K. R. Jaylin

Todestanz


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verzweifelt zurück.

      Mit glänzender Laune verließ Leonard am nächsten Morgen seine Gemächer, um einen Ausritt zu machen. So wohl wie an diesem Tag hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt; ihm war, als könne nichts ihn mehr erschüttern. Fröhlich summte er vor sich hin und dachte an nichts anderes als an Celicia, der er nach anfänglichem Zögern letztendlich ganz offen den Hof gemacht hatte. Und sie schien ganz und gar nicht abgeneigt, was seine Stimmung nur noch mehr hob. Er dachte gerade darüber nach, wie er sie möglichst bald wiedersehen konnte, da trat ein Diener zu ihm.

      „Hoheit, Ihre Majestät, die Königin, wünscht Sie zu sprechen.“

      Leonard nickte ein wenig überrascht und folgte dem Mann durch die langen Gänge. Sein Hochgefühl hatte einen deutlichen Dämpfer bekommen, denn noch nie hatte seine Mutter ihn zu sich gerufen. Dies konnte nichts Gutes bedeuten, da war er sich sicher. Und wie recht er hatte, sollte er sogleich erfahren. Kaum hatte er ihre Räumlichkeiten betreten, als sie auch schon vor ihm stand.

      „Ich wünsche nicht, dass du das Mädchen wiedersiehst.“

      Leonard erstarrte und rang mühsam um Fassung, während ihre dreiste Forderung seine Empörung wachrief.

      „Bei allem Respekt, Mama: ich denke nicht, dass du in dieser Frage etwas zu sagen hast. Mit wem ich mein Leben teilen will, ist ganz allein meine Entscheidung.“

      Sie erwiderte streng:

      „Es geht mir nicht um das Mädchen, mein Sohn. Es geht um den Zeitpunkt. Es wäre politisch sehr unklug, gerade jetzt eine Wahl zu treffen.“

      Hitzig rief er:

      „Ach, mit einem Mal ist es unpassend? Dabei haben du und Vater doch genau das im Sinn gehabt, als ihr mit der Planung für diesen Ball begonnen habt!“

      Eleonore blieb ruhig.

      „Das ist nur zum Teil richtig. Wir wollten, dass du dich umsiehst, dich ein wenig amüsierst und feststellst, welche Mädchen für dich in Frage kommen. Daran, dass du dich tatsächlich für eine der jungen Frauen entscheiden könntest, haben wir nicht im Entferntesten gedacht. Deshalb muss ich dich nun bitten, dich zurückzuhalten.“

      Damit machte sie eine ausladende Geste und er wusste, dass er zu gehen hatte. Doch er blieb stehen und sagte verzweifelt:

      „Mama, ich bitte dich, tu mir das nicht an …!“

      Aber sie wandte sich nur ab und Leonard hatte das Gefühl, an seiner eigenen Wut und Hilflosigkeit zu ersticken. Blindlings stürmte er aus ihrem Gemach und eilte in den Schlosshof, wo bereits sein Hengst auf ihn wartete. Er schwang sich in den Sattel und trieb das Tier zu hohem Tempo an. Besorgt riefen die Diener ihm nach, doch Leonard war alles gleich. Blind vor Tränen und mit einem unerträglichen Gefühl der Verzweiflung in seinem Herzen preschte er durch die Büsche und zwischen den Bäumen hindurch, stundenlang, wie es ihm vorkam, doch war vermutlich nicht einmal eine halbe Stunde seit seinem Aufbruch vergangen, als das Tier plötzlich scheute. Leonard war nicht darauf gefasst; mit einem Schrei stürzte er rücklings zu Boden und blieb keuchend liegen, während der Hengst einen Satz nach vorn machte und in einiger Entfernung stehen blieb.

      Schwer atmend richtete Leonard sich auf und verbarg seine Augen hinter der Hand, als er mit einem Mal Schritte hinter sich vernahm. Abrupt wandte er den Kopf und sein Herz hämmerte schmerzlich, als er in das verschlossene, doch gleichzeitig mitfühlende Gesicht des Todes blickte, welcher wenige Meter hinter ihm an einem Baumstamm lehnte. Ein gequälter Laut drang aus seiner Kehle, und als der Tod eine Hand nach ihm ausstreckte, erhob Leonard sich taumelnd und sank gleich darauf vor dem Mann in die Knie, umklammerte dessen Bein und weinte. Es dauerte einen Moment, dann legten sich die Hände seines vermeintlichen Freundes beruhigend auf seine Schultern. Langsam ließ der Tod sich auf einem Felsen neben dem Baum nieder und zog den Prinzen dabei mit sich, so dass dieser den Kopf schließlich auf seinem Schoß gebettet hatte. Leise sagte der Tod nun:

