K. R. Jaylin

Todestanz


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groß, denn die Nachricht hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet: nach 7 Jahren war die junge Königin endlich schwanger! Das Gerede und Getuschel am Hofe über ihre vermeintliche Unfruchtbarkeit war am Ende nur noch durch den aufkeimenden Klatsch in der Bevölkerung übertroffen worden, denn allmählich hatte wirklich jeder geglaubt, die Königin wäre nicht imstande, schwanger zu werden und ein Kind auszutragen.

      Doch nun hatte es schließlich doch noch geklappt und die Thematik der Gespräche schlug sogleich um. Jetzt wurde überall die Frage diskutiert, ob es wohl eine Prinzessin oder ein kleiner Kronprinz werden würde.

      Die junge Königin selbst verschwendete keine Gedanken daran; sie jammerte stattdessen tagein, tagaus über die Tatsache, dass ihre zarte Gestalt unansehnliche Formen annahm und ihr darüber hinaus fortwährend übel war. König Albert, der seine schöne Frau vergötterte und über alle Maßen liebte, verwöhnte sie mit Geschenken und allen Annehmlichkeiten, welche ihr ihren Zustand erträglicher machen konnten. Sie nahm dies gleichmütig hin und klagte ihm gern ihr Leid.

      Als sie sich dem siebten Monat ihrer Schwangerschaft näherte, ließ sie alle Spiegel im Schloss verhängen, denn sie konnte ihr eigenes Spiegelbild nicht ertragen. Hoch erhobenen Hauptes lief sie in den Wochen vor der Niederkunft durch die langen Gänge des Schlosses und rümpfte dabei auch die Nase über die Kinderstube, welche für das Ungeborene eingerichtet worden war.

      „Wir wollen hier das Königskind betten! Glaubt ihr etwa, wir würden den Kronprinzen in eine solch finstere Kammer sperren?“

      Also wurden eiligst neue Räumlichkeiten vorbereitet, denn mittlerweile neigte sich der achte Monat dem Ende entgegen und die Anspannung nahm deutlich zu. Man erwartete praktisch jeden Tag die Niederkunft. Die Königin wurde zusehends reizbarer und mürrischer, denn sie schlief nur noch schlecht und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass ihr Baby nur endlich ihren Körper freigeben würde. Als dann eines Abends, auf einem Ball zu Ehren des Hochzeitstages des Königspaares, mit einem Mal ein Aufschrei zu hören war, ging jede Ruhe verloren: die Königin war aufgesprungen, am ganzen Körper zitternd, und fühlte sich einer Ohnmacht nahe. Sie stand in einer Pfütze trüber Flüssigkeit und wurde sofort hinauf in die für die Geburt vorbereiteten Gemächer gebracht.

      Die ganze Nacht über lief der König rastlos im Gang auf und ab, während Schmerzenslaute und die harsche Stimme der Königin von den Wänden widerhallten. Dann, bei Sonnenaufgang, gab es einen lang gezogenen Schrei, der in das Weinen eines Babys überging. Eine der Hebammen kam heraus und verneigte sich demütig vor Albert.

      „Ein Junge, Majestät. Stramm und gesund.“

      Albert strahlte, fragte jedoch besorgt:

      „Und die Königin? Ist sie wohlauf?“

      Die Hebamme verneigte sich erneut.

      „Sie ist erschöpft, aber unversehrt, Majestät.“

      Das genügte ihm fürs Erste und er eilte davon, um seiner wartenden Mutter die gute Neuigkeit zu berichten.

      Inzwischen waren sowohl die Königin als auch ihr Kind gesäubert und in ein frisch bezogenes Bett gebracht worden, wo die junge Mutter versonnen und stolz auf ihren Sohn blickte.

      „Wie wäre es mit Leonard, hm? Ist das nicht ein schöner, starker Name?“

      „Wirklich bezaubernd.“

      Sie hob empört den Blick, als sie eine männliche Stimme vernahm, denn kein Mann mit Ausnahme des Königs durfte derzeit ihre Räumlichkeiten betreten. Doch als sie die schlanke Gestalt erblickte, die würdevoll mit hinter dem Rücken verschränkten Armen am Fußende ihres Bettes stand, keuchte sie.

      „Du!“

       Das kalte Lächeln vertiefte sich.

      „Weißt du noch, Eleonore? Bei unserem letzten Treffen hast du mir etwas versprochen. Damals hast du mich angefleht, dich zu verschonen und dir noch ein wenig Zeit auf Erden zu geben; ich gewährte sie dir. Doch nun ist die Zeit gekommen, den Preis für deine Freiheit zu zahlen.“

      Sie umklammerte schützend ihr Neugeborenes.

