Lisa Hummel

Illuminas' Dämonen


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die drei misstrauisch. „Ist hier eine Verschwörung im Gange, von der ich nichts weiß?“

      „Du solltest die Späße vielleicht lieber lassen und ernst werden“, sagte Jacque leise.

      „Du bist schwer vergiftet!“, sagte Burkhart. „Natürlich gehen wir zu diesem Kloster!“

      Walburga betrachtete ihn ernst und entschlossen.

      „Oder gibt es vielleicht noch einen anderen Ort, an dem man dir mit der Vergiftung helfen kann?“, fragte Burkhart.

      „Hmm... Das Bergkloster ist das nächste. Es würde noch eine Alchemistenklinik in der Stadt geben, aber...“

      Morten tauschte einen Blick mit Jacque.

      „Aber was?“, fragte Burkhart neugierig.

      Morten seufzte.

      „Zu dieser Klinik gehen nur Leute, die absolut verzweifelt sind“, antwortete Jacque. „Der Quacksalber, der sie betreibt, ist eher daran interessiert, die auszunutzen, die sich nicht mehr anders zu helfen wissen.“

      „Was meinst du damit?“, fragte Burkhart.

      „Entweder er nimmt den Angehörigen alles ab, was sie noch haben, oder sucht andere Wege, um ... seine Bezahlung zu bekommen... Manche ,Patienten' dienen ihm als Versuchskaninchen, an denen er neue ,Heilmittel' oder andere Mixturen ausprobiert, andere werden Opfer seiner gestörten Experimente.“

      Burkhart starrte ihn entsetzt an. „Gestörte Experimente?“

      „Ja, aber frag mich nicht, was er genau macht. Erstens wird darüber in der Stadt nur gemauschelt und zweitens sind die Geschichten nicht für so sensible Ohren wie deine geschaffen. Am Ende liegst du nur die ganze Nacht wach und ich muss mich mit dir rumärgern.“

      Beim reden gestikulierte Jacque mit den übrig gebliebenen Leinen, die er nicht zum Verbinden gebraucht hatte. Er legte sie ordentlich zusammen und verstaute sie mit den anderen Dingen, die noch verstreut lagen, in Mortens und in seiner Tasche.

      Burkhart runzelte die Stirn, während er versuchte, sich ein Bild zu machen. Er öffnete einige Male den Mund, so als wolle er etwas sagen, beließ es jedoch dabei und grübelte vor sich hin.

      „Kannst du laufen?“, fragte Jacque.

      Morten nickte und kämpfte sich hoch. Die anderen folgten ihm besorgt mit den Augen, was Morten störte, aber er hielt seine Miene ausdruckslos, biss die Zähne zusammen und schaffte es schließlich ganz alleine, wenn auch etwas wackelig, sich vom Waldboden zu erheben. Er klopfte sich Moos, Grashalme und kleine Ästchen von der Kleidung und zog seinen Mantel zurecht. An der rechten Seite waren lange Schlitze ins Leder gerissen worden und er würde sich einen neuen zulegen müssen. Er seufzte. Er hatte ihn gemocht.

      Als Morten nach seiner Tasche greifen wollte, schüttelte Jacque den Kopf. „Die nehm' ich.“

      Morten ließ ihn. Er hasste es, bemuttert zu werden... Aber da er die Vergiftung in seinem Körper pulsieren spürte, gab er nach und begann keinen Streit.

      Jacque leerte einen Weinschlauch und füllte sie mit einer grünlichen Flüssigkeit. Er drückte sie Morten in die Hand. „Hier. Wann immer du das Gefühl hast, dass die Vergiftung zu viel von dir fordert, trink davon. Ich hoffe, das reicht, bis wir das Kloster erreicht haben...“

      Morten grinste schief. „Du tust ja so, als würde ich jeden Moment sterben.“

      Jacque betrachtete ihn einen Moment lang und schob ihn sanft an. „Los. Lass uns gehen. Je eher wie losgehen, desto eher kommen wir auch an.“

      14.

      Der Weg war beschwerlich. Der Waldboden wurde mit jedem Tag, der verging, unebener. Manchmal hatte Walburga das Gefühl, sie liefen nicht durch einen Wald, sondern durch ein Gebirge. Allerdings hatte Jacque ihnen gesagt, dass die hohen Berge erst noch kommen würden und dass die Hügel hier noch kein Vergleich dazu wären.

      Es war anstrengend, ja, aber Walburga hatte nie das Gefühl, sie würde den nächsten Hügel nicht erklimmen können. Das würde im Gebirge dann wahrscheinlich anders sein... Na ja, es war kein richtiges Gebirge. Wohl eher eine Hügellandschaft, die entfernt an ein kleines Gebirge erinnern würde, hatte Morten gemeint.

      Sie bewegten sich Richtung Nordosten, immer weiter von Manrhay fort. Es war ein seltsames Gefühl, das Walburga dabei empfand. Sie und Burkhart hatten die Stadt noch nie verlassen. Einerseits war sie aufgeregt, andererseits nagte das Gefühl an ihr, dass sie etwas Unrechtes tat und dass sie die Stadt eigentlich nicht verlassen sollte...

      Ihr Blick fiel auf Morten. Sie war sich nicht sicher, ob das Gift ihm gar nicht so sehr zusetzte oder ob er sein Leiden einfach nur gut kaschierte. Ihm stand oft der Schweiß auf der Stirn, aber hinsichtlich des anstrengenden Marsches fand sie dies nicht unbedingt auffällig... Außerdem war sie sich nicht sicher, ob es tatsächlich Schweiß war, der sich wie ein Film über seine Stirn spannte. Es könnte genauso gut auch die Nässe sein, die sich in der Luft sammelte und den Wald diesig und neblig machte.

      Hin und wieder trank Morten aus dem Weinschlauch, den er an seinem Gürtel befestigt hatte und in der Jacques Heiltrank gluckerte.

      Noch wanderten sie Richtung Norden, da Morten meinte, dass das der einfachere Weg sei. Bald würde es jedoch an den Aufstieg gehen. Die Hügel nordöstlich von ihnen ragten immer höher auf, je weiter sie gingen.

      Sie kamen nicht so schnell voran, wie es Jacque und Morten gern gehabt hätten. Das Wetter war feucht – eigentlich schon nass – wenn es nicht regnete, sammelte sich so viel Flüssigkeit in der Luft, dass Walburga das Gefühl hatte, es würde doch regnen. Ihr blondes Haar klebte ihr im Gesicht und im Nacken, was sie furchtbar nervte. Andauernd strich sie sich die Strähnen aus der Stirn, von ihren Wangen oder aus ihrem Nacken, doch nur wenige Minuten später klebten sie schon wieder da, wo es sie störte. Sie war sich sicher, dass sie fürchterlich aussah...

      Der einzige Vorteil an dieser gottverlassenen Gegend war, dass sie nie jemandem begegneten. Selbst Tiere sah sie nur selten. Wann immer sie abends ein Lager aufschlugen, pirschte sich Jacque in den Wald hinein und verschwand zwischen den Stämmen und Sträuchern. Burkhart sah ihm dann immer beklommen nach, so als ob er fürchtete, dass er Jacque nie wieder sehen würde.

      Sobald Jacques Gestalt sich im Wald auflöste, fiel eine gespenstische Stille über die drei Zurückgebliebenen. Man hörte kaum Vögel, aber hin und wieder ein Rascheln und an manchen Tagen plagte Walburga der Gedanke, dass irgendetwas hinter ihnen her strich und darauf wartete, dass sie ihr Lager aufschlugen, um sie dann im Schutz der Schatten des Waldes zu umkreisen. An diesen Tagen war sich Walburga sicher, dass Jacque nicht zurückkehren würde, sich ein namen- und gesichtsloses Grauen auf sie stürzen würde und sie hier mitten im Niemandsland verloren gehen würden, wo ihre zerfetzten Leichen nie gefunden werden würden...

      „Na, Wali, an was denkst du?“, fragte Morten und riss sie somit aus ihren düsteren Grüblereien.

      Sie zuckte mit den Achseln. „Na ja, wir haben Manrhay noch nie verlassen...“

      Morten betrachtete sie. Sein Blick war ihr unangenehm. Sie war sich bewusst, dass sie nicht gerade den schönsten Anblick bot. Sie hatte sich seit ein paar Tagen nur notdürftig waschen können. Ihr Haar war von Haus aus schon wirr und widerspenstig, aber hier draußen beging es völlige Anarchie. Bei jedem Versuch, es irgendwie zusammenzubinden, war sie gescheitert, bis sie es schließlich aufgegeben hatte und sich nur noch um die Strähnen kümmerte, die sie am meisten störten. Der Schlamm und der Matsch, durch den sie sich kämpfen mussten, ließ sich an manchen Abenden kaum von ihrem Leib waschen. Anfangs hatte sie geschrubbt, bis ihre Haut wund wurde, doch mittlerweile war sie abends einfach zu müde, um sich darum zu kümmern. Auch ihre Kleidung starrte vor Dreck.

      Natürlich ging es den anderen nicht anders, aber da die Haare der anderen nicht so lang waren wie die ihren, hatte Walburga in dieser Hinsicht doch ein Ärgernis mehr, mit dem sie sich jeden Tag herumschlagen musste... Kurzzeitig hatte sie sogar darüber nachgedacht, ob sie ihr Haar abschneiden