kontrolleure gaben Entwarnung und ließen Sam und seinen Vater passieren. Der Weg bis zum Haupteingang lag weit vom Tor entfernt. Alles war übersichtlich gestaltet. Auf diesem Platz gab es nur ebene Erde, denn die Kontrolleure mussten die gesamte Umgebung im Blick haben. Die Schutzzäune zogen sich um das Gelände herum. Die Flüssigkeit, die von den Metallstangen abgesondert wurde, war bei jedem Kontakt mit menschlicher Haut tödlich. Die Umgebung des Forschungszentrums war mit Warnhinweisen versehen. Leuchtend schwebten sie über die umliegenden Wege, um jeden zu alarmieren, der sich dem tödlichen Zaun näherte. Sams Vater hatte ihn schon im Kindesalter darauf geeicht, diesen Absperrungen niemals zu nahe zu kommen, denn diese gab es in vielen Gebieten der Stadt. Die Labore, das Regierungsgebäude und das Militärzentrum wurden damit geschützt. Alle anderen Schutzmaßnahmen, die sich direkt in Cyron befanden, waren nicht ganz so drastisch. Sie konnten jemanden betäuben, sonderten Stromschläge ab oder lähmten den Körper schmerzhaft, doch das war im Gegensatz zum sofortigen Tod eher harmlos. Die silberne Flüssigkeit, die von den Hochsicherheitszäunen ausging, griff den Körper nicht sofort an, sie drang durch die Haut ein. Bei Maschinen fand sie ihren Weg durch kleinste Öffnungen und fraß sich wie Säure durch ihr Inneres. Sam hatte zum Glück niemals jemanden gesehen, der diesem Schrecken ausgesetzt war, doch in den Nachrichten wurden immer mal wieder Tote beklagt, die mit den Absperrungen in Berührung gekommen waren.

      Als das Fahrzeug vor dem Haupteingang hielt, bat Sams Vater darum, die Mäntel dort ablegen zu dürfen. Die Sicherheitskontrollen hielten einen schon lang genug auf und er wollte umgehend in den Testraum. Sam hatte schon seit Wochen keinen Fuß mehr in das Forschungszentrum gesetzt. Die Prozedur durch die fünf Sicherheitszonen war ihm jedoch nur allzu vertraut. Die Tür ließ sich ohne Ausweis und Scan der Pupille seines Vaters erst gar nicht öffnen. Doch als diese endlich lautlos aufglitt, betraten sie einen langen und tristen Korridor.

      Die Stimme der K.I. des Forschungszentrums erklang: „Guten Abend, Professor, die Nachricht aus dem Fabrikgebäude hat Sie wohl erreicht.“

      „Ihnen auch einen guten Abend, Verone. Der Bau der ersten Serien ist endlich abgeschlossen. Ich bin gespannt, ob sie alle Testläufe reibungslos absolvieren werden.“

      Sein Vater ging während des Gesprächs weiter. Verone war überall in dem Gebäude – wie ein unsichtbarer Wächter. Sam eilte hinterher. Diese K.I. kannte ihn und stellte daher keine Fragen. In der Zeit seiner ersten Besuche hatte er sich mehrmals weiteren Sicherheitskontrollen stellen müssen, denn sie war Fremden gegenüber unglaublich misstrauisch.

      „Ich werde die Energiezufuhr zum Testraum freischalten. Werden Sie eine Cyborg-Hilfe benötigen?“

      Am Ende des Ganges legten Sam und sein Vater alle Gegenstände ab und leerten ihre Taschen. Dinge wie Schmuck, Körperfunktionsmesser, Kommunikationsgeräte oder ähnliches wurden direkt in eine quadratische Öffnung in der Wand gelegt. Von einem Eingang war zu dieser Zeit noch nichts zu sehen.

      „Ich