K. R. Jaylin

Todestanz


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für dich. Und nachdem dies genau das ist, was du dir gewünscht hast, wirst du mich wohl von nun an nicht mehr brauchen.“

      Mit diesen Worten reichte er dem verblüfften Prinzen das Pergament zurück und wandte sich dann ab. Leonards Herz raste und voller Furcht und Entsetzen stürmte er hinter seinem Vertrauten her.

      „Nicht, warte doch! Bitte sag nicht, dass du mich jetzt verlassen wirst!“

      Er ergriff die kalte Hand und sank in die Knie. Der Tod war stehen geblieben, sah den Prinzen aber nicht an.

      „Geh, Leonard. Es wird Zeit für dich, allein mit der Welt zurechtzukommen. Ich werde dir in Zukunft nicht mehr helfen können.“

      Aber der Prinz schüttelte heftig den Kopf.

      „Nein, lass mich nicht allein! Ich brauche dich! Du bist der Einzige, dem ich vertrauen kann!“

      Der unergründliche Blick des Todes senkte sich bei diesen Worten auf ihn, so dass er fröstelte.

      „Tatsächlich? Wirst du nicht vielmehr von nun an deine Liebste zu Rate ziehen, wenn dich etwas bedrückt? Wirst du dich nicht ihr öffnen, ihr vertrauen, so wie du es bisher mir gegenüber getan hast?“

      Leonard umklammerte seine Hand noch fester.

      „Doch, wie sollte ich auch nicht, aber …!“

      Angewidert entriss der Tod ihm seine Hand.

      „Dann ist alles gesagt. Ich werde diese Aufgabe mit niemandem teilen, denn den Tod kann man nicht in den Hintergrund verdrängen. Ich werde niemals nur die zweite Wahl sein, Leonard, auch nicht für dich. Du wirst dich entscheiden müssen: entweder bin ich es, dem du dein Leben anvertraust oder es ist jemand anderes. Alles oder nichts, mein Lieber. Ich gebe mich nicht mit Halbherzigkeit zufrieden.“

      Daraufhin herrschte tiefes Schweigen und Leonard kniete noch immer benommen am Boden, versuchte zu begreifen, was man von ihm verlangte, doch es gelang ihm nicht. So rief er verzweifelt:

      „Ich verstehe nicht, was du von mir erwartest, doch eines weiß ich: ich möchte weder dich noch Celicia verlieren! Oh bitte, sag, dass es möglich ist, euch beide zu halten! Sag, dass du mich nicht zwingen wirst, einen von euch aufzugeben! Bitte …!“

      Er schluchzte und sank nach vorn, vergrub sein Gesicht im warmen Gras und zitterte am ganzen Körper. Langsam drehte der Tod sich nun wieder zu ihm um.

      „Ich werde nichts erzwingen, Leonard, denn es geht hier nicht um solch banale, menschliche Dinge wie Macht oder gar gekränkte Eitelkeit - es geht um Treue.“

      Verwirrt hob Leonard den Blick.

      „Treue?“

       Mit einem unheilvollen Funkeln in den Augen kam der Tod nun auf ihn zu.

      „Ganz recht. Ich will dich nicht von deiner Liebsten fernhalten, doch bin ich ebenso wenig bereit, dein Vertrauen und deine Ergebenheit mit ihr zu teilen. Wenn sie dir wichtiger sein sollte, als ich es bin, dann werde ich nicht bei dir bleiben können.“

      Leonard schluckte schwer und flüsterte:

      „Welchen Preis verlangst du von mir? Du sagst, du willst mich nicht von ihr fernhalten und dies macht mich froh. Doch was forderst du als Zeichen meiner Aufrichtigkeit? Wie kann ich dir beweisen, dass ich dich nicht als meinen Freund verlieren will?“

      Jetzt trat der Tod direkt vor ihn und legte eine Hand unter sein Kinn, riss den Kopf des Prinzen schmerzhaft nach oben und erwiderte mit gebieterischer Stimme:

      „Du sollst mir treu sein, Leonard. Ich will es sein, den du am meisten brauchst; deine Ängste sollen dich zu mir führen, nicht zu ihr, und nach mir sollst du rufen, wenn du Trost suchst. Du darfst sie lieben, sie auf Händen tragen und ihre Zärtlichkeit genießen, sie ebenso erwidern, doch darfst du sie mir nicht vorziehen. Wenn du Sorgen hast, sollst du zu mir kommen. Ich will, dass du nur mir dein Vertrauen schenkst, damit ich dich weiter beschützen und durch das Dunkel führen kann. Lässt du zu, dass sie zwischen uns steht, wirst du mich verlieren.“

      Leonard ergriff erneut die Hände des Todes.

