K. R. Jaylin

Todestanz


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kamst du seit Wochen nicht mehr her? Was hat dich von mir ferngehalten? Wusstest du nicht, dass Celicia…?“

      Der Tod unterbrach ihn ruhig.

      „Natürlich habe ich es gewusst, Leonard.“

      Zornig brüllte dieser:

      „Dann war es dir egal, wie sehr ich mich gesorgt und gequält habe?!“

      Der Tod schwieg und der Prinz erbleichte, ehe er an die Tür zurückwich.

      „Es war dir egal …! Wolltest du etwa, dass ich leide? Was für ein sadistisches Spiel treibst du mit mir?! Dir liegt nichts an mir, nicht wahr? Ich bin für dich nichts weiter als eine Figur, die du auf deinem Feldzug gegen die Lebenden aus dem Weg zu räumen gedenkst! Gott, und ich dachte …! Was bin ich doch für ein Narr!“

      Damit stürzte er aus dem Zimmer und lief blindlings den Gang hinunter. Er strauchelte auf der Treppe, ignorierte die empörten und erschrockenen Blicke der Diener und Hofdamen und stieß kurz darauf die Seitentür bei der Küche auf, um unbemerkt nach draußen zu gelangen. Dort prallte er jedoch zurück, als er direkt in die kalten Augen des Todes blickte. Ein Keuchen entwich ihm, als dieser ihn grob am Nacken packte und zurück in den Gang schob, aus dem er gerade gekommen war. Er wehrte sich verzweifelt gegen den schmerzhaften Griff, kam aber nicht los und musste sich wehrlos in die Bibliothek führen lassen, in der die Vorhänge noch zugezogen waren. Dort rammte der Tod ihn hart gegen eines der Regale und sagte kalt:

      „Ich denke nicht, dass du so mit mir reden solltest, Leonard!“

      Seine Hand schloss sich noch fester um die Nackenmuskulatur des Prinzen und dieser stieß einen gequälten Laut aus. Langsam drückte der Tod ihn nach unten in die Knie und fuhr fort:

      „Du weißt nichts über mich und mein Dasein, begreifst nicht, dass es Dinge gibt, die jenseits deiner Vorstellungskraft liegen! Ich habe es nicht nötig, mich dir gegenüber zu rechtfertigen! Was ich tue, hat dich nicht zu interessieren, hast du verstanden?“

      Leonard nickte wimmernd und ungerührt beugte der Tod sich über ihn.

      „Ich muss dich warnen, mein Freund: erhebe nie wieder die Stimme gegen mich, wenn du nicht einmal weißt, wovon du eigentlich redest. Denn sonst muss ich hart zu dir sein, obwohl ich dies nicht will. Und du möchtest doch auch nicht, dass ich dir Qualen bereite, oder?“

      Leonard schüttelte benommen vor Schmerz den Kopf und der Tod lockerte seinen Griff ein wenig, woraufhin der Prinz vornüber fiel und von den Armen des Todes aufgefangen wurde. Leise sprach dieser weiter:

      „Ich habe dich vernachlässigt, mein armer Leonard. Das bedaure ich sehr. Ich hätte wissen müssen, dass es dich verzweifeln lässt, in solch einer Situation von mir allein gelassen zu werden. Doch manchmal kann ich nicht so für dich da sein, wie ich es gern würde. Das musst du verstehen. Dies bedeutet jedoch in keinem Fall, dass mich dein Schicksal nicht länger kümmert; ich möchte nie wieder hören, wie du mir so etwas unterstellst. Ich begleite dich, seit du 6 Jahre alt warst, und bin in all den Jahren nie von deiner Seite gewichen. Somit müsste dir klar sein, dass mir sehr wohl etwas an dir liