Roman Ludwig Lukitsch

Tanz der Aranaea


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du alles, im November sollte es losgehen, Francesco. Du kannst dir drei Monate Zeit lassen. Den Unimog lieferst du bei Colonel Bergerac in Mali ab, und kommst mit dem Flugzeug zurück. Der Colonel lebt in Mopti, in Mali, die genaue Adresse bekommst du noch.«

      »Wie hoch ist mein Spesensatz? wie steht es mit einer Sondervergütung und mit dem Buschgeld?«

      »Zarte fünfundzwanzig Prozent mehr als du für Kanada bekommen hast! Du wirst nicht arm sein wenn diese Sache von dir ordentlich über die Bühne gezogen wird. Suche dir noch eine Reisebegleitung, Francesco. Eine Algerien-Französin wäre doch das richtige, wegen arabischer Sprachkenntnisse und so; was meinst du? Muss aber natürlich auf deine Rechnung gehen, ist doch klar, oder?»

      Trotz allem Überlegen, um was sich der Alte Lustmolch so kümmerte, so konnte ich seinem listigen Blick dennoch nichts entnehmen. Letzthin fand ich die Idee von Wegener noch nicht einmal so schlecht. Die Auswahl allerdings wollte ich nach eigenen Kriterien treffen. Ich stellte nun eben gewisse Anforderungen die ich für wichtig erachtete und entsprechend sah mein Inserat aus, welches ich noch am gleichen Tag dem Zürcher Tageblatt in Auftrag gab.

       Zürich, den 1. August 1963

       Ich reise von November 1963 bis Januar 1964 in die Republique du Mali, und suche einen Menschen, der mich nicht nervt. Französische und Arabische Sprachkenntnisse sind Bedingung. Zürcher Tageblatt, Chiffre 4781

      Einen einzigen Brief erhielt ich auf mein Angebot und war nur mit einem kleinen Satz verfasst, der dennoch meine Aufmerksamkeit fand. Die Namensverwandtschaft mit Colonel Bergerac in Mali, wo ich den Unimog abzuliefern hatte, kam mir nicht in den Sinn.

       Zürich, den 9. August 1963

       Sehr geehrter Monsieur Francesco Vancelli! Ich kann das alles und ich nerve nie!

       Mit freundlichem Gruß, Solange Bergerac, Zürich.

      Noch keine fünf Minuten später, nachdem mir der Postbote dieses kleine Schreiben einer gewissen Solange Bergerac überreichte, klingelte mein Telefon und kurze Zeit darauf sprach ich auch schon mit Madame oder Mademoiselle Bergerac. Sie kannte den Zeitpunkt meiner Postzustellung genau, doch darüber machte ich mir damals keine Gedanken.

      Eine Französin am anderen Ende der Telefonleitung! Sie sprach ein akzentuiertes deutsch. Die Grammatik sprang ein bisschen von der Schaufel, aber sonst klang ihre Stimme gut.

      »Monsieur, ich bin Solange Bergerac!«

      »Bonjour, Madame Bergerac, je m'appelle Monsieur Vancelli! Comment allez vous?«

      »Mir ist sehr schlecht, mein Herr, wenn Sie mich weiterhin als die Madame Bergerac titulieren, die ich nicht bin. Bin ich denn meine Mutti?«, antwortete sie in sanfter Stimmlage die dennoch eine Verärgerung über mein gesagtes „Madame“ nicht verhüllen ließ.

      »Wie darf ich Sie denn ansprechen, Madame Bergerac?«

      In provozierender Weise wiederholte ich jenes „Madame“ , und zwar derart, dass ich das „Ma“ weich und leise anklingen ließ, danach weiter mit einem kräftig gesprochenen „dam“, um dann zu enden mit einem lang gezogenen doppelt klingenden „ee“. Im Nachhinein kam ich mir doch reichlich angeblödet vor. Sie schien es überhören zu wollen.

      »Sagen Sie doch einfach Zouzou Zizanie zu mich, ich bin nämlich noch die junge Frau! Wollen wir gemeinsam die Reisen fahren?«

      »Ich hätte Sie gerne vorher gesehen, verehrtes Fräulein Zouzienanie!«

      »Warum? Wollen Sie meine Figur mitnehmen oder die Hirn? Ich habe nicht soviel Obenrum.«

      »Nein, ich hätte Sie halt gerne ein wenig persönlich gesprochen und so.«

      »Passt es Ihnen morgen um fünfzehn Uhr? Wir könnten uns in Harrys Pub treffen. Ich trage eine Vichykleid und die schwarze Pumps und dazu die kleine Lackhandtasche mit die Hut. Wie erkenne ich Sie?«

