Michael Schwingenschlögl

Schöttau - Ein Heimatdrama


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vom Gipfelgrad, sind dort Spuren?“

       Der Brenner Karl schnappte sich das Prismenglas und meinte: „Schaut fast danach aus, die eine Wolke hängt da gerade etwas ungünstig drinnen, aber von hier aus würde ich glatt meinen, dass das Spuren sind. Aber sicher nicht von einem Wildvieh.“

       Ihre Stimmung schraubte sich noch eine Stufe der Sonne entgegen und die beiden taten dies ebenfalls und machten sich auf den Weg nach oben.

       Kurz nach ihrem Aufbruch kam aber alles ganz anders und ihre Zuversicht sollte bald verschwunden sein.

       Ein gewaltiger Schuss donnerte nämlich plötzlich durch das Gebirge.

      „Von wo kam das?“, fragte der erschrockene Karl

       „Das muss drüben vom Wildkar gekommen sein.“, antwortete der Johann rasch und meinte weiter: „Der Jamminger Max und der Bacher Fritz sollten da drüben sein!“

       „Ja, und sie sollten auch in Hörweite sein! Rufen wir mal nach ihnen.“, sagte der Karl darauf, doch ihre Rufe blieben unbeantwortet.

       „Johann! Karl! Habt ihr auch den Schuss gehört?“, hallte es von weiter unten.

       Es war der Ortner Franz, der sich ebenfalls Sorgen machte.

       „Ja! Der Schuss dürfte vom Wildkar gekommen sein! Der Max und der Fritz sollten da drüben sein, aber sie antworten nicht!“, rief der Johann hinunter.

       „Geht derweil dorthin, wir kommen nach!“, antwortete der Ortner Franz.

       „Was mich positiv stimmt ist, dass nur ein Schuss gefallen ist. Vielleicht hat ja einer der beiden den Wilderer erwischt.“, sagte der Brenner Karl.

       Ein wenig Hoffnung durchbrach bei diesen Worten den eben aufgezogenen Schrecken.

       Kaum hatte der Karl seinen erhellenden Satz beendet, wummerte plötzlich ein zweiter Schuss durch die Felsschluchten. Dieser war noch schauriger und mächtiger als der Erste. Ein grollender Donner, der ihnen tief ins Mark fuhr.

       Der Johann und der Brenner Karl sahen sich nur schweigend an und wussten eigentlich schon, was geschehen war.

       „Diese Drecksau!“, fluchte der Johann.

       In seinem Inneren zerbrach etwas und dem Brenner Karl ging es wohl ähnlich. Für einen Moment schlossen sie kurz ihre Augen und dann schmissen sie ihren Turbo an.

       Unsere zwei Freunde querten recht zügig eine sehr steile Flanke und kamen dabei dem Wildkar immer näher. Wären der Johann und der Brenner Karl keine so erfahrenen Bergleute gewesen, hätten sie diesen schweren Weg nur schwierig und schon gar nicht in diesem Höllentempo bewältigen können. Wie zwei Gamsböcke sprangen sie durch die teils noch stark verschneiten Wände. Die innerlich brodelnde Wut und der vielleicht letzte Funken Hoffnung, schienen den beiden übernatürliche Fähigkeiten zu verleihen.

       Gab es für den Jamminger Max und den Bacher Fritz tatsächlich keine Rettung mehr?

       Es sah wahrlich nicht gut um die beiden aus und bei den anderen tat sich im Geist wieder dieser dichte Nebel auf. Obwohl sie gerade eine körperliche Höchstleistung hinlegten, war ihr Verstand in diesem grauen, stickigen Schleier gefangen, der Johann und der Brenner Karl funktionierten nur noch.

      Doch es dauerte dann nicht allzu lange, bis sie aus dieser tristen Trance gerissen wurden.

       „Warte kurz! Hörst du das auch?“, fragte der Brenner Karl nach einiger Zeit.

       „Ja! Da schreit doch jemand um Hilfe!“, antwortete der Johann.

       In der Tat, ein relativ leiser und kratziger Hilfeschrei hallte den beiden entgegen.

       Es gab anscheinend doch noch Hoffnung.

       Immer schneller und schneller, von der lieben Zuversicht angetrieben, spurten die zwei Freunde durch das mit patzigem Frühjahrsschnee bedeckte Gelände.

       Keuchend und ausgelaugt kamen sie endlich im malerischen Wildkar an und sahen den Bacher Fritz aufgeregt winken.

