Roman Ludwig Lukitsch

Tanz der Aranaea


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des Jahres 1942 im kühlen Schatten saß und mein geeistes Bier schlürfte. Die verrückten Engländer tranken es warm. Ich schrieb für ein englisches Wochen-Magazin Berichte über ihre glorreiche Armee oder besser, über das glückliche Leben ihrer Offiziere und deren Gattinnen in der Etappe, weitab von dem Gemetzel in der Libyschen Wüste. Ich erhielt durch diese kleinen Gefälligkeiten das Entree in die bessere Gesellschaft, die allesamt auch einmal in Matt Wolters Magazin erwähnt sein wollten. Zu Ostern brachte mich mein Flieger von London nach Kairo. Just zur Zeit des beginnenden Frühlingsfest „Schamm al Nassim“, welches als "Das Riechen der frischen Luft" übersetzt werden kann und das Muslime und Christen am Ostermontag beginnen. Unzählige Menschen, ich war sicher das sogar alle Ägypter auf den Beinen waren um an diesem größten Feiertag der Ägypter mit ihren Verwandten und Freunden ins Grüne zu spazieren und Picknicks veranstalteten.

       Die Ufer des Nils, die Parkanlagen, der Zoologische Garten und das Pyramidenplateau von Gizeh waren überfüllt von sich drängenden Menschen und ich befand mich inmitten dieser glücklichen Masse. Frauen küssten mich auf offener Straße und glückselig beduselte Männer reichten mir hart gekochte Eier, grüne Zwiebeln und "Fissih", gesalzene und gepökelte Fische.

       Die Engländer warnten mich vor dem Genus von "Fissih", denn die hiesigen Händler besäßen nicht den geringsten Skrupel auch Fische aus den Abwässerkanälen zu verkaufen, um den ungeheueren Bedarf an Fissih zu decken. Ich verspeiste sie dennoch kiloweise und begab mich zur Folge abends in ein gewisses Gemach, um mich dem Wirken meiner Innereien hinzubegeben. Es waren die Zwiebeln und nicht die Fische, dessen war ich mir ganz sicher.

       Ein wunderbares Fest, dieses „Schamm al Nassim“. Inmitten dieser sympathischen Ägypter, und oft genug wünschte ich mir dass es nie enden sollte. Selbst die Zeit danach kann ich nur als "Jung, Frei, Glücklich und Vollgefressen" bezeichnen und wie so oft im Leben den Mensch schneller degeneriert lässt; schneller als es ihm lieb ist. Überdrüssig des süßen Nichtstun und auf der Suche nach Abwechslung, stürzt sich ein auf solche Art Degenerierter in äußerst zweifelhafte Abenteuer. Mir ist es jedenfalls so ergangen.

       Am 22 . August 1942 sprach mich Oberst John Haselden, Chef der Long Range Desert Group im Jachtclub von Alexandrien an und offerierte mir die Teilnahme an einem kleinen Wüstenritt gegen Rommel.

       Ich sollte nur pressetaugliche Berichte mit Fotos erstellen, für die High Society von Alexandrien. Zu jener Zeit war ich satt bis Unterkante Oberlippe, und konnte elegante Damen mit ihren reichen, alten Knackern und die schniegligen Etappen-Offiziere nicht mehr sehen. Ich sagte zu und die Boys der Long Range Desert Group verpassten mir eine Ausbildung im Wüstenkampf, der sich gewaschen hatte. Ich lernte wie man mit Dolch und Drahtschlinge tötet. Wie man Warane fängt und frisst, und wie man aus eigenem Urin einen köstlichen durstlöschenden Cocktail zubereitet. Nach drei Wochen Ausbildung sehnte ich mich wieder zurück zu den exquisite duftenden Damen von Alexandrien und meinem geeisten Bier. Pressetaugliche Berichte mit Fotos wollte kein Aas. Sie nahmen meinen Schweizer Pass in Verwahrung, und gaben mir dafür ein englisches Soldbuch mit dem intelligenten Namen John Walker. Ich habe es den Engländer bis zum heutigen Tag nicht verziehen, ich meine das mit dem John Walker.

       Gemeinsam mit der Long Range Deserts Group erlebte ich am 14. September 1942 bei dem Unternehmen "Agreement" in Tobruk eine Katastrophe ohne Maße. Wir fuhren mit 90 Mann auf Lastwagen von Kairo zunächst nach Süden, dem Nil entlang bis Assiut. Vorbei an der Oase Charga zum Kebir Plateau, weit im Süden Ägyptens. Hier befand sich an der Grenze zu Libyen ein englisches Benzinlager. Von da an fuhren wir in nördliche Richtung. Vorbei an den Oasen von Kufra und Gialo bis nach Tobruk. Oberst Haselden versprach mir einen kleinen Wüstenritt gegen Rommel. Ich hatte ihn auf unserer 2500 Kilometer langen Geisterfahrt durch die Wüste nicht gesehen, den Herrn Feldmarschall Rommel; nur Sand und Dreck, Hunger und Durst, Hitze und Kälte, Läuse und Sandflöhe.

