K. R. Jaylin

Todestanz


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      „Hoffnung ist etwas für Narren, mein Lieber. Aber es ist gut, wenn du welche hast; das macht es leichter, dich endgültig zu brechen und ewig an mich zu binden.“

      3. Kapitel - Du sollst mir treu sein

      Nach den langen Wintermonaten brach schließlich mit einiger Verspätung der Frühling an und mit der Sonne kehrte auch Frieden in die Palastmauern zurück. Eleonore war es leid, sich stets mit dem Mädchen auseinanderzusetzen, denn all ihre Bemühungen waren offensichtlich vergebens: Celicia blieb, wo sie war und dachte nicht daran, sich einschüchtern zu lassen. Darum entschied die Königin, erst einmal abzuwarten und weiterhin über ihren Sohn zu wachen. Der Kronprinz machte es ihr leicht, ihn unter Kontrolle zu halten, denn er suchte stets ihre Nähe. Dies tat er natürlich, um sie mit seiner Braut zu versöhnen, doch Eleonore war klug genug, sich seine Bemühungen zunutze zu machen. So schlug sie eine neue Taktik ein und hielt Leonard in ihrer Nähe, so oft es ging; sie lud ihn ein, mit ihr spazieren zu gehen und ihr in der Bibliothek Gesellschaft zu leisten. Leonard wiederum dachte, endlich einen Weg gefunden zu haben, seiner Mutter näher zu kommen und stimmte jeder ihrer Aufforderungen zu. Er wollte nicht sehen, dass sie ihn eigentlich nur benutzte, um Celicia weh zu tun.

      Doch genau das erreichte sie damit, denn Celicia fühlte sich einsam und ausgeschlossen. Sie widerstand nur mühsam der Versuchung, sich auf das falsche Spiel der Königin einzulassen, denn im Gegensatz zu Leonard durchschaute sie deren Absichten recht bald. Aber Leonard schien sich in der Nähe seiner Mutter derart wohl und glücklich zu fühlen, dass Celicia beschloss, ihm diese Freude erst einmal zu lassen. Jedoch schritt die Zeit dahin und es trat keine Besserung ein. Verletzt und traurig zog sie sich schließlich immer öfter in die Gärten zurück, um vor den Augen der anderen Menschen sicher zu sein und sich dort ihrem Kummer hinzugeben.

      Und ihre Lage wurde für sie noch unerträglicher, denn sie spürte, dass sie kaum noch allein war. Wo auch immer sie sich aufhielt, schienen die Schatten lebendig zu sein und sie zu beobachten. Sie ahnte, dass der geheimnisvolle Fremde seine Ankündigung in die Tat umsetzte und über sie wachte. Ebenso wurde ihr klar, dass er wohl tatsächlich darauf wartete, dass sie Schwäche zeigte; darum war die Erkenntnis erschreckend für sie, dass sie sich immer häufiger bei dem Gedanken an ihn ertappte. Und nachts, wenn sie einsam in ihrem Bett lag und nicht zur Ruhe kam, dachte sie sehnsüchtig an das wundersame Gefühl der Geborgenheit, welches sie in seinen Armen empfunden hatte.

      Auch in dieser Nacht war es nicht anders, doch war ihr ein besonders grauenhafter Tag vorausgegangen: Leonard hatte ihr mitgeteilt, dass die Hochzeit aufs nächste Jahr verschoben werden müsse, da die Königin sich derzeit nicht besonders wohl fühle und erst ein wenig Ruhe bräuchte.

      Nachdem Celicia diese Neuigkeit gehört hatte, war sie einfach stumm geblieben. Leonard hatte sie deshalb tröstend in den Arm genommen und ihr versichert, wie sehr ihn dies selbst bekümmerte. Daraufhin hatte sie gelächelt und ihn mit den Worten beruhigt, dass sie es akzeptieren würde und es ebenso in Ordnung für sie wäre. Doch nun, wo sie allein in ihrem Gemach war, liefen stumm Tränen ihre Wangen hinunter und schienen kein Ende zu nehmen.

      „Celicia, sei nicht verzweifelt.“

      Sie hob verwirrt den Kopf und erblickte den fremden Mann neben der offenen Balkontür. Sie wischte eiligst ihre Tränen fort, doch es kamen sogleich neue. Leise sagte er:

      „Komm zu mir, dann werde ich dich trösten. “

      Sie schluchzte auf und erhob sich, lief blind vor Tränen auf ihn zu und ließ sich in seine Arme sinken. Er hielt sie und flüsterte:

      „Lass dich einfach fallen, mein Liebes, und deine Tränen werden rasch versiegen.“

      Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Brust und wisperte:

      „Ich will tapfer sein, doch es tut so weh! Warum nur hasst sie mich so sehr, dass sie sogar meinen Liebsten von mir fernhält? Ich habe ihr doch nie etwas getan!“

      Er hob sie in seine Arme und trug sie durch das Zimmer, wo er sie auf ihrem Bett niederlegte und sich zu ihr setzte.

      „Sie ist, wie sie ist, Celicia. Sie braucht keinen Grund, dich zu hassen, denn es reicht, dass du dem Herzen ihres Sohnes näher bist als sie. Sie sieht in dir eine Bedrohung, weiß sie doch, dass du irgendwann ihren Platz als Königin einnehmen wirst; sie kann dich weder in ihr Herz lassen noch dulden. Du wirst darum kämpfen müssen, geliebt und anerkannt zu werden.“

      Er streichelte liebevoll ihren Arm und sie hatte das Gefühl, ihm nicht nahe genug sein zu können. So schob sie sich dichter an ihn heran und bettete ihren Kopf in seinem Schoß. Diese Geste, welche durch Leonard schon so vertraut war, erschien ihm nun als süße Qual und er atmete tief ein. Celicia selbst bemerkte dies nicht, fühlte sie sich doch in seiner Nähe zu sehr von einem merkwürdigen Gefühl der Erleichterung ergriffen. Nach einer Weile kamen endlich keine Tränen mehr und so fragte sie schließlich mit laut klopfendem Herzen:

      „Wer bist du wirklich? Ich sah, wie selbst die Schatten mir folgten, wann immer ich allein war. Und das zeigt mir, dass du kein menschliches Wesen sein kannst.“

      Er fuhr behutsam mit seinen Händen über ihren Rücken und ließ sich von all den widersprüchlichen Gefühlen durchfluten, welche ihre Nähe in ihm auslöste. Nachdenklich sah er auf sie nieder, während er sagte:

      „Ich bin der Tod, doch musst du mich nicht fürchten; ich bin nicht hier, um dein Leben zu beenden.“

      Sie erschauerte bei seiner Antwort.

      „Warum bist du dann hier? Ich dachte, dein Auftrag wäre es, die Leben der dir Geweihten zu holen. Aus welchem Grund solltest du also versuchen, ein menschliches Herz vor Kummer zu bewahren?“

      Er musste über ihren Scharfsinn lächeln. Weder Eleonore noch Leonard war es je in den Sinn gekommen, seine Handlungen zu hinterfragen. Die Faszination, die sie auf ihn ausübte, nahm durch diese Erkenntnis nur noch weiter zu und er erwiderte:

      „Es gibt jene Menschen, die sich nicht um das Leben scheren. Sie leben und sterben, ohne je für irgendetwas Reue zu empfinden. Dies sind meine Sklaven, die ich zu mir hole, sobald es mir möglich ist. Sie sind dazu verdammt, auf ewig die Stille des Jenseits zu erdulden. Doch gibt es ebenso Menschen, die sich sehr um das Wohlergehen anderer sorgen und sich für das Glück der anderen aufopfern; dies sind diejenigen, denen ich langes Leben gewähre. Selbst wenn ihre Zeit sich dem Ende zuneigt, lasse ich sie oft noch einmal ziehen. Und manchmal, wenn eine Seele besonders dringend Schutz braucht, Schutz sowohl vor dieser als auch vor jener Welt, komme ich hierher und wache über sie, bis sie sich selbst vor Schlimmerem bewahren kann.“

      Sie lauschte ihm gebannt und flüsterte:

      „Du willst demnach meine Seele schützen?“

      Er antwortete ihr nicht, doch berührten seine Hände nun langsam ihr Gesicht und sie bekam eine Gänsehaut. Behutsam, als wäre sie zerbrechlich, ließ er seine schlanken Finger ihre Konturen entlang gleiten und als sie aufsah, begegnete sie seinem undurchschaubaren Blick. Ihr Herzschlag beschleunigte sich erneut, denn mit einem Mal war es, als gäbe es nichts mehr um sie herum; sie sah nur noch ihn, erschauerte unter seiner Sanftheit und ließ den Kopf willenlos in seine Armbeuge sinken, als er sie näher zog. Mit einem kurzen Zögern beugte er sich zu ihr hinab und Celicia spürte, wie ihre Zurückhaltung auf eine Art und Weise dahin schmolz, die sie nicht dulden konnte. Darum richtete sie sich abrupt auf, als seine Lippen nur noch wenige Zentimeter von ihren entfernt waren, und wandte sich am ganzen Körper bebend von ihm ab.

      „Ich bitte dich, geh und lass mich allein. Ich bin keine dieser Seelen, die du beschützen musst. Ich brauche niemanden.“

      Sie rückte von ihm ab und er runzelte leicht verärgert die Stirn.

      „Du machst dir selbst etwas vor, Celicia. Jeder Mensch braucht jemanden an seiner Seite, um sich nicht einsam und verlassen zu fühlen. Ich kann dein Sehnen spüren, darum versuche nicht, es vor mir zu verbergen.“

      Er beugte sich zu ihr und strich mit seinen Händen über das von ihm abgewandte Gesicht. Celicia erschauerte erneut