Lisa Hummel

Illuminas' Dämonen


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      Um ihn nicht anzusehen, ließ Walburga ihre Augen durch den Saal schweifen. Einige der Mönche hatten sich wieder in ihre Arbeiten vertieft, doch manche blickten auch zu ihnen herüber und musterten sie neugierig. Manche hatten den Anstand, den Blick abzuwenden, wenn sich ihre Blicke trafen, manche sahen immer wieder von ihrer Tätigkeit auf.

      Als ob das irgendwie diskreter wäre ..., dachte Walburga.

      „Warum schauen die denn alle so?“, fragte Jacque.

      Der junge Mann drehte sich um und sah zu seinen Brüdern, die rasch den Blick abwendeten. Als er sich wieder zu ihnen umwandte, grinste er breit. Seine freundlichen Augen funkelten, wenn er sich amüsierte.

      „Na ja, es kommt nicht so oft vor, dass man hier eine Frau zu Gesicht bekommt. Und wenn dann mal eine schöne da ist ...“

      Er hob eine Schulter. Seine Bewegungen waren geschmeidig.

      Walburga erröte. „Machst du dich gerade über mich lustig?“, fragte sie beherrscht.

      Ihr hatte noch nie jemand gesagt, dass sie schön wäre. Sie fand sich selbst auch nicht hübsch. Sie wusste von ihrer großen Nase, von ihrem groben Gesicht. Sie war alles andere als zierlich, eher drahtig, manchmal hatte sie das Gefühl, unproportional zu sein. An ihr widerspenstiges Haar wollte sie gar nicht erst denken ... Nicht einmal im gepflegten und sauberen Zustand machten ihr die Leute Komplimente – zumindest nicht über ihr Erscheinungsbild – und schon gar nicht jemand, der so aussah, als hätten ihn die Götter selbst gemalt.

      Der junge Mann sah sie verdattert an. „Nein! Wie kommst du darauf, dass ich mich über dich lustig machen will?“

      Sie betrachtete ihn misstrauisch, wusste aber nicht so recht, wie sie ihn einschätzen sollte. Sie beschloss, auf eine Antwort zu verzichten. Sie wusste nicht so recht, was sie sagen sollte.

      „Ich habe das ehrlich gemeint“, beteuerte der Mönch.

      Er wirkte beinahe verletzt, da Walburga an seinen Worten zweifelte und ihm seine aufrichtige Absicht absprach.

      Walburga ging auch darauf nicht weiter ein. Jacque sah zwischen ihr und dem Mönch hin und her. Das war ihr unangenehm. Eigentlich war ihr egal, was Jacque dachte, aber irgendwie auch doch nicht.

      Die ganze Situation war zu anstrengend für sie. Vor allem nach so langer Reise, auf der sie einzig Kontakt zu ihrem Bruder, Morten und Jacque gehabt hatte. Sie war nicht gut im Umgang mit Menschen und sie war nicht gut darin zu flirten oder Komplimente anzunehmen oder was auch immer dieser Typ eigentlich bezwecken wollte. Am liebsten würde sie sich einfach nur waschen und dann schlafen.

      „Wie heißt du eigentlich?“, fragte Burkhart den Mönch und löste so unbewusst die angespannte Situation.

      „Ich heiße August“, sagte er. „Freunde nennen mich auch Gustl.“

      „Ich bin Burkhart, das ist meine Schwester Walburga und das ist Jacque.“

      „Nett, euch kennen zu lernen.“ August lächelte warm.

      Burkhart erwiderte sein Lächeln. Jacque und Walburga nickten lediglich kurz. August blies die Backen auf und entließ die Luft schnaubend. Normalerweise mochten ihn die Leute, ohne dass er viel dafür tun musste. Dass Jacque und Walburga ihm so kühl begegneten, brachte ihn etwas aus dem Konzept. Er verbarg es gut, aber ihm war anzusehen, dass er sich in ihrer Gesellschaft nicht unbedingt wohlfühlte. Walburga war nur schleierhaft, wieso er sich dann überhaupt bemühte. Er könnte jederzeit einfach aufstehen und gehen.

      „Wer ist eigentlich dieser Typ dort hinten in der Ecke?“, wandte sich Jacque an August.

      August wandte sich nach dem Mann um, den Jacque gemeint hatte. Abseits von den anderen saß, leicht im Schatten, in einem schön verzierten Holzstuhl ein älterer Mann und sah unverwandt zu ihnen herüber. Seine Robe war rötlicher als die seiner Brüder. Er war hager und hatte spitze Züge. Seine Augen erinnerten an die eines Raubvogels.

      „Das ist Rathven.“, antwortete August. „Er ist einer der Brüder, die sich am längsten in diesem Kloster befinden. Er redet nicht viel über seine Vergangenheit, aber er ist immer hilfsbereit. Sobald sich jemand an ihn wendet und um Hilfe bittet, zögert er keine Sekunde lang. Er beschäftigt sich gerne mit verschiedenen Dingen, er ist wirklich sehr schlau. Und fleißig. Er studiert eigentlich immer in unserer Bibliothek, wenn sich ihm die Möglichkeit bietet. Abends setzt er sich gerne an den Kamin, in diesem Stuhl und trinkt Wein. Manchmal liest er dabei, manchmal lässt er einfach nur seine Gedanken schweifen und sieht anderen Menschen bei ihrem Tun zu.“

      „Warum starrt er die ganze Zeit hier herüber?“, wollte Jacque wissen.

      August zuckte mit den Achseln. „Ich schätze mal, ihr seid einfach gerade das Spannendste, was es hier zu finden gibt. Ihr könnt bestimmt einige Neuigkeiten aus Manrhay oder von unterwegs berichten und ich bin mir sicher, es juckt ihn, euch darüber auszufragen. Er wird wahrscheinlich warten, bis ihr euch erholt habt, ehe er euch mit Fragen überschüttet. Er hat sehr gute Umgangsformen und ist überaus höflich.“

      Ein Mann im mittleren Alter trat an ihren Tisch und unterbrach die Sichtlinie zwischen Jacque und den anderen und Rathven.

      „August, sei doch nicht so unhöflich. Unsere Gäste sind von ihrer langen Reise vermutlich sehr erschöpft. Löchere sie später und zeige ihnen ein paar Zimmer, in denen sie sich frisch machen können, schlafen, wenn sie möchten. Entschuldigt, würdet ihr gerne etwas zu euch nehmen? Wir hätten Käse und Brot anzubieten.“

      „Ich könnte tatsächlich etwas vertragen ...“, sagte Burkhart leise.

      Er wollte nicht unhöflich erscheinen.

      Der andere Mönch nickte. „Kümmerst du dich darum?“, wandte er sich an August.

      „Jup. Wenn ihr mir bitte folgen würdet.“ Er lächelte sie an und erhob sich.

      „Danke“, sagte der Mann und ging aus dem Saal.

      „Ihr seid zu freundlich“, sagte Burkhart. „Können wir das wirklich annehmen? Immerhin kümmert ihr euch schon um unseren Gefährten ...“

      „Ist es nicht wichtig, Menschen in Not immer zu helfen? Ihnen Speis, Trank, Unterkunft und Medizin anzubieten, wenn sie sie benötigen?“

      „Ich denke schon, ja“, entgegnete Burkhart. „Danke.“

      „Nichts zu danken, kommt.“

      „Er starrt immer noch“, sagte Jacque zu Walburga.

      Er sah mit Absicht nicht zu diesem Rathven, aber sie wusste, dass er ihn meinte. Walburga erlaubte sich einen kurzen Blick aus den Augenwinkeln.

      „Vielleicht ist es so wie August gemeint hat und er ist tatsächlich einfach nur neugierig?“

      „Schon möglich ...“

      „Immerhin hat August nur Positives über ihn erzählt, oder?“

      Jacque zuckte mit den Schultern. „Wir werden sehen...“

      Burkhart und August waren in eine Plauderei verfallen, die sei den gesamten Weg über fortführten. Walburga und Jacque folgten ihnen schweigend. Die Reise hatte zu viel Energie von ihnen gefordert. Für heute zumindest brauchten sie ein Bett mehr als menschliche Gesellschaft.

      Burkhart hingegen regenerierte am besten, wenn er von netten Menschen umgeben war, bei denen er sich sicher fühlte. Zu denen er einen Draht hatte, eine Verbindung herstellen konnte. Manchmal wusste Walburga selber nicht, wie sie beide so unterschiedlich hatten geraten können.

      „Ich schätze, ihr könnt in diesen Zimmern schlafen.“

      Jacque lächelte spöttisch. „Du schätzt? Müssen wir heute Nacht damit rechnen, geweckt und rausgeschmissen zu werden?“

      „Nein. So habe ich das nicht gemeint ... Ich meinte, dass ich glaube, dass das die Zimmer sind, die Franz für euch hergerichtet hat.“ August trat in eines der Zimmer und sah sich darin um. Frische Kleidung und Handtücher lagen