      »Ich habe die Zürcher Zeitung im Knopfloch.«

      Es war Samstag, der 10. August 1963, dreizehn Uhr und ich hatte schon einige Martinis on the Rocks. Warum ich schon so früh hier in Harrys Pub saß, wusste ich auch nicht so genau. Eine innere Unruhe trieb mich heute Morgen schon sehr früh aus den Federn. Wahrscheinlich war Fräulein Bergerac der Grund meiner wachsenden Unruhe. Bedingt meiner umfangreichen Reise- und Autorentätigkeit lernte ich Menschen aller Schattierungen kennen. Mit diesen Kenntnissen war ich in der glücklichen Lage, mit wenig gesprochenen oder geschriebenen Sätzen ein gutes Bild zu erhalten von jeweiligen Menschen, mit denen ich es zu tun hatte. Ihre Stimme am Telefon klang gut und die schlagfertige Art ihrer Antworten gefiel mir. Dieses "Ich kann alles und nerve nie", in ihrem kleinen Antwortschreiben auf mein Inserat, ließen einige Rückschlüsse zu.

      Langweilig war sie mit Sicherheit nicht. Ich war mir sicher, dass sie kein Vichykleid und keine schwarze Pumps trägt.

      Eine kleine Lackhandtasche wird sie auch nicht mit sich führen. Sie wählte den Treffpunkt Harrys Pub, und dort trägt man keine Vichykleider mit schwarzen Pumps, und dort geht auch nicht jeder hin. Einen Hut könnte sie auch tragen, das passt. Auch bei Harry!

      Ich war zufrieden mit meinen Rückschlüssen auf Solange Bergerac. So müsste sie sein. Und dennoch sollte ich mich gewaltig täuschen. Ein Mensch wie Fräulein Bergerac war mir in meinem schon etwas länger weilenden Aufenthalt hier auf Erden noch selten begegnet.

      ***

      Ich saß schon eine geraume Zeit in Harrys Pub und wartete auf Solange Zouzou Zizanie Bergerac, und auf Harry. Eigentlich war sein Name Heribert Pichler. Ein Österreicher, und ausgemusterter Fremdenlegionär der für sich und für Frankreich unter anderem auch im Algerien Krieg kämpfte und sich in Zürich nach Ablauf seiner Dienstzeit ein Pub nach englischer Art eingerichtet hatte. Ich wollte ihn wegen meiner bevorstehenden Reise nach Mali um Besorgungen einiger Equipments bitten. Harrys Pub, war eine Drehscheibe des internationalen Söldnerhandwerkes, eine unter vielen!

      In Harrys Pub trafen sich zwielichtige Strohmänner reicher westeuropäischer Industriestaaten sowie nicht minder zwielichtige Vertreter mächtiger Multikonzerne mit den Bluthunden vom Schlage eines Heribert Pichler, die für sie die Lage an allen Brennpunkten dieses Planeten, vornehmlich aber in Afrika, bereinigten. Harry war kein Wirt, wird auch nie einer sein. Harry besaß andere Qualitäten. Er sah es den Menschen an, ob und für welchen Job Mann oder Frau zu etwas taugte. Für meine Arbeit hatte Harry nur ein leichtes Lächeln übrig. Afrikatourismus konnte er dem Anschein nach nicht leiden. Harry akzeptierte mich dennoch, denn die Art meiner Schreibfeder gefiel ihm. Mein letzter Reisebericht aus Kanada hatte ihn sehr stark berührt. Ich war zuletzt im Wood Buffalo National Park in den Wäldern Albertas und British Columbia und reiste lediglich mit Kanu, Rucksack und Büffelflinte. Abenteuertourismus pur, dass gefiel ihm gerade noch.

      Sein Pub führte seine traumhafte Freundin Sabi Loulou, die ich heimlich verehrte, ich liebte sie sogar, meistens jedenfalls, doch sie wusste es nicht und außerdem machte sie die besten Longdrinks und von mir bevorzugte Martinis im Umkreis von hundert Kilometern. Unzählige Male hatte ich nächtens von ihr geträumt und immer wurde ich von ihr geküsst. Dies wusste sie aber nicht. Mir fehlte einfach der Mut es ihr zu gestehen. Auf jeden Fall sollten ihr die Stadtväter Zürichs ein Denkmal setzen. Dank der schönen Sabi Loulou war ich schon fast blau und das um vierzehn Uhr.

      »Sabi Loulou, wann kommt Harry, war er gestern wieder besoffen?«, fragte ich sie.

      »Ja! Wie immer«, antwortete Sabi Loulou, »aber er kommt gleich, ich habe seinen Wagen gehört.«

      Noch keine fünf Minuten später stand Heribert Pichler im Türrahmen, strahlte über das ganze Gesicht und rief schon von weitem seine Begrüßung.

      »Hallo Harry, alter österreichischer Germschädel, wie geht’s?« erwiderte ich seine Begrüßung.

      »Glänzend Almöhi, ich habe alles im Griff. Hat sich Zouzou Zizanie schon gemeldet?«

      »Zouzou Zizanie?«,