      „Sag, was ich tun muss! Ich werde alles tun, was du willst, nur verlass mich nicht!“

      Der Tod senkte die Stimme und klang nun wieder sanft.

      „Schwöre es mir, Leonard. Schwöre, dass du ihr nichts von uns verraten wirst, denn sie würde es nicht verstehen. Ich habe dir schon einmal gesagt, dass niemand dich in meiner Nähe wissen will. Unsere Verbundenheit muss ein Geheimnis bleiben, denn sonst würde alle Welt versuchen, dich von mir zu trennen. Und du willst doch nicht, dass dies geschieht, nicht wahr?“

      Leonard schüttelte den Kopf.

      „Nie!“

       Der Tod streckte ihm nun die linke Hand mit dem Ring entgegen.

      „Du hast mich einst gefragt, was dieser Ring zu bedeuten hat, doch warst du nur ein Knabe und damit nicht bereit für eine Antwort. Jetzt werde ich es dir verraten: er ist meine Verbundenheit mit dem menschlichen Leben. Ein jeder, der in meinen Dienst tritt, leistet mir über diesen Ring einen Schwur, Leonard. All meine Todesengel sind diesen Weg gegangen, denn nur so kann ich ihren Seelen die Freiheit geben, gemeinsam mit mir das Jenseits zu verlassen und auf dieser Welt zu wandeln. Du sollst mir nicht dienen, aber mir dennoch deine Treue schwören, damit ich dir weiterhin vertrauen kann.“

      Mit wild pochendem Herzen starrte Leonard auf den dunklen Ring an der schwarz behandschuhten Hand.

      „Und was, wenn ich den Schwur breche? Wenn ich dich unwillentlich verrate?“

      Ein berechnendes Lächeln trat nun auf das schöne Gesicht.

      „Dann gehört mir dein Leben und du wirst Teil meiner Welt. Auf ewig.“

      Wo andere erschrocken zurückgewichen wären, verspürte Leonard nur Erleichterung. Er fürchtete sich weder davor, diese Welt für immer zu verlassen noch sich in die Hände des Todes zu begeben; zu wissen, dass er irgendwann dem Tod, seinem engsten Vertrauten und geliebten Freund, ins Jenseits würde folgen können, hatte für ihn etwas Tröstliches. Dem Tod war dies durchaus bewusst und so richtete er sich würdevoll zu voller Größe auf, ehe er auf den jungen Prinzen hinab sah.

      „Schwöre mir, Leonard. Ergreife meine Hand.“

      Der Kronprinz zögerte nur kurz, dann kam er der Aufforderung nach und sah erwartungsvoll zum Tod auf. Dieser sprach:

      „Du wirst zu niemandem über die Verbundenheit sprechen, welche zwischen uns besteht und kein Wort darüber verlieren, dass du mir je begegnet bist.“

      Leonard nickte.

      „Ja, das schwöre ich.“

      Der Tod fuhr fort:

      „Du wirst mir treu sein und dich an mich wenden, wann immer etwas dein Herz bedrückt und dich keinem anderen anvertrauen, solange ich es dir nicht erlaube.“

      Wieder nickte der Prinz bereitwillig.

      „Das schwöre ich.“

      Jetzt war die Stimme des Todes sehr leise.

      „Und du wirst nicht vergessen, dass du diesen Schwur geleistet hast und wem du dadurch verpflichtet bist. Du wirst nicht zulassen, dass jemand zwischen uns tritt, soweit dies in deiner Macht liegt. Wann immer du den Verdacht hast, jemand könnte unser Geheimnis entdeckt haben, wirst du mich davon in Kenntnis setzen, egal, um wen es sich dabei auch handeln mag. Du wirst dich dabei nicht von Gefühlen beeinflussen lassen.“

      Verwirrt und sichtlich beunruhigt starrte Leonard ihn an, bis der Tod fragend eine Augenbraue hob.

      „Schwörst du es?“

      Leonard atmete tief durch, dann senkte er den Blick und flüsterte:

      „Ich schwöre es.“

      Mit besorgter Miene saß Celicia am Bett ihres Verlobten und betete. Es war nun bereits eine Woche her, dass Leonard ihr im Garten von ihrer bevorstehenden