Lisa Hummel

Illuminas' Dämonen


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antwortete Walburga. „Es ist hier draußen irgendwie ... unheimlich.“

      Burkhart nickte zustimmend.

      „Hmm.“ Morten lehnte sich zurück und stützte sich dabei auf seine Handflächen. Sie konnte nicht sagen, ob das Flackern in seinen Augen vom Lagerfeuer herrührte, das sie entzündet hatten, oder ob er fieberte. Wie weit das Gift wohl schon vorangeschritten war? Ob der Heiltrunk wohl etwas ausrichtete? „Du hast recht, es ist hier schon gefährlich ...“, fuhr er fort. „Deswegen solltet ihr euch für Notfälle vorbereiten.“

      Walburga und Burkhart sahen ihn irritiert an.

      „Na los, erhebt euch. Ab heute müsst ihr jeden Abend, nachdem wir ein Lager aufgeschlagen haben, trainieren.“

      „Das meinst du nicht ernst“, sagte Burkhart.

      „Doch“, erwiderte Morten. „Los. Holt euch ein paar Stöcke, mit denen ihr üben wollt, und dann vollführt ein paar Übungen. Ich selbst bin zwar nicht in der Verfassung für körperliches Training, aber ich kann euch dennoch sagen, was ihr falsch macht und was ihr verbessern müsst.“

      „Aber ich habe doch noch nie mit einem Stock oder einer Waffe gekämpft ...“, warf Burkhart ein.

      „Na, dann wird es höchste Zeit, damit anzufangen“, erwiderte Morten.

      Burkhart sah ratlos zu Walburga, die nur mit den Achseln zuckte.

      „Aber -“, hob Burkhart an.

      „Nichts aber. Keine Zeit für faule Ausreden ... Wenn ihr nicht bald anfangt, gibt es heute kein Abendessen für euch ...“, drohte Morten grinsend.

      Walburga stand auf. „Komm, Burkhart. Holen wir uns die Stöcke. Je eher wir anfangen, desto eher können wir auch wieder aufhören.“

      Burkhart sah alles andere als glücklich aus, doch folgsam erhob er sich und ging mit Walburga ein paar Schritte.

      „Denkst du wirklich, das macht Sinn?“, fragte er. „Du brauchst Training, aber ich bin viel zu schlecht, um dir ein ebenbürtiger Gegner zu sein...“

      „Na ja, Morten hat schon recht, irgendwie. Du solltest in der Lage sein, dich selbst zu verteidigen. Niemand erwartet von dir, dass du ein tollkühner und starker Kämpfer wirst, aber vielleicht fühlst du dich sicherer, wenn du weißt, wie du dich verteidigen kannst.“ Sie lächelte zaghaft. „Ich werde mich auf jeden Fall sicherer fühlen, wenn ich weiß, dass du es kannst.“

      Burkhart nickte.

      Walburgas kleine Härchen im Nacken stellten sich auf, als sie sich vom Lager entfernten. Es war ihr unangenehm und sie hatte das Gefühl, dass im Wald alles lauern könnte. Auch Burkhart wirkte verängstigt. Hektisch sah er sich um und er schritt nur zaghaft hinter ihr her.

      „Ich glaube, die hier sind okay.“

      Sie blieb an einem jungen Baum stehen. Burkhart folgte ihrer Gestemit den Augen und betrachtete die geraden Äste, die etwa eineinhalb Armlängen maßen. Walburga begann damit, gegen die Äste zu treten, um sie vom Baum zu brechen. Es dauerte eine Weile, da der Baum gesund und kräftig war.

      Für ihren Geschmack veranstaltete sie viel zu viel Lärm dabei. Burkhart hatte die Arme um sich geschlungen und sah sich angstvoll um. Er rechnete damit, dass sich jeden Moment die Gestalt eines Dämons aus der Dunkelheit schälen konnte. Der Feuerschein ihres Lagers schien nur noch schwach bis hierhin.

      Schließlich gab auch der zweite Ast mit einem geräuschvollen Krachen nach. Walburga atmete ein paar Male tief durch und bückte sich nach den Ästen. Sie begutachtete sie und war zufrieden mit ihrer Wahl.

      „Lass uns gehen...“, wisperte Burkhart. „Es behagt mir hier nicht.“

      „Uns wird schon nichts passieren“, entgegnete Walburga. Unwillkürlich flüsterte auch sie.

      „Aber hier kann jederzeit ein Dämon auftauchen“, raunte Burkhart.

