Lisa Hummel

Illuminas' Dämonen


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die Aussicht auf etwas Warmes zu essen heiterte ihn auf.

      6.

      Die Stimmung am Tisch war trotz der aufgetischten Mahlzeiten nicht gut. Keiner von ihnen hatte Lust, mit dem anderen zu sprechen. Schließlich brach Burkhart das Schweigen

      „Die starren uns komisch an...“, flüsterte er.

      „Gewöhn' dich lieber dran. Das ist das tägliche Geschäft des Jägers. Deine reizende Schwester wird schon noch bald ihre eigenen Erfahrungen machen“, entgegnete Jacque.

      Walburga verzog das Gesicht. „Das ist mir egal, was andere Leute von mir denken.“

      Jacque hob eine Braue. „Ach ja?“

      „Ja.“

      „Na dann.“

      „Liegt es daran, dass sie vor Jägern Angst haben?“, wollte Burkhart wissen.

      „Auch“, antwortete Jacque. „Es kommt aber auch noch Neid dazu.“

      „Neid?“

      „Schau doch nur mal was für Köstlichkeiten hier auf unserem Tisch stehen und davon nicht zu knapp. Wenn es eines gibt, woran es Jägern nicht mangelt – okay, woran es guten Jägern nicht mangelt – dann ist das Geld. Das Töten der meisten Dämonen, zumindest das der gefährlichen, wird hoch honoriert und du verdienst mehr Geld als du ausgeben kannst. Viele Stadtbewohner hungern. Es ist schwer, sich um ein ordentliches Geschäft zu kümmern, wenn du jeden Tag damit rechnen musst, in einer nebligen Ecke getötet zu werden. Und weil Jäger immer Geld haben, denken die Leute noch mehr, dass sie in fadenscheinige Geschäfte verwickelt sind. Einerseits sind sie auf sie angewiesen, weil sie die einzigen sind, die sich um die Dämonen kümmern, anderseits verachten sie sie, weil sie alles haben, was ihnen fehlt: genügend Geld für diverse Güter, Freiheit, sich auf den Straßen möglichst ungefährdet zu bewegen...“

      „Aber für Jäger besteht doch eine ebenso hohe Wahrscheinlichkeit, den nächsten Tag nicht zu erleben wie für gewöhnliche Menschen auch!“, wandte Burkhart ein.

      „Du weißt das, ich weiß das, aber sag das mal denen.“

      „... Ich wünschte, du würdest nicht Jägerin werden...“, murmelte er bedrückt.

      „Du weißt, dass es nicht anders geht“, antwortete Waldburga.

      „Warum geht es nicht anders?“, fragte Jacque. „Warum wirst du Jägerin?“

      „Ich muss Burkhart beschützen“, antwortete sie leise.

      „Ach ja? Weil er angeblich der Lichtbringer ist?“, entgegnete Jacque.

      „Nicht nur deswegen.“

      „Weil er schwach ist.“

      „Hey! Ich bin nicht schwach!“

      „Darf ich dich an deinen schrillen Schrei erinnern, als ihr vor uns auf die Treppe gepurzelt seid?“, grinste Jacque.

      Burkhart lief rot an und stocherte in seinem Essen.

      „Lass ihn. Er ist eben nicht so ein Haudrauf wie ihr es seid...“

      „Wir sind doch keine Haudraufs.“

      „Okay, vielleicht keine Haudraufs, aber ihr seid halt ... Jäger.“

      „Du meinst, dass Jäger harte Hunde sind“, stellte Jacque fest.

      „Na ja, du musst doch zugeben, dass man als Jäger eine gewisse Härte besitzen muss. Die schlechten sterben früh, die guten leben lange.“

      „Nee, so würde ich das nicht sagen. Da kommen noch viel mehr Faktoren hinzu. Was glaubst du, wie oft wir schon fast ins Gras gebissen hätten.“

      Walburga warf einen prüfenden Blick zu Morten, der knapp nickte, während er an seinem Bier nippte. Die Antwort schien ihr nicht zu gefallen, denn sie zog die Stirn in Falten.