      „Sie quält dich so sehr, dass es selbst mich schmerzt, mein armer Freund. Darum kam ich zurück, denn ich will dich nicht länger strafen für Zweifel, welche durch fremde Hand in deinem Herzen gesät wurden.“

      Leonard erwiderte erstickt:

      „Ich habe nicht gezweifelt, nie! Ich wollte nur wissen, ob meine Mutter den Verstand verliert oder nicht …! Ich wollte dich nicht kränken, bitte vergib mir!“

      Ein triumphales Lächeln huschte über das schöne Gesicht, aber Leonard bemerkte es nicht. Er war so erleichtert, seinen Freund nicht länger entbehren zu müssen, dass er die Augen zusammenpresste und tapfer versuchte, gegen den Schmerz in seinem Inneren anzukommen. Nun erklang erneut die sanfte Stimme des Todes.

      „Ich vergebe dir, denn ich weiß, dass du mir treu bist. Darum lass uns nicht länger an unseren Zwist denken und lieber dein dringlichstes Problem beseitigen.“

      Verwirrt sah Leonard auf.

      „Ich verstehe nicht …“

      Der Tod sprach auch weiterhin leise, doch sehr bestimmt.

      „Du darfst das Mädchen nicht aufgeben, wenn du leben willst, Leonard. Deine Mutter zwingt dich noch immer in die Knie, dabei bist du wertvoller, als sie es jemals sein wird. Sie braucht dich. Ohne dich ist sie unbedeutend, deshalb umklammert sie dich so fest, dass es dir die Luft abdrückt, will sie dich fernhalten von jenem Wesen, welches dein Herz berührt hat. Die Zeit ist gekommen. Du musst stark sein, stärker als sie. Es wird Zeit, sich endlich einmal gegen sie durchzusetzen.“

      Leonard schluckte schwer und ließ entmutigt den Kopf wieder sinken.

      „Das schaffe ich niemals.“

      Doch mit ungewohnter Schärfe erwiderte der Tod:

      „Wenn du gleich aufgibst, wirst du natürlich scheitern! Sei kein Narr und biete ihr dieses eine Mal die Stirn! Willst du das Mädchen oder nicht?“

      Er hatte ihn hart an den Schultern gepackt und zwang ihn, in seine kalten Augen zu sehen, welche nun wild funkelten. Leonard nickte jämmerlich.

      „Ja …“

       Nun sprang der Tod auf und riss ihn dabei auf die Beine.

      „Ich will es hören, Leonard! Sag es! Sag, dass du das Mädchen wirklich willst!“

      Leonard straffte die Schultern und nahm seinen Mut zusammen.

      „Ja, ich will das Mädchen! Ich möchte sie zur Frau nehmen!“

      Sein Atem ging stoßweise und auch der Tod atmete schwer, als hätten sie miteinander gerungen. Da drückte dieser mit einem Mal den Kopf des jungen Mannes an seine Brust.

      „Dann werden wir sie dir holen. Ich werde dafür sorgen, dass sie dir gehört. Sie soll als deine Braut in den Königspalast ziehen, mein Freund. Tu, was ich dir sage und überlasse den Rest mir, dann wird alles so kommen, wie es soll.“

      Mit abweisender Miene stand Eleonore neben ihrem Gemahl und sah auf das Mädchen nieder, das als königliche Braut in den Hof geführt wurde. Leonard erwartete Celicia lächelnd am Fuße der Treppe und küsste zuvorkommend ihre Hand, als sie ihn erreicht hatte. Er führte sie anschließend hinauf zu seinen Eltern, wo das Mädchen einen untertänigen Knicks machte und Albert ihr wohlwollend zunickte. Als der Blick der jungen Frau jedoch auf Eleonore fiel, zuckte sie kaum merklich zurück. Der König erhob nun die Stimme:

      „Wir begrüßen die junge Braut und heißen sie aufs herzlichste Willkommen!“

      Jubel brach unter der Bevölkerung aus und Leonard strahlte, als er seine Liebste nun in das Schloss hineinführte. Eleonore blieb, solange die Etikette es von ihr verlangte, dann wandte sie sich schleunigst ab und eilte hinauf in ihre Gemächer. Dort angekommen lehnte sie sich langsam gegen die Tür und starrte auf die dunklen Wolken, welche gerade am Himmel heraufzogen.

      „Sie ist wirklich schön, nicht wahr?“

      Sie hob langsam den Blick und erwiderte müde:

      „Was ist schon Schönheit? Sieh mich an, sie vergeht, ehe