Michael Schwingenschlögl

Schöttau - Ein Heimatdrama


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gehen auf die Bischofsmütze im Gosaukamm, einer der schönsten Berge unserer Alpen und die perfekte Herausforderung für uns.“, sagte der Johann und war dabei mir seinen Gedanken wieder bei seinen Brüdern.

       „Großartig, da wollte ich schon immer einmal hinauf! Ich freue mich schon sehr darauf!“, antwortete der erfreute Georg.

      Nachdem das geklärt war, marschierten die beiden weiter. Sie kamen der gewünschten Stelle immer näher und der Johann zauberte seinen stilvollen Feldstecher hervor.

       „Das sind Spuren! Los, hinauf!“, sprach er.

       Der Johann und sein künftiger Schwiegersohn hasteten wie der Wind nach oben.

       „Schauen wir einmal, wo sie uns hinführen werden.“, meinte der Johann, als sie endlich die Abdrücke im Schnee erreichten. Die Spuren schienen von der Krauter Alm zu kommen, doch sie führten dann nicht weiter zum Gipfel des Kirchenkogels, sondern zweigten kurz vorher Richtung Großer Zinkenstein ab.

       „Sie leiten uns in die Südschlucht!“, erkannte der Johann flugs und sprach weiter: „Wollen wir das riskieren? Ein schwieriger Weg unter noch schwierigeren Bedingungen. Das Wetter ist uns heute zwar hold, aber die Lawinengefahr ist dort keine geringe. Nur wenn du dich dabei absolut sicher fühlst, will ich mit dir diesen Weg einschlagen.“

       Ohne auch nur eine Sekunde zu überlegen, antwortete der Georg zuversichtlich: „Auf jeden Fall! Lass uns einen Wilderer jagen!“

       Hurtig folgten sie den Spuren weiter, was manchmal gar nicht so einfach war, da sie über Felsen führten und stellenweise vom Wind schon stark verblasen waren. Ein langer, beschwerlicher Weg, den sie aber mit Bravour meistern konnten und dann standen sie vor der bedrohlichen Südschlucht am Großen Zinkenstein. Mit Vorsicht und Bedacht, aber dennoch zügig, stiegen die beiden in den gefährlichen Abgrund ab und nach einiger Zeit entdeckte der Johann an deren unterm Ende zwei braune Flecken.

       Nach einer Betrachtung mit seinem Binokular meinte er: „Das sind sie! Zwei tote Böcke, denen der Kopf fehlt. Komm, wir sehen uns das genauer an.“

       Immer wieder blickte der Johann während des Abstiegs nach oben, um nach potenziellen Lawinen Ausschau zu halten. Obwohl die riesigen Schneewechten Furcht gebietend, aber auch gleichzeitig irgendwie eindrucksvoll und majestätisch über ihnen hingen, hatten sie an diesem Tag Glück. Der weiße Tod war ausnahmsweise gnädig und verschonte die beiden.

      Als sie dann den Tatort erreichten, fühlte sich der Johann sofort ans Vorjahr erinnert. Beide Böcke wurden selbstverständlich mit einem Blattschuss erlegt. Was waren die Wilderer doch nur für gute Schützen, der Johann hätte es nicht besser gekonnt. Der einzige Unterschied zum letzten Wildschütz war, dass diesen zwei Gamsböcken der Kopf abgetrennt wurde. Wo die beiden Häupter dann gelandet waren, wissen wir ja schon längst. Bei der näheren Begutachtung der leblosen Körper merkte der Johann, dass sie ein für diese Zeit ungewöhnlich großes Einschussloch hatten. Die Viecher wurden mit einer Jagdwaffe gewildert, die gut 50 bis 60 Jahre früher bei der Jagd im Einsatz war.

       „Das muss dasselbe Gewehr wie letztes Jahr sein. Ich habe die Bilder noch genau vor meinen Augen und ich erkenne beim besten Willen keinen Unterschied.“, sagte der Johann und wirkte dabei sehr verwundert.

       Die Rätsel wurden immer mehr, nur blieben die Antworten aus, und das quälte den Johann sehr.

       Nach einer kurzen Pause, bei der er in seinen Gedanken versank, meinte er weiter: „Wenn ich ihn nicht im Dezember erschossen hätte, würde ich glauben, dass der gleiche Wilderer wieder zurückgekehrt ist. Unser jetziger Wildschütz trifft so gut wie der Alte und das Gewehr scheint ebenfalls ident zu sein. Seit wann sind diese Wilderer solche Meisterschützen? Mit dem alten Prügel solche Schüsse zu machen, ist fast schon eine Kunst. Ich verstehe das alles nicht, ich verstehe es absolut nicht.“

       Der Georg grübelte ebenfalls kurz und dann fragte er: „Was habt ihr denn mit dem Schießeisen von dem Deppen gemacht?“

       „Dein Vater wollte es mit ihm in die Doline bei der Leitnermauer werfen, aber es ist ein schönes, altes Jagdgewehr aus einer Bozner Werkstatt, das wohl recht wertvoll ist. Dieses Prachtstück in das tiefe Loch zu werfen und es für alle Zeiten verschwinden zu lassen, wäre äußerst schade gewesen. Deshalb habe ich es mit ins Tal genommen und am nächsten Tag in unserer Jagdhütte auf der Krauter Alm versteckt.“, antwortete der Johann.

       „Die Krauter Alm, von dort schienen ja die Spuren zu kommen, denen wir bis hierhin gefolgt sind.“, meinte der Georg.

       Der Johann nickte und murmelte nachdenklich: „Ja, von dort kamen sie.“

       „Wer weiß aller, dass die Büchse dort versteckt ist?“, fragte sein künftiger Schwiegersohn.

       „Eigentlich nur der Graf und ich. Und jetzt auch du.“, sagte der Johann.

       Der Brenner Georg wirkte etwas überrascht und fragte: „Und mein Vater? Weiß er etwa gar nichts davon?“

       Da musste der Johann lachen und meinte: „Nein, er wollte es nicht aufheben, weil er Angst hatte, dass es jemand bei uns finden und unangenehme Rückschlüsse ziehen könnte. Ich habe ihn dann beruhigt und gesagt, dass ich es im Waldsee versenkt habe. Du verrätst ihm doch nichts von unserem kleinen Geheimnis, oder? Sonst lässt ihm das keine Ruhe und seine unnötigen Sorgen kommen wieder auf.“

       Da musste jetzt auch der Georg lachen und sprach: „Ich werde schweigen wie ein Grab! Ach ja, warum weiß der Graf eigentlich darüber Bescheid?“

       „Wie gesagt, das Gewehr dürfte wertvoll sein und der Graf kennt sich mit diesen Dingern sehr gut aus. Ich habe es ihm gezeigt und er hat gemeint, dass er jemanden in Bern kennt, der uns dafür gutes Geld bezahlen wird.“, antwortete der Johann.

      Damit wir nicht noch mehr langweilige Dialogszenen haben, fasse ich die weitere Geschichte zusammen. Einverstanden? Perfekt!

      Ihr fragt euch jetzt sicherlich, ob sich der alte Schießprügel noch immer in der Jagdhütte auf der Krauter Alm befand.

       Tja, das werden wir in Bälde erfahren, da der liebe Johann vorhatte, dort am nächsten Tag nachzusehen.

       Unsere zwei Freunde packten dann die beiden kaputten Gamsböcke und folgten den mysteriösen Spuren talwärts. Der Weg war weiterhin kein einfacher, aber wenigstens waren die schauderhaften Schneewechten über ihnen verschwunden. Sie stiegen hurtig ein bezauberndes Kar ab, nur hatten sie für die malerische Umgebung keine Augen, denn die waren stets auf die geheimnisvollen Tritte im Schnee gerichtet. Einige Zeit lang konnten sie sie noch problemlos verfolgen, aber als sie in den Wald kamen und der Schnee dort mit den schwindenden Höhenmetern linear immer weniger wurde, verloren sie die Spuren irgendwann aus den Augen.

       Eines schien aber klar zu sein: Der Wildschütz dürfte nach Schöttau, oder zumindest in dessen Richtung gegangen sein.

       War der garstige Bursche gar einer ihrer eigenen Leute?

       Dieser Gedanke plagte auch den Johann, aber er konnte sich das beim besten Willen nicht vorstellen.

       War es denn dann ein Gast? Wollte der Wilderer eine falsche Fährte legen?

      Wie bitte? Richtig, die Gamsköpfe tauchten dann in Schöttau auf, von daher ist es nur logisch, dass die Spuren dort hinführten. Aber wenn ich ein paar geheimnisvolle Fragen in den Raum werfe, dann kommt gleich viel mehr Spannung auf. Und wer sagt denn überhaupt, dass der Wilderer direkt mit den Köpfen in unsere Lieblingsstadt gezogen ist? Na eben!

      Weil wir gerade bei Spannung und Fragen sind, schauen wir kurz zur Krauter Alm.

       Eine uralte Jagdhütte aus dunklem Holz, die aber sehr gut gepflegt wurde und sich in einer wildromantischen Lage am Waldesrand befand. Drinnen war nicht viel los. Ein paar Bilder vom Erzherzog Johann und vom Kaiser Franz Joseph hingen an den Wänden, dazwischen natürlich einige Geweihe. Zwei kleine Betten standen auch noch dort drinnen sowie ein Tisch, ein paar Stühle und ein gut gefüllter Schnapskasten. Die lieben Jäger brauchten schließlich damals schon ihr Zielwasser.

       Aber nun zum Wesentlichen: War das Schießeisen also noch in der eben beschrieben Jagdhütte? Was fand der Johann, als er am Tag darauf das geheime Versteck im Boden öffnete?