Lisa Hummel

Illuminas' Dämonen


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wollt ihr nicht schon eher losgehen?“

      Morten lehnte sich zurück. „Nur zu. Geh nach oben und weck ihn. Ich esse hier so lange fertig.“

      Steve dachte kurz nach, entschied sich dann jedoch dagegen. Jacque war sehr groß und breit. Er wirkte auf andere mürrisch und schlecht gelaunt, weswegen er nicht oft von anderen Menschen wegen irgendwelcher Nichtigkeiten belästigt wurde. Eine Eigenschaft, die Morten zu schätzen wusste. Natürlich war Jacque bei Weitem nicht so fies, wie er aussah, doch das wussten die meisten nicht.

      „Na ja, vielleicht könnte ich auch eine Mahlzeit vertragen, während wir warten.“

      Steve winkte den Wirt herbei und bestellte sich ein Gericht. Morten aß still weiter. Er hoffte, dass Jacque bald aufstehen würde. Es war unbehaglich, alleine mit Steve an einem Tisch zu sitzen und oberflächliche Konversation zu betreiben. Hoffentlich würde Jacque nicht auf dem Absatz kehrt machen und wieder in seinem Zimmer verschwinden, wenn er Steve sah...

      Einige Zeit später brachte der Wirt Steve grauen Haferschleim. Morten hätte sich nichts Faderes als diese unappetitliche Pampe bestellen können.

      „'Nen Guten“, wünschte er Steve dennoch.

      „Danke.“ Steve probierte einen Löffel. „Oh, ich denke, da fehlt eine Prise Salz.“ Er erhob sich und ging zum Wirt an den Tresen.

      Morten lehnte sich zurück und beobachtete ihn dabei, wie Steve versuchte, die Aufmerksamkeit des Wirtes auf sich zu ziehen. Als er sie ergattert hatte, fragte er nach Salz. Der Wirt runzelte die Stirn und Morten fragte sich, ob er wohl in den nächsten Sekunden eine auf die Nase bekäme.

      Das Essen hier war ... in Ordnung. Eine Mahlzeit, von der man satt wurde, doch einen Gaumenschmauß fand man hier vergeblich. An schlechten Tagen war der Wirt beinahe noch mürrischer als Jacque und nach Salz zu fragen, war nicht gerade etwas Kluges, was man hier tun konnte.

      Während Morten noch immer Steve dabei beobachtete, wie er sich womöglich Hausverbot bis an sein Lebensende einhandelte, setzte sich Jacque zu ihm an den Tisch.

      „Morgen...“, brummelte er.

      „Morgen.“

      „Seit wann isst du denn Haferschleim?“

      „Das ist nicht meiner.“

      Jacque hob fragend eine Braue, Morten nickte mit dem Kopf in Richtung Steve.

      „Was will der denn hier?“

      „Keine Ahnung. Er meinte, er wollte hier vorbeischauen, weil er von dem Dämon von letzter Nacht gehört hat. Du weißt ja, dass die Beamten der Kirche ab und zu Kontrollbesuche machen.“

      „Vollkommen überflüssig, wenn du mich fragst.“

      „Er will mitkommen, wenn wir die Belohnung abholen. Ich glaube, er hat Angst, alleine zurückzugehen.“

      „Vielleicht frisst ihn ein Dämon.“

      „Eine menschliche Version des Haferschleims?“

      Jacque lachte. „Nein, aber jetzt mal im Ernst. Wir gehen nicht mit ihm zurück, oder? Ist mir doch egal, ob der gefressen wird.“

      „Zu spät, er hat uns gesehen. Den werden wir so schnell nicht mehr los.“

      „Mist.“

      „Guten Mittag, Jacque. Das ist ja schön, dich zu sehen!“, flötete Steve, als er mit einem Salzstreuer zurück zum Tisch kam. „Wie ich sehe, brauchst du immer noch so lange, um in die Gänge zu kommen.“ Er gluckste.

      Jacque warf ihm einen tödlichen Blick zu, den Steve nicht bemerkte, da er damit beschäftigt war, seinen Haferschleim in Salz zu ertränken. Hinter seinem Rücken zog Morten eine Grimasse, die Jacque wenigstens ein bisschen aufheiterte und ihn daran hinderte, Steve den Kopf abzureißen, weil er ihm schon so kurz nach dem Aufstehen auf die Nerven ging.

      „Was darf's sein?“, blaffte der Wirt in Jacques Richtung.

      Morten war sich nicht sicher, ob der Wirt so entnervt wegen Steve war, oder weil er wegen jedem von ihnen extra an den Tisch kommen musste, um die Bestellung aufzunehmen. Jacque entschied sich für ein sehr fleischhaltiges Gericht. Um die Stimmung ein wenig zu beruhigen, bestellte Morten einen weiteren Becher Kaffe.

      „Wie läuft's denn allgemein so mit der Dämonenjagd?“, fragte Jacque Steve. Obwohl er ihn nicht wirklich mochte, interessierte diese Frage ihn brennend.

      Steve wurde ernst und hielt im Haferschleimlöffeln inne.

      „Na ja, ihr wisst es ja selber. Der Jägerberuf ist kein Zuckerschlecken. Jede Weile sterben mehr als gut ist...“

      „Hmm...“ Morten nippte nachdenklich an seinem Becher.

      „Hast du manche dieser Lappen mal gesehen?“, fragte Jacque. „Die eine Hälfte besteht aus ahnungslosen Tölpeln, die nur mit Glück überleben, die andere Hälfte aus selbstverliebten Psychopathen, die mehr darauf achten, den harten Hund heraushängen zu lassen, als Dämonen auszuschalten.“

      „Du vergisst, dass sich die Leute nicht gerade darum reißen, Jäger zu sein.“, erwiderte Steve. „Jedes Jahr gibt es weniger Schüler an der Akademie. Wer Jäger ist oder es werden will, muss mit dem schlechten Ruf zurechtkommen, der an diesem Beruf haftet. Hinzu kommen noch das hohe Risiko, die enorme Belastung und die schier unendlichen Arbeitszeiten. Nur wenige entscheiden sich aus freien Stücken dafür, diesen Weg einzuschlagen. Viele tun es nur, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt. Manche fliehen gar nach der Ausbildung ganz aus der Stadt, sobald sie merken, was sie sich da wirklich eingebrockt haben. Wenn sie es überhaupt so weit schaffen, viele brechen schon viel eher ab. Und die Dämonen nehmen kein Ende. Jeden Tag hört man von neuen Sichtungen oder Vorfällen. Manche Leute sind sogar der Meinung, dass ihre Zahl wächst und sie uns in naher Zukunft alle vernichten.“

      Alle drei schwiegen für einen Moment. Wenn Jacque auch selbst kein Jäger war, wusste er doch, was der Beruf für Entbehrungen mit sich brachte. Morten war in vielerlei Hinsicht verschwiegen und es gab sogar einige Bereiche seiner Persönlichkeit und seiner Vergangenheit, von denen Jacque nicht das Geringste wusste.

      Das war nicht ungewöhnlich, in seinen fünfunddreißig Lebensjahren war Jacque einigen Jägern begegnet und jeder von ihnen hatte mindestens ein Geheimnis, das er hütete wie seinen Augapfel. Sie wären töricht, wenn sie es nicht täten. Geheimnisse waren häufig auch Schwachpunkte.

      Die Tage – und vor allem die Nächte – die die Jäger durchlebten waren hart und gefährlich. Man konnte sich nie sicher sein, ob man den nächsten Morgen erlebte. Diese permanente Haftung des Todes, der an den Jägern hing wie eine schwarze Wolke, trieb viele in die Einsamkeit. Die meisten waren einsame Wölfe, die durch die Gegend streiften und ihr Leben im Dunklen riskierten, damit die undankbaren Bewohner von Manrhay und im Umland zumindest an manchen Tagen so tun konnten, als wäre alles normal, alles sicher und schön. Außer Morten gab es nur wenige, die in Gesellschaft ihrer Tätigkeit nachgingen.

      „Deswegen werden erfolgreich erlegte Dämonen auch einigermaßen gewinnbringend entlohnt, würde ich sagen“, meinte Steve. „Damit es wenigstens einen Pluspunkt gibt, der die Leute dazu animiert, Jäger zu werden und den Menschen zu helfen.“

      „Die Menschen hassen die Jäger“, warf Jacque ein.

      Er beugte sich über seinen Teller und aß von der Schweinshaxe, die in Bratensoße schwamm.

      „Aber nein, so würde ich es nicht sagen“, erwiderte Steve. „Die Leute fürchten sich vor den Jägern, weil sie die Dämonen niederstrecken, gegen die normale Menschen keine Chance haben. Dass Jäger hin und wieder auch Stadtbewohner ermorden, ist da nicht unbedingt ein Pluspunkt...“

      „Menschen, die von Jägern umgebracht werden, wurden von ihren eigenen Dämonen überwältigt“, sagte Morten.

      Steve runzelte die Stirn, er war nicht überzeugt. „Davon habe ich schon gehört, dass Menschen hin und wieder von Dämonen besessen sind. Aber ich bin mir nicht