      Morten lehnte sich zurück. „Besser, du gewöhnst dich dran oder du suchst dir schleunigst einen neuen Job.“

      Walburga kaute auf ihrer Unterlippe. Morten beobachtete sie. Ihr innerer Kampf war ihr deutlich anzusehen. Er fragte sich, was wohl wirklich hinter ihrem Berufswunsch steckte – insofern es denn tatsächlich ihr Wille allein war, Jägerin zu werden. War der Schutz ihres Bruders ihr einziges Motiv?

      Morten leerte seinen Krug. „Esst auf.“

      Die anderen sahen ihn verwirrt an.

      „Was hast du vor?“, fragte Jacque.

      „Wir sollten uns mal ansehen, was Walburga wirklich drauf hat.“

      „Was?“ Sie sah ihn misstrauisch an.

      „Na, du meintest doch, dass du dich zu verteidigen weißt. Nun bin ich neugierig, ob du das auch tatsächlich tust.“

      „Aha“, antwortete Walburga zögerlich. „Wie willst du das denn heraus finden?“

      „Das wirst du schon sehen. Esst auf.“

      7.

      „Jetzt bin ich aber mal gespannt...“

      Jacque verschränkte die Arme vor der Brust.

      Nachdem sie alle aufgegessen hatten, hatten sie Manrhay verlassen und waren in den Wald gegangen.

      „Ist es hier überhaupt sicher für uns?“, fragte Burkhart.

      Zwischen den hohen Baumstämmen wirkte er verloren.

      „Auf dieser Welt ist es nirgends sicher für uns“, entgegnete Jacque.

      Er lehnte sich gegen einen breiten Baum und verschränkte die Arme vor der Brust.

      Morten reichte Walburga einen langen, geraden Ast. „Hier. Das nehmen wir als Waffe.“

      In der anderen Hand hielt er einen ähnlichen Stock. Er ging ein paar Schritte und stellte sich ihr gegenüber. „Okay. Los geht's. Zeig, was du drauf hast!“

      Walburga wirkte unschlüssig. Sie wog den Ast in der rechten Hand und trat von einem Bein auf das andere. Morten entging keine ihrer Bewegungen, jedes Muskelzucken beobachte er genau.

      „Oder ist es dir lieber, wenn ich den ersten Schlag mache?“, fragte er.

      „Mensch, jetzt gib mir doch kurz Zeit, um einen klaren Kopf zu fassen!“, entgegnete sie pampig.

      Morten ging drei Schritte in einem kleinen Halbkreis nach rechts, was sie sichtlich nervös machte.

      „Wenn dich ein Dämon angreift, hast du auch keine Zeit, um einen klaren Kopf zu fassen, aber bitte, nimm dir ein paar Sekunden. Ich würde dir aber raten, nicht allzu lange zu warten. Vielleicht bin ich nicht gerade geduldig.“

      Ihr Blick flackerte kurz, aber sie ging auf seine Provokation nicht ein. Sie atmete tief durch und fixierte ihn mit ihren hellblauen Augen. Dann schien der richtige Moment für sie gekommen zu sein. Sie preschte auf ihn zu, mit dem Stock voraus.

      Morten wollte ihren Schlag blocken, doch sie hatte nur angetäuscht und den Ast bereits wieder zurück gezogen, um seine linke Flanke zu attackieren. Er ging einen Schritt vor und brachte sie zu Fall. Von ihrem eigenen Schwung angetrieben, flog sie einen kurzen Moment durch die Luft und fiel eine kleine Böschung hinab, direkt in ein Gebüsch.

      „Walli!“, rief Burkhart.

      Morten rutschte die Senkung hinab und versuchte Walburga zwischen all den Ästen zu erkennen.

      „Walburga? Ist alles okay bei dir?“, fragte er. „Wo bist du?“

      „Alles gut...“

      Walburga kämpfte sich aus den Büschen hoch. Ihr Haar stand wirr in alle Richtungen ab, überall hingen ihr Blätter und