Lisa Hummel

Illuminas' Dämonen


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in Kontakt gekommen? Habt ihr da nie gemerkt, dass die meisten von ihnen verrückt oder kauzig oder sonst in irgendeiner Weise merkwürdig sind?“

      „Doch, schon...“

      „Manche von ihnen haben nur einen leichten Knacks weg, manche sind hochgradig wahnsinnig. Einige sind blutrünstig und hochgefährlich, die schlagen eher zu, als dass sie dir auch nur die Chance geben, ein einziges Wort zu sagen. Andere haben zwar nicht mehr alle Tassen im Schrank, sind aber im Großen und Ganzen relativ normal. Die meisten verstecken es ziemlich gut, aber bei vielen merkt man doch auch, dass etwas mit denen nicht stimmt...“

      „Und wie genau ist Morten?“, fragte Burkhart.

      Jacque schwieg.

      Der Kampf wurde härter, verbissener.

      „Wenn Morten nicht bald die Oberhand gewinnt, wird er noch verlieren...“, murmelte Walburga.

      Jacque knurrte. Noch konnte Morten jeden von Nostras Schlägen parieren, aber Walburga hatte recht. Seine Bewegungen wurden langsamer, seine Hiebe schwächer, seine Paraden unentschlossener.

      Jacque wurde unruhig. Was trieb Morten da nur?

      Ein langer Schlagabtausch ging zu Ende und Morten sprang außer Reichweite, um zu Atem zu kommen und Kraft zu tanken. Nostra quittierte Mortens kurzzeitigen Rückzug mit einem missbilligenden Knurren, ließ ihm aber die kleine Pause. Er war ein Raubtier, das sich erst einige Zeit lang mit seiner Beute beschäftigen wollte, ehe es sie auffraß.

      „Du enttäuschst mich. Ich hatte dich stärker in Erinnerung. Wilder ... Hast du tatsächlich nachgelassen oder ist das eine Finte deinerseits?“

      Morten beobachtete ihn, antwortete aber nicht.

      „Ist auch egal. Heute Nacht und hier wirst du zu Ende gehen.“

      Nostra stürmte auf Morten zu, sein Schwert schwang er wie einen tödlichen Tornado, der alles zerhäckseln würde, was ihm in die Quere kam. Morten machte sich bereit, um den tödlichen Angriff abzuwehren. In diesem Moment war sich Jacque nicht sicher, ob er es schaffen oder ob Morten heute Nacht fallen würde. Niedergestreckt von Nostra.

      Ein langgezogenes Jaulen erklang, das geisterhaft zwischen den Baumstämmen widerhallte. Es war nicht zu sagen, woher es kam, doch es reichte aus, um Nostra in seinem Ansturm innehalten zu lassen.

      „Was war das?“, wisperte Burkhart.

      Alle lauschten in die Dunkelheit, in die verborgenen Ecken, die der Wald bereit hielt.

      Irgendwo zu ihrer Rechten brach etwas durchs Unterholz. In der Stille der Nacht klang das Geräusch gellend laut. Es bestand kein Zweifel: Etwas Großes bahnte sich seinen Weg auf sie zu.

      „Wir haben irgendetwas aufgeschreckt“, Jacques Augen huschten rasch suchend umher.

      Seine Stimme klang alarmiert und beunruhigte auch Burkhart.

      „Was?“, fragte Burkhart spitz. „Was ist das?“

      „Ich weiß es nicht“, antwortete Jacque. „Aber es kommt hierher. Seid vorsichtig und haltet die Augen offen. Macht euch bereit, euch zu verteidigen oder auszuweichen, wenn es auf euch zustürmen sollte.“

      Burkhart starrte ihn entsetzt an.

      Plötzlich wurde es still. Burkhart konnte seinen Atem hören, wie er durch seinen Körper strömte. Überall zwischen den Bäumen hingen tiefe Schatten. Wie sollte er dort nur jemals etwas erkennen?

      Nebel rollte über den Boden auf sie zu. Ein helles, unmenschliches Kreischen erklang. Burkhart konnte nicht sagen, was das war, aber er hatte das Bild eines Raubtieres vor Augen, das soeben seine Beute entdeckt hatte.

      Der Nebel breitete sich weiter aus, waberte auf sie zu, von einer unsichtbaren Quelle angetrieben, die sich ebenfalls in ihre Richtung bewegte. Mondlicht fiel darauf und wurde davon reflektiert, sodass die Lichtung mehr beleuchtet wurde.