      Walburga legte ihre Finger auf die Lippen, um ihrem Bruder zu signalisieren, dass er still sein solle. Sie hörte es rascheln. Überall um sie herum strich der Wind über Blätter und Zweige, doch die Geräusche veränderten sich. Es klang, als würde dort jemand herumstreifen. Und näher kommen.

      Walburga machte einen kleinen Schritt und stellte sich halb vor Burkhart. Sie drückte ihm einen Stock in die Hand und ließ ihren Blick umherstreifen, immer bereit, auf das Unerwartete zu reagieren. Burkhart hinter ihr wurde immer unruhiger. Sie konnte sein lautes, angstvolles Schnaufen hören. Hoffentlich würde er die Nerven behalten...

      Das Rascheln wurde lauter. Sie ging leicht in die Knie, nahm eine Kampfhaltung ein. Sie hörte die Schritte jetzt lauter, sie waren sehr nahe.

      Eine hochgewachsene, breite Gestalt trat aus den Schatten der Nacht. Burkhart keuchte hinter Walburga erschrocken auf. Sie hob den Stock und wollte den ersten Schlag landen, doch der Gegner fing den Hieb ab und hielt ihre provisorische Waffe so fest, dass sie sie nicht mehr bewegen konnte.

      „Was soll das denn?“, fragte Jacque. „Was macht ihr hier draußen?“

      Burkhart blies die Luft aus, die er angehalten hatte.

      „Tut mir leid...“, murmelte Walburga. Jacque ließ den Stock los und sie ließ ihn sinken. „Morten hat uns losgeschickt, um Stöcke zu holen. Er meint, wir sollen jeden Abend trainieren“, fuhr sie fort.

      Jacque brummte etwas, doch sie konnte nicht sagen, ob es zustimmend, missbilligend oder gleichgültig war.

      „Ihr solltet nicht so einen Lärm machen“, mahnte er. „Hier draußen laufen Viecher rum, denen ihr lieber nicht begegnen wollt.“

      „Hast du etwas zu Essen gefunden?“, fragte Burkhart.

      Sein großer Hunger und Jacques Anwesenheit ließen seine Angst wie von Zauberhand verschwinden.

      Jacque murmelte etwas, das sie nicht verstehen konnten, und schickte sich an, in Richtung Lichtschein des Feuers weiterzugehen. Über seiner Schulter baumelten zwei dürre Kaninchen. Die Geschwister tauschten einen Blick. Entweder er war so schlecht gelaunt, weil er nur diese dünnen Tiere erwischt hat oder wegen etwas anderem. Walburga und Burkhart wollten den Grund lieber nicht herausfinden. Sie folgten ihm zurück zu Morten.

      15.

      Es vergingen noch drei Tage, in denen sie sich durch den Wald kämpften. Sie waren mit jedem Kilometer, den sie zurückgelegt hatten, schweigsamer geworden. Seit zwei Tagen regnete es, mal mehr, mal minder. Morten wirkte kränker und kränker, Burkhart wurde ängstlicher, Jacque verärgerter. Manchmal wunderte sich Walburga darüber, dass sich Morten überhaupt noch auf den Beinen halten konnte. Er hatte einen übermenschlichen Willen, sein Leiden vor ihnen zu verbergen. Anfangs schaffte er das noch ganz gut, aber ab einem gewissen Zeitpunkt sah sogar ein Blinder, dass es mit ihm bergab zu gehen schien...

      Walburga und ihr Bruder hatten sich langsam an ihr abendliches Training gewöhnt. Auch wenn es ihnen noch immer unbehaglich war, sich zwischen all den Bäumen des Furcht einflößenden Waldes nur auf den jeweils anderen zu konzentrieren, machten sie Fortschritte. Morten beobachtete jeden Schritt, jede Bewegung genau, gab ihnen Anweisungen und Ratschläge.

      Für gewöhnlich ließ sich Burkhart nach dem Training auf den Waldboden sinken – egal wie nass oder matschig er war – und döste vor sich hin. Manchmal schlief er sogar richtig fest ein und nur die Aussicht auf eine Mahlzeit, deren Zutaten Jacque anschaffte, konnte ihn aufwecken.

      Burkhart hatte keine Ahnung, dass die anderen drei in der Nacht jeweils für ein paar Stunden Nachtwache hielten. Walburga war es lieber so. Er sollte sich so viel erholen, wie es ging. Eigentlich hatten Jacque und sie auch versucht, Morten zu überreden, auf seine Schicht zu verzichten und die Nacht lieber für seine Genesung zu nutzen, doch er blieb hartnäckig und bestand auf seinem Wachdienst. Irgendwann hatte Jacque frustriert seine Überredungsversuche eingestellt.

      Morten und Walburga hatten es sich angewöhnt, sich in der