      „Ich erinnere mich an dich! Du bist der Tod, der mich bereits durch meine Kindheit begleitet hat - du nahmst mir die Mutter, als ich gerade mal 5 Jahre alt war! Darum weiß ich, wie niederträchtig und gnadenlos du bist, aber ich sagte, dass du das Kind nur bekommst, sollte es ein Mädchen sein! Doch wie du siehst, habe ich einem Sohn das Leben geschenkt, also hast du kein Recht auf ihn!“

      Sie zitterte, jedoch mehr vor Zorn als aus Furcht. Der Tod sah sie ungerührt an.

      „Ich habe dies nicht vergessen, Eleonore. Jedoch versprachst du mir ein anderes Opfer, das ich mir selbst erwählen und welches sich meinem Kuss freiwillig hingeben sollte.“

      Eleonore schluckte schwer.

      „Ja, das habe ich. Aber warum belästigst du damit mich? Geh und suche dir dein Opfer, ich werde dann befehlen, dass es sich den Kuss des Todes verpassen lässt und sein Leben in deinen Armen aushaucht.“

      Sie wandte demonstrativ den Blick ab und konzentrierte sich auf ihr Baby, doch er ging nicht fort. Stattdessen trat er näher und flüsterte dicht an ihrem Ohr:

      „Ich habe meine Wahl bereits getroffen, Eleonore. Und genau deshalb bin ich hier.“

      Sie blinzelte irritiert und wandte sich ihm wieder zu, als sie schlagartig begriff und entsetzt aufsprang, ehe seine Lippen die ihren berühren konnten.

      „Nein! Ich meinte nicht mich damit!“

      Aber der Tod erwiderte ruhig:

      „Du hast mir die freie Wahl gelassen und sie fiel auf dich. Also erfülle dein Versprechen.“

      Eleonore schüttelte heftig den Kopf und drückte ihr Kind eng an sich.

      „Ich lasse mich nicht von dir übertölpeln! Niemals werde ich dir mein Leben geben, ich bin noch zu jung, um zu sterben!“

       Sein Blick war eisig.

      „Heißt das, du weigerst dich, deinen eigenen Schwur einzuhalten? Du willst dich tatsächlich mit mir anlegen, Eleonore?“

      Sie sah ihn hoch erhobenen Hauptes an.

      „Ich fürchte dich nicht!“

      Da lachte er auf.

      „Närrin! Also gut, du hast es nicht anders gewollt - von nun an herrscht Krieg zwischen uns!“

      Damit verschwand er in den Schatten und schluchzend sank Eleonore in sich zusammen, wo sie kurz darauf von ihren Dienerinnen gefunden wurde. Behutsam führte man sie zurück ins Bett und nahm ihr das Kind ab, welches lauthals schrie.

      Der junge König war verwirrt und in größter Sorge um seine geliebte Frau. Immer wieder sprach sie in den folgenden Wochen vom Tod, und dass man sie beschützen müsse; außerdem sei der Kronprinz in großer Gefahr. Albert wusste nicht, was er davon halten sollte, doch wie immer gab er nach. Das Kinderzimmer wurde ihren Wünschen entsprechend neben die Gemächer der Königin verlegt und er ließ es zu, dass sie Tag und Nacht über das Baby wachte. Zu ihrem eigenen Schutz ging sie nirgends mehr allein hin und hielt die Ammen und Dienerinnen rund um die Uhr auf Trab.

      Doch das erste Jahr verging, ohne dass irgendetwas geschah. Der kleine Prinz gedieh prächtig und war ein aufgewecktes, wenn auch etwas scheues Kerlchen. Albert wusste, dass die ständige Bemutterung zu der Unsicherheit seines Sohnes führte, und hatte verstärkt das Gefühl, einschreiten und der Königin Einhalt gebieten zu müssen. Doch erst, als der Junge bereits 4 Jahre alt war und ihm seine Mutter noch immer verbot, auch nur einen Fuß allein vor die Tür seines Gemachs zu setzen, erhob der König die Stimme. Die Auseinandersetzung mit ihr war fürchterlich und nur mit größter Mühe blieb er ihr gegenüber standhaft. Letztendlich setzte er sich durch, doch Eleonore rief aufgebracht:

      „Wie du wünschst, überlasse ihn ruhig seinem ungewissen Schicksal! Aber wenn der Tod ihn draußen aufgreift und mit sich nimmt, trage nicht ich die Schuld!“

      Damit rauschte sie zornig davon und mit einem tiefen