Lisa Hummel

Illuminas' Dämonen


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Mann verarztete. Die Fenster des Wirtshaus waren mit hellen Gesichtern der Leute gespickt, die dem Kampf folgten. Im ersten Stock konnte er Manuela und Jacques Blondine erkennen.

      Er widmete sich wieder dem Werbären, der keuchend dastand, unter ihm hatte sich das Blut schon in einer Pfütze gesammelt. Um ganz sicher zu gehen, dass der Bär keine große Gefahr mehr darstellte, sollte Morten zwar eigentlich noch warten, aber er wollte es hinter sich bringen.

      Er rannte auf den Dämon zu, der mit seiner unversehrten Pranke nach ihm schlug, wich dieser aus und durchtrennte ihm die Sehnen am linken Vorderbein. Der Koloss ging unter Heulen in die Knie und Morten rammte ihm die Klinge, die er in der rechten Hand hielt, in den Hals. Mit einem gurgelnden Geräusch brach das Ungetüm vollständig zusammen und Morten gab ihm den Gnadenstoß.

      2.

      Nach einem letzten Seufzen des Dämons war es still. Nur das sanfte Rascheln des Windes in den trockenen Blättern einiger Bäume war zu hören. Auf Mortens Klingen glitzerte das dunkle Blut des Ungetüms, das er soeben niedergestreckt hatte. Er wischte sie am Fell des Bären ab und schob sie zurück in die Scheiden.

      „Respekt. Und das ohne einen Kratzer“, sagte Jacque, als Morten zu ihm trat.

      Morten schwieg und betrachtete den jungen Mann, der einst dem Glauben verfallen war, er könnte tatsächlich etwas gegen den Dämon ausrichten. Jacque hatte ihn als Tor bezeichnet. Morten fand diese Bezeichnung äußerst passend.

      „Was ist nur in dich gefahren?“, fragte Jacque den Jungen. „Hast du im Ernst gedacht, du könntest gegen diesen Dämon bestehen? Ich sag dir jetzt mal was: Du bist ein schwächlicher Volltrottel und wenn du das nächste Mal meinst, du musst dich mit einem waschechten, ausgewachsenen Dämon anlegen, dann helfen wir dir nicht aus der Patsche und das schwöre ich dir bei all den verdorbenen Göttern, die du auch immer anbeten magst.“

      Der Mann biss sich auf die Lippen und senkte den Kopf. Er beließ es dabei, nicht zu antworten, was wohl besser war.

      Zögerlich kamen nun auch andere Dorfbewohner aus dem Wirtshaus. Der Vater des jungen Mannes eilte zu ihm und untersuchte seine Blessuren. Als er feststellte, dass alles in Ordnung zu sein schien, entspannte er sich. Ohne ein weiteres Wort verließen sie den Ort des Geschehens, um nach Hause zu gehen.

      „Undankbares, von Maden zerfressenes Pack“, murmelte Jacque.

      Seine Ärmel waren hochgekrempelt, dichtes schwarzes Haar bedeckte seine massigen Unterarme.

      Ein paar der Gäste, die sich nach draußen getraut hatten, scharrten sich um den Dämon.

      „Ganz schön groß...“, murmelte einer.

      „Schau dir diese Zähne an...“, raunte eine Frau.

      „Lasst ihn uns irgendwo aufstellen, dann dient er als Abschreckung“, schlug ein alter Mann vor.

      Jacque schnaubte abfällig.

      „Wir sollten das morgen machen. Heute Nacht ist es nicht sicher“, sagte eine Frau.

      Die Städter murmelten zustimmende Sätze. Sie ließen den Kadaver liegen und trollten sich. Die meisten von ihnen sahen weder zu Jacque noch zu Morten während sie gingen und auch die beiden Mädchen, die eher am Abend noch ihre Gesellschaft genossen hatten, machten sich auf, ohne ein letztes Wort.

      Morten war dies nur recht, aber er wusste, dass Jacque darüber nicht so glücklich war. Die Blondine war genau sein Typ gewesen.

      „Tut mir leid, dass ich dir den Abend versaut habe“, sagte Morten.

      Jacque sah ihn an. Das mürrische Gesicht schreckte viele Leute ab, Morten wusste seinen Charakter und sein Können zu schätzen. Nicht nur als Unterstützung, die einige Vorteile mit sich brachte, sondern auch als Freund. Jäger hatten normalerweise keine Freunde.