      „Was ist passiert? Hast du unsere Rufe nicht gehört?“, rief der Johann ihm zu.

       „Der Max ist in eine Doline gestürzt! Ich habe eure Rufe sehr wohl gehört, aber ich habe starke Halsschmerzen und kann kaum schreien, deswegen habe ich auch schon zwei Schüsse abgegeben.“, krächzte der Fritz, als der Johann und der Brenner Karl schließlich bei ihm waren und dann hatte er überhaupt keine Stimme mehr.

       „Max, wie geht es dir?“, rief der Johann mit großer Sorge in die Doline.

       „Eh gut! Ich bin nicht so tief gefallen und der weiche Schnee dort unten hat mir meine Landung recht angenehm gestaltet. Nur kann ich ohne Seil nicht mehr von hier raus!“, tönte es aus dem finsteren Loch.

       Zum Glück hatte unser lieber Johann ein Seil dabei und der arme Jamminger Max wurde damit problemlos gerettet.

       Es gab also keine unnötige Dramatik bei der Rettung, wo plötzlich eine Lawine abgeht und die Retter verschüttet werden, so wie ich es einmal beim Bergdoktor gesehen habe.

      Bitte? Sie haben die Folge auch gesehen? Haben Sie auch so weinen müssen, als der Bub zum Schluss dann doch noch überlebt hat?

       Ja? Herrlich!

      Unsere Freunde aus dem schönen Schöttau brauchten aber keinen Dr. Martin Gruber, der ihnen half, sie schafften das ja selbst.

       „Diese verfluchte Doline! Eiskalt ist es da unten!“, meinte der Jamminger Max, als er sich wieder unter freiem Himmel befand und sich den Schnee von seiner schicken Kleidung putzte.

       „Da hast du einen Schnaps, der wärmt!“, sagte der Bacher Fritz und reichte ihm seinen prachtvollen Flachmann.

       „Hast du da unten einen toten Gamsbock gesehen, dem der Kopf fehlt? Dann hätte sich das kleine Missgeschick wenigstens ausgezahlt.“, scherzte der Johann.

       Er wirkte sichtlich erleichtert, dass niemanden etwas Tragisches passiert war.

       „Nein.“, antwortete der Jamminger Max kurz und knapp und genehmigte sich noch ein Schlückchen gegen den Schock.

       Am unteren Ende des Kars erschienen dann der Ortner Franz und einige andere Jagdkameraden.

       Der Ortner Franz rief hinauf: „Alles in Ordnung bei euch?“

       „Alles gut! Ich bin in eine Doline gefallen, aber der Johann hat mich wieder rausgezogen! Hoch lebe er, der Johann!“, rief der Max zu seinen Kollegen hinunter.

       „Hoch lebe der Johann!“, brüllte die Jägermeute zurück.

      Da der kleine Unfall mit dem Karsttrichter glimpflich ausgegangen war, wollte man das Glück nicht weiter ausreizen und man beschloss, wieder sicher ins Tal zurückzukehren.

       Dem Johann beschäftigten allerdings noch die angeblichen Spuren am Gipfelgrat des Kirchenkogels.

       „Schauen wir uns das morgen noch einmal genauer an? Das Wetter sollte auch wieder besser werden.“, sagte er zum Brenner Karl während des Abstiegs.

       „Ich kann morgen leider nicht, ich muss nach Haus im Ennstal. Dort habe ich nämlich einen neuen Großabnehmer für meine Milch gefunden und wir müssen noch über den Preis verhandeln, aber du kannst gern den Georg mitnehmen, er wird sich bestimmt darüber freuen.“, antwortete der Karl.

       „Sehr gerne, er gehört schließlich schon fast zur Familie.“, meinte der Johann.

      5. Im Beichtstuhl

      Die Nacht war schon angebrochen, als die Jäger wieder sicher im Tal angelangten, doch sie war nicht die einzige Dunkelheit, die an diesem Abend Einzug in Schöttau fand.

       Der feine Herr Graf stand mit starrer Miene am Ortseingang. Ohne, dass auch nur ein Wort fiel, wusste der Johann, was los war. Es waren wieder diese Schwere und diese Leere, die allen den Geist unterjochten. Das Ende war noch lange nicht nah, es kam erst alles in seine Furcht gebietenden Bahnen. Er kroch gerade aus seinem abscheulichen Loch, dieser böse Schatten.

      Schweigend gingen sie zum kleinen Hauptplatz und in der Finsternis vor seiner Kirche, da stand er wie eine