Lisa Hummel

Illuminas' Dämonen


Скачать книгу

sie sonst vielleicht erlitten hätte – auch wenn es wahrscheinlich nur ein paar Kratzer gewesen wären.

      „Die wüste Wali.“, grinste Morten.

      Walburga lief knallrot an. „Nenn mich nicht so“, knirschte sie.

      Morten sah sie überrascht an. Sie schien ein ernsthaftes Wutproblem zu haben...

      „Hast du dich verletzt?“, fragte er.

      Sie entspannte sich und schüttelte den Kopf. „Nein. Nicht wirklich.“

      „Sicher?“

      Sie senkte den Kopf und klaubte Blätter und Äste von ihrer Kleidung. „Ja, ich hab nichts abbekommen.“

      „Gut. Weiter geht's.“

      Morten vollführte den nächsten Angriff. Walburga konnte seine nächsten Schläge alle parieren konnte. Mit jedem abgewehrten Hieb wuchs ihr Selbstbewusstsein. Wenn sie kleine Schwächen in Mortens Abwehr entdeckte, wagte sie einen Schlag ihrerseits. Sie waren zwar noch leicht vorherzusehen und es war leicht für Morten, alle samt abzuwehren, aber eine Entwicklung war doch zu erkennen.

      „Nicht schlecht“, lobte Morten in einer kleinen Pause anerkennend. Er grinste Walburga an, die die Hände auf die Knie gestützt hatte und Luft holte. „Du machst Fortschritte und lernst schnell, Wali.“

      Sie lächelte dankbar und auch etwas stolz. Burkhart klatschte in die Hände und rief: „Super, Walburga, weiter so!“

      „Sieh an, du nimmst jetzt also Privatschüler auf?“, fragte eine Stimme.

      „Wer spricht da?“, fragte Walburga und sah sich suchend um.

      Es war schwer, zwischen all den Bäumen und Sträuchern den Sprecher zu orten.

      Eine Gestalt trat zwischen den Stämmen hervor: Ein junger Mann, vielleicht ein paar Jahre älter als Morten. Er trug einen schweren Umhang aus dunkelbraunem Leder, sein Hut war tief ins Gesicht gezogen. Lange, dunkle Haar fielen ihm bis auf die Schultern. Er war groß und wirkte stark, aber auch herablassend und arrogant. Als er den Kopf hob, glänzte sein rechtes Auge unter der Krempe. Es war genauso dunkel wie seine Haare und seine Kleidung, das linke war geschlossen und vernarbt, vermutlich im Kampf verloren. Seine Nase und sein Gesicht waren lang und spitz, sein Mund zu einem spöttischen Lächeln verzogen.

      „Wer ist das?“, fragte Walburga. „Ist er auch ein Jäger.“

      Morten nickte. „Das ist Nostra Nachtzahn. Er ist sehr gefährlich, besser du gehst zu Jacque und Burkhart.“

      Etwas in Mortens Stimme ließ Walburga schaudern. Ohne ein Wort des Widerspruchs ging sie zu Jacque und ihrem Bruder. Nostras unversehrtes Auge folgte dabei ihren Bewegungen. Ihr lief es eiskalt den Rücken runter. Ihr kam es so vor, als wäre Nostra selbst eine Bestie, ein Dämon. Er hatte irgendetwas an sich, was sie mit Sicherheit noch in ihre Träume verfolgen wird.

      Nostra kicherte. „Wie kommt es, dass du jetzt Privatstunden gibst?“

      Morten zuckte mit den Schultern. „Tja, manchmal passieren eben Dinge, die wir nicht voraussehen können...“

      Nostras Grinsen verbreitete sich. Er sah wie ein gefährliches Tier aus, das sich jeden Moment auf seine Beute stürzte, um es in Fetzen zu reißen.

      Die kleine Lichtung, auf der sie standen, hatte ihre sichere Atmosphäre, in der Morten und Walburga lediglich trainieren wollten, komplett verloren. Geisterhafte Nebelschwaden, die wie umherirrende Seelen auf der Suche nach Lebenden waren, um ihnen ihre Kraft auszusaugen, waberten dünn zwischen den Bäumen. Leise Tierlaute drangen bis auf die Lichtung, von denen man nicht sagen konnte, ob sie weit entfernt oder nahe waren und überall knackte es, als streiften dort draußen noch schrecklichere Gestalten umher, die jeden Moment in Erscheinung treten konnten.

      Walburgas Nackenhaare stellten sich auf. Nostra und Morten standen sich gegenüber und begutachteten sich genau. Jeder Atemzug, jedes Muskelzucken, jeder Wimpernschlag wurde genau beobachtet.