      „Es war ja nicht deine Schuld, sondern die dieser ... Kreatur da. Außerdem gibt es Wichtigeres im Leben.“

      „Dämonen töten?“

      Jacques Blick fiel auf den toten Werbären. „Muss ja.“

      Für einen Moment betrachteten sie das niedergestreckte Biest, ohne etwas zu sagen.

      „Wollt ihr heute Nacht noch hier übernachten?“, rief der Wirt ihnen von der Tür aus zu. „Entscheidet euch, ich verbarrikadier' jetzt die Tür.“

      Jacque und Morten sahen noch einmal zu dem Dämon, dann wandten sie sich um und gingen auf ihre Zimmer, um in wohlverdienten Schlaf zu sinken.

      Als Morten am nächsten Vormittag – es war beinahe schon Mittag – in die Stube des Wirtshauses kam, um zu frühstücken, war Jacque noch nicht da. Obwohl Morten auch kein Frühaufsteher war, übertraf Jacque ihn noch. Morten störte sich nicht daran, er hatte nichts dagegen, Zeit alleine zu verbringen.

      Er setzte sich an einen Tisch am Fenster, damit er die Straße im Auge hatte. Ein paar Städter hatten sich zusammengefunden, um den Kadaver des Dämons an den dicken Stamm des Baumes zu nageln, der neben dem Wirtshaus wuchs.

      Der Wirt trat an seinen Tisch und brummte: „Kaffee?“

      In der Hand hielt er eine verbeulte Blechkanne, aus deren Öffnung Dampf stieg. Sein Hemd und die Schürze, die er um die Hüften gebunden hatte, waren fleckig.

      „Ja, bitte.“

      „Frühstück?“

      Morten nickte, der Wirt schenkte ihm ein und verdrückte sich dann in einen anderen Raum. Morten nippte an seinem Becher, doch der Kaffee war noch sehr heiß und so widmete er sich wieder dem Geschehen draußen, während er das Getränk abkühlen ließ.

      Ein Mann etwa um die dreißig setzte sich zu ihm an den Tisch. Er war hoch gewachsen und ziemlich dünn. Er hatte kurzes hellbraunes Haar, war glatt rasiert und trug eine Brille.

      Steve Merchante. Er war ein komischer Kauz. Beim Sprechen riss er für gewöhnlich die Augen weit auf und viele Leute, die sich mit ihm unterhielten, fühlten sich in seiner Gegenwart unwohl. Er hatte etwas an sich, das die meisten Menschen daran erinnerte, dass sie eine Leiche im Keller hatten. Oder zwei.

      Morten lehnte sich zurück und betrachtete Steve, der ihn angrinste. Morten war sich nie sicher, ob Steve ihn mochte oder ob er ihm egal war. Steve war meistens freundlich, doch wusste er nicht, wann es besser war, den Mund zu halten.

      „Guten Morgen, Morten. Oder sollte ich guten Mittag sagen?“

      Der Wirt stellte Mortens Frühstück auf den Tisch und ging ohne ein Wort wieder. Die meisten zogen es vor zu verschwinden, wenn sie Steve sahen. Er war selten Bote guter Nachrichten. Eigentlich nie.

      „Oh, du frühstückst jetzt noch? Das hättest du dir eigentlich sparen können und gleich zum Mittagessen übergehen können.“ Er gluckste.

      „Steve, willst du etwas Bestimmtes von mir?“

      Morten nahm Gabel und Messer in die Hand und begann, seine Kartoffelröstis zu essen. Steve beobachtete ihn einen Moment dabei, ehe er antwortete.

      „Dein neuester Erfolg spricht sich in der Stadt schon rum. Ich bin gekommen, um es mir mit eigenen Augen anzusehen.“

      Morten aß weiter ohne etwas zu erwidern. Bei Steve sagte er lieber zu wenig als zu viel.

      „Na ja, und wie man sieht, hast du Manrhay mal wieder um ein Übel erleichtert“, fuhr er fort. „Glückwunsch. Gut gemacht.“

      Morten zuckte mit den Schultern. „Du weißt doch, was man sagt: Alles, was einen nicht umbringt, macht einen härter.“

      Steve grinste. „Du solltest dir schnell deine Belohnung abholen.“

      „Ja, ja.“, murmelte Morten.

      „Ich werde euch dann natürlich zurück begleiten... Wann habt ihr denn vor zu gehen?“

      Morten sah auf seinen Teller, der noch