       Am Nachmittag des 14. September war alles vorbei. Tobruk lag weit hinter der Kampflinie und es war uns nicht gelungen, ein Brückenkopf zu bilden.

       Dutzende abgeschossene britische Bomber. Der Zerstörer "Sikh" mit Schlagseite vor der Küste. Der Zerstörer "Zulu" wurde versenkt. Oberst Haselden und 84 Mann der Long Range Desert Group lagen zerschossen, zerrissen von MP-Salven und Handgranaten in einer kleinen Bucht. Mit vier überlebenden Soldaten der Group zogen wir uns aus der Stadt zurück und erreichten einen Djebel, einen kleineren Berg, vor Tobruk. Dort gerieten wir in eine italienische Lazarettanlage, und glaubten in einem Militärlager zu sein. Wir schossen in unserer Panik auf alles was Beine hatte.

       Als wir erkannten, das wir Verwundete massakrierten, rannten wir wie von Furien gehetzt in die Wüste.

       Wir geisterten vier Wochen durch die Libysche Wüste. Eine Patrouille aus Jock Campbells Kampfkolonne, die von einem Partisaneneinsatz gegen deutsche Nachschubwege zurückkam, brachte uns zu den Kufra-Oasen, in Sicherheit. Das Oberkommando in Alexandrien wollte unser Desaster nicht publizieren. Aus diesem Grund, schrieb ich auch keinen Bericht an meinen Auftraggeber in London.

      ***

      Ich hing meinen Erinnerungen nach und wie automatisch bewegten sich meine Beine. Nichts um mich herum nahm ich wahr und erst kurz vor Erreichen meines Zuhauses wurde ich mir wieder meiner Realität bewusst. Ein Traum von Realität im Vergleich zu meinen Erinnerungen, die einmal grausige Realität war.

      »Willy, wir haben es geschafft, wir sind zu Hause! Trinken wir beide noch ein Gläschen miteinander? Zouzou schläft bestimmt schon. Willy, ich mache uns noch ein Fläschchen auf.«

      Toutou Willy, französischer Grandseigneur mit dem blauen Blut gab mir keine Antwort, und ich schlich auf Zehenspitzen in das Schlafzimmer. Zouzou Zizanie schlief fest und atmete ruhig. Ihre Bettdecke war verrutscht.

      Sie trug nur ein wunderschönes, verziertes Kettchen aus Silber, das nach Art und filigraner Verarbeitung auf arabische Handwerkskunst schließen ließ. Diese Arbeiten vollbrachten nur die Meister in den arabischen Souks. Ein Silberkettchen, das sie um ihre Taille anlegte. Zouzou schien mir volles Vertrauen zu schenken, denn sie ließ die Schlafzimmertür geöffnet. Sie fühlte sich bei mir mopsig wie ein Tiger im Hasenkäfig, und nahm bedenkenlos mein Schlafzimmer in Anspruch, und ich tat nichts was dieses Vertrauen gefährden konnte.

      Ich deckte sie wieder richtig zu und streichelte ihr über den Kopf, was sie leise grunzend quittierte und verließ danach wieder das Schlafzimmer. Wie ein kleines Kind lag sie in ihrem, meinem Bett. Danach begab mich in mein Arbeitszimmer und kramte in meinem Archiv nach Zeitungen und Magazinen, die in den vorangegangenen fünf Jahren über die Wirrungen in Afrika berichteten. Ich las alle Nachrichten und Kommentare über gewisse Aktivitäten von irgendwelchen Söldnern. Ich hoffte etwas über Markus Helmer in Erfahrung zu bringen. Harry, wie ich wusste, war 1954 in Indochina und danach in Algerien als Fremdenlegionär der Franzosen aktiv, und kam als Söldner, der sich irgendwo in Schwarz Afrika die Hände besudelte, weniger in Betracht. Harry lernte schnell und wusste wahrscheinlich, dass man als Söldner und Kanonenfutter nur ewiger Verlierer ist. Er widmete sich nach seiner Tätigkeit als Söldner, dem internationalen Waffenhandel und verdiente sich eine goldene Nase in diesem Geschäft. Er lebte nach außen hin dennoch nicht aufwendiger, als ein gewöhnlicher Gastwirt. Markus Helmer, obwohl gelernter Journalist, war um einige IQ ärmer als Heribert Pichler.

      Mittlerweile war es schon zwei Uhr nachts geworden, als Zouzou in mein Arbeitszimmer kam. Ich las den Leitartikel einer englischen Zeitung vom 15. März 1963 über Guinea - Bissau.

      „Mit Anfang des Jahres 1962 begann ein Guerillakrieg in der portugiesischen Kolonie Guinea-Bissau in Westafrika, der von der PAIGC - Partido Africano da Independencia de Guinea` Bissao e Cabo Verde - gegen die Portugiesen im Lande geführt wurde. Ihr Anführer ist Amilcar Cabral. Trotz militärischer Überlegenheit Portugals kontrolliert die Befreiungsfront PAIGC einen großen Teil des Gebietes."

      Eine Fotografie zeigte ein Flugzeug der SAS Fluggesellschaft auf dem Flughafen von Bissau. Amilcar Cabral stand auf der Gangway. Eine große Menschenmenge befand sich am Ende

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