      „Seit unserem letzten Duell ist viel Zeit vergangen“, sagte Nostra.

      „Nicht viel genug. Ich will nicht gegen dich kämpfen, Nostra.“

      „Meinst du, das interessiert mich? Jäger sind ebensolche Plagen auf dieser Welt wie Dämonen es sind. Alle müssen ausgelöscht werden.“

      „Und wenn alle Jäger getötet wurden, wer kümmert sich dann um die Dämonen? Du etwa? Du etwa ganz alleine, Nostra?“

      Nostra lachte laut und donnernd. „Glaubst du nicht daran, Morten? Glaubst du nicht, ich könnte sie alle niederstrecken, bis keiner mehr von euch übrig ist?“

      „Ich glaube weder daran noch bezweifle ich es.“

      Nostra schnaubte. „Du und dein esoterisches Geschwätz. Eigentlich hielt ich dich immer für einen der Besseren. Wenn du nur stärker und härter wärst. Genug mit dem Gerede. Fangen wir an.“

      Nostra stürzte auf Morten zu, der gerade noch seine Zwillingsklingen heben konnte, um den tödlichen Stoß von Nostras Hellebarde abzuwehren. Nostra holte aus und schleuderte Mortens Klingen fort. Sie schossen auf Jacque und die beiden Geschwister zu.

      Einer der verzierten Dolche zischte nur Zentimeter an Burkharts Kopf vorbei und blieb sirrend in einem Baum stecken. Burkhart wurde daraufhin kreidebleich und für einen Moment dachte Walburga schon, er würde in Ohnmacht fallen. Die andere Klinge fischte Jacque aus der Luft, ehe sie ihm das Gesicht spalten konnte. Er fluchte leise vor sich hin, da er sich bei dem Manöver leicht verletzt hatte.

      „Lass den Kinderkram“, sagte Nostra bedrohlich. „Zück dein Schwert.“

      Morten zögerte widerwillig. Wind frischte auf und zog an ihren schweren Mänteln. Ein paar Strahlen blassen Mondlichts bahnten sich ihren Weg durch Schleierwolken und Baumwipfel und brachten die gefährlichen Klingen zum Blitzen. Augen und Zähne reflektierten das Licht. In diesem Moment hätte Walburga nicht sagen können, ob sich hier zwei Jäger gegenüber standen oder zwei Dämonen...

      „Findest du es manchmal merkwürdig, dass die Wolken immer nur den Mond durchlassen, nie aber die Sonne?“ Nostra kicherte. „Nun ja, das heißt, wenn sie eine gute Nacht haben und diese bleiche Fratze freigeben. Ich glaube ja, dass das daran liegt, dass die Wolken das scheinheilige Getue der Sonne nicht ertragen. Sonnenlicht erleuchtet die Welt. Sonnenlicht lässt dunkle Gassen hell und freundlich erscheinen. Sonnenlicht macht die Welt zu etwas, das sie nicht ist.“

      Morten ließ seine Hand unter seinen Umhang, zu seinem Gürtel gleiten und zog ein langes, filigran verziertes Schwert aus der Scheide.

      „Ich dachte, du hast keine Lust mehr auf Kinderkram und jetzt bist du selbst hier der Pathetische von uns beiden.“

      „Hmpf“, grinste Nostra. „Du hättest die Chance nutzen sollen. Hättest du mich nicht wieder auf unsere Schlacht aufmerksam gemacht, hättest du noch ein paar Sekunden länger leben können.“

      Nostras Auge blitzte vor Blutdurst. Er leckte sich über die Lippen.

      „Bringen wir diese Angelegenheit ein für alle Mal hinter uns...“, murmelte er und preschte auf Morten zu, der leicht in die Knie ging und sein Schwert wappnend vor sich hielt.

      Beinahe konnte er die bleichen Finger des Mondes spüren, die sich tastend über die Lichtung bewegten.

      8.

      Morten und Nostra lieferten sich einen Schlagabtausch, der Burkhart und Walburga schlucken ließ.

      Mit irrsinniger Wucht schlug Nostra auf Morten ein. Die Klingen ihrer beiden Schwerter prallten laut knirschend aufeinander, sodass die Funken flogen. Dabei legten die beiden eine Geschwindigkeit an den Tag, die es Walburga schwer machte, den Hieben mit den Augen zu folgen.

      „Das ist Wahnsinn!“, murmelte Burkhart.

      „Nostra ist wahnsinnig.“, stimmte Jacque ihm zu.

      „Wie