      Bleiche Finger legten sich um einen Stamm, als eine riesige, verkrüppelte Gestalt in einen schwarzen Umhang gehüllt aus der Schwärze des Waldes trat. Es schälte sich immer weiter hervor, als müsse es sich aus der zähen Dunkelheit hervor kämpfen. Die Bewegungen schienen dabei abgehackt und unwillkürlich.

      Es hob den Kopf. Kleine, dunkle Augen, die wie schwarze Perlen aussahen, lugten über einem großen Schnabel hervor.

      Burkhart hatte noch nie in seinem Leben etwas so Abscheuliches gesehen. Sein Herz blieb bei dem Anblick für einen Moment stehen und er war sich sicher, dass er jeden Augenblick in Ohnmacht fallen würde.

      Als er dachte, dass es nicht mehr schlimmer kommen konnte, legte das Biest all seine Ungelenkigkeit ab und schoss blitzschnell auf Nostra und Morten zu.

      9.

      Burkhart musste sich übergeben.

      Die riesige Vogel-Todes-Gestalt schoss auf Morten und Nostra zu und bewegte sich dabei in einer Art und Weise, die Burkhart kaum beschreiben konnte. Die beiden Jäger waren überrumpelt und konnten sich gerade noch retten.

      „Was ist das denn?“, entfuhr es Walburga.

      „Ein Dämon“, antwortete Jacque knapp.

      Sie verdrehte die Augen. „Das ist mir schon klar, aber so einen hab ich noch nie gesehen...“

      „Tja, willkommen in der Jägerriege, meine Liebe. Das ist erst der Anfang. Dort draußen hausen noch weit mehr ... abscheuliche Kreaturen.“

      „Meinst du, sie schaffen es?“

      „Besser wär's, sonst sind wir als nächstes dran...“

      Der Dämon sprang den beiden Jägern immer weiter hinterher und schlug dabei mit seinem scharfen Schnabel nach ihnen. Nur ein Treffer und sie würden eine üble Verletzung davontragen. Vielleicht sogar Körperteile verlieren oder noch Schlimmeres...

      Walburga hatte noch nie gesehen, dass sich etwas so seltsam bewegen konnte, wie es der Dämon tat. Dabei konnte sie nicht genau sagen, woran genau das lag. Er schien über den Boden zu laufen oder auch zu gleiten, als befänden sich unter seinem Umhang dutzende kleine Insektenbeinchen, die über den Boden tippelten.

      Morten und Nostra versuchten abwechselnd Treffer zu landen, aber die Bestie war zu schnell. Jedem Schlag konnte sie ausweichen und schleuderte dann einen Angriff ihrerseits hinterher, dem die Jäger manchmal nur knapp entgingen. Ein ums andere Mal stockten Walburga, Burkhart und Jacque der Atem, als sie dachten, jetzt hätte es Morten oder Nostra erwischt.

      Morten steckte alle Kraft in einen geschickten Angriff, doch der Dämon konnte ausweichen und so streifte er ihn lediglich. Der Dämon hieb einen Konter gegen Morten, dem er gerade noch entgehen konnte. Morten fühlte, wie der gefährliche Schnabel nahe an seinem Gesicht vorbei zischte und ihm einen brennenden Striemen schlug.

      Feiner Nebel strömte unter dem Umhang der Bestie hervor und benetzte Bäume, Grashalme und Erde. Morten hob seinen Arm instinktiv vors Gesicht. Kleine Tropfen blieben an seinem Ärmel hängen und rannen in kleinen Perlen daran herab. Die Luft roch bitter.

      „Gift?“, murmelte Morten besorgt.

      Er hoffte nur, dass das Gift nicht allzu stark war und nicht schnell wirkte...

      Nostra nutzte die Gelegenheit, da der Dämon mit Morten beschäftigt war, sprang hoch und stürzte sich auf das Biest, um es von oben mit einem harten Schlag zu treffen. Der Dämon breitete seine Arme – oder Flügel oder Beine oder was auch immer sich unter seinem fetzigen, ledrigen Umhang noch verbarg – aus und parierte Nostras Angriff, sodass der im Bogen weggeschleudert wurde und sich gerade noch mit den Beinen an einem Stamm abdrücken konnte, um einen harten Aufprall zu vermeiden.

      Morten folgte Nostras unfreiwilligem Flug mit den Augen, während er sich in der Hocke befand und zu Atem kam. Danach wanderte sein Blick zurück zu der Bestie, die brüllend den Kopf hob und zitternd ihren Körper schüttelte, als wäre sie ein Hund, der soeben aus dem Wasser stieg