Lisa Hummel

Illuminas' Dämonen


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das zweite Tor öffnete sich von selbst, ohne dass Morten durch Klopfen um Einlass bitten musste.

      Im Kloster war es dunkel. Nur kleine Fenster waren hoch oben in den Wänden gelassen worden. Eine breite Holztreppe, auf der ein weinroter Teppich lag, schwang sich zu ihnen herab. Zu beiden Seiten des Treppenfußes standen schwarze Kerzenständer aus Eisen, auf denen halb herunter gebrannte cremefarbene Kerzen den Vorraum spärlich beleuchteten.

      Staunend traten sie ein und sahen sich um. Walburga hatte sich ihre Ankunft hier anders vorgestellt. Sie hatte das Gefühl, als würde sie in eine aufgegebene Burg treten, anstatt in ein Kloster, dessen Bewohner für ihre Heilkunst bekannt waren.

      „Morten“, erklang eine Stimme von der Treppe und sie blickten rasch auf, um den Urheber zu sehen.

      „Guten Tag“, antwortete Morten förmlich.

      Walburga hatte das Gefühl, er wolle höflich sein, hatte jedoch vergessen, wie man das war.

      Die Lippen des Mannes auf der Treppe kräuselten sich zu einem Lächeln. Er war im mittleren Alter, vermutlich Mitte vierzig, vielleicht war er sogar schon fünfzig oder älter. Er war schlank, sein helles Haar war so kurz geschnitten, dass sie im ersten Moment gedacht hatte, er wäre kahl. Seine grauen Augen blickten wach auf sie herab.

      „Ihr habt meinen Namen vergessen, Morten. Das ist nicht verwerflich, es ist lange her und damals war ich lediglich ein einfacher Mönch gewesen.“

      Morten blickte ertappt drein. „Bitte verzeiht ...“

      Der Mann kam zu ihnen herab. Seine lange schwarze Robe raschelte über den Boden. Er hielt seine Arme in den weiten Ärmeln verborgen.

      „Abt Runvick“, stellte er sich vor.

      „Abt Runvick.“ Morten senkte respektvoll sein Haupt. „Habt Dank, dass Ihr uns Einlass gewährt.“

      „Jäger beherbergen wir. Bitte stellt mir Eure Gefährten vor. Euch kenne ich, jedoch nicht Eure Gesellschaft.“

      „Das sind Jacque. Walburga und Burkhart“, sagte Morten.

      Runvick nickte jedem von ihnen zur Begrüßung zu, während er sie mit einem langen, tiefen Blick bedachte. Es kribbelte Walburga im ganzen Körper, während er das tat.

      Schließlich widmete sich Runvick wieder Morten und maß ihn ebenfalls mit einem langen Blick.

      „Bitte verzeiht“, mischte sich Jacque ein, der nicht mehr genügend Geduld aufbringen konnte, um die Höflichkeiten zur Begrüßung weiter vor sich hin plätschern lassen konnte. „Wir brauchen eigentlich ziemlich schnell einen Heiler für Morten. Er wurde während der Jagd vergiftet.“

      Runvick lächelte wissend, während er weiterhin Morten betrachtete. Morten versuchte seinen Ärger zu verbergen, weil Jacque einfach so damit herausplatzte. Walburga war sich sicher, dass Runvick jede seiner Gefühlsregungen wahrnahm. Er war ein beeindruckender Mann.

      „Folgt mir.“, sagte der Abt und tappte die Stufen hinauf.

      „Gibt es hier noch mehr Mönche?“, erkundigte sich Burkhart. „Das Kloster wirkt so still.“

      „Ihr seid zu einer Zeit angekommen, in der sich jeder mit eigenen Studien oder stillem Beten beschäftigt. Ein paar von uns gibt es hier noch, ja. Wir werden auch jeden Moment auf sie treffen. Nur noch wenige Schritte trennen uns voneinander.“

      „Wie habt Ihr die Tore geöffnet?“, fragte Walburga. „Das wirkte beinahe wie Zauberei.“

      Runvick lächelte mit seinem schmalen Mund. „Wir haben Schalter, die es uns auch von weiter Distanz ermöglichen, die Tore zu öffnen. Oder zu schließen. Von den Türmen aus sehen wir Reisende schon von Weitem.“

      Sie folgten Runvick in einen hohen Saal, in dem lange Tafeln standen. Im Raum verteilt saßen einige Männer. Viele von ihnen hatten eine Arbeit vor sich liegen, nur zwei, drei saßen lediglich mit gefalteten Händen da, in stilles Gebet versunken.

      „Soeben sind Gäste bei uns angekommen“, sagte der Abt zu seinen Brüdern.

      Die Augen aller waren auf sie gerichtet, was Burkhart und Walburga Unbehagen bereitete. Walburga wurde sich ihrer verdreckten und mitgenommenen Erscheinung wieder deutlich bewusst. Verlegen strich sie sich eine Haarsträhne glatt, die ihr widerspenstig ins Gesicht fiel und auf ihrer Wange tanzte, wann immer sie sich bewegte. Zumindest versuchte sie es, die Locke ließ sich nicht bändigen.

      Hier waren nicht viele Männer wenn man die Größe des Klosters bedachte, vielleicht um die dreißig, höchstens fünfzig. Der jüngste unter ihnen war etwa um die vierzehn, der älteste saß runzlig, gebeugt und zitternd am Rand einer der Tische. Es war schwer zu sagen, wie alt er wohl war. Eines seiner Augen blickte trüb zu ihnen, sein Haar war schlohweiß. Seine Haut hatte schon begonnen, der Schwerkraft nachzugeben, ehe Walburga und ihr Bruder überhaupt geboren waren.

      „Gastrodt, würdest du mir folgen?“, fragte Runvick in die Runde. Ein dicker Mann Mitte fünfzig erhob ich augenblicklich und watschelte zu ihnen. Der Abt richtete sich an Jacque und die Geschwister. „Gastrodt ist unser versiertester Heiler hier. Er wird sich um Morten kümmern. Ihr anderen wartet bitte hier. Meine Brüder werden sich um euch kümmern. Zögert nicht, ihnen mitzuteilen, was ihr nach eurer langen Reise benötigt.“

      Morten lächelte seinen Freunden zuversichtlich zu und verließ mit den beiden Mönchen den Saal.

      21.

      Jacque, Walburga und Burkhart blickten Morten und den beiden Mönchen nach und setzten sich schließlich unschlüssig an einen der Tische, nachdem die drei im Gang verschwunden waren.

      „Meint ihr, die bekommen das mit Morten wieder hin?“, flüsterte Burkhart.

      „Das hoffe ich doch mal ...“, entgegnete Jacque. „Sonst waren all die Strapazen umsonst.“

      „Dieser Nostra meinte doch auch, wir sollen hierher kommen. Die wissen bestimmt, was sie tun“, warf Walburga ein.

      „Wieso tuschelt ihr denn so?“, fragte einer der Mönche.

      Die drei hoben abrupt den Kopf und sahen zu ihm.

      Er sah nicht so aus, wie die anderen Mönche, die Walburga in Manrhay bisher gesehen hatte. Er war groß und kräftig, trug ein schelmisches Grinsen im markanten Gesicht. Sein braunes Haar glänzte, war zwar kurz geschnitten, doch auch frisiert. Sein Bart war kurz gestutzt und unterstrich seine männlichen Züge. Die Robe spannte sich unter seiner muskulösen Brust und auch die weiten Ärmel konnten seine trainierten Arme nicht verhüllen. Dazu hatte er die schönsten blauen Augen, die sie jemals gesehen hatte und unglaublich weiße Zähne.

      Verlegen wandte sie den Blick ab. Sie roch säuerlich nach Schweiß. Ihre Haarspitzen waren fransig und die Strähnen mit Dreck bedeckt. Hätte dieser Runvick ihnen nicht noch ein Waschzimmer zeigen können, in dem sie sich zurechtmachen konnten, ehe sie der gesamten Bruderschaft vorgeführt wurden?

      „Wir wollten euch bei euren Beschäftigungen nicht stören“, entgegnete Jacque. „Deswegen versuchten wir, so leise zu sein wie möglich.“

      Der junge Mönch setzte sich zu ihnen. „Ach, das ist schon in Ordnung. Wir können ein bisschen Gerede schon aushalten.“

      Walburga nahm ihre Arme von der Tischplatte und legte sie auf ihren Schoß. Der Mönch saß ihr direkt gegenüber und im Gegensatz zu ihr roch er gut. Nach Moschus und herben Kräutern.

      „Ihr seht gar nicht aus wie ein Mönch“, sagte Burkhart.

      Der junge Mann lachte. „Wie sehen Mönche denn aus?“

      „Na ja, die Wandermönche, die immer durch Manrhay kamen, hatten meistens einen Topfschnitt und rundere Gesichter. Manchmal auch rasierte stellen oben am Kopf.“

      „Wir haben Glück, Meister Runvick setzt uns keine Regeln vor, wie wir unser Haar und unsere Bärte tragen müssen. Ein rundes Gesicht hätte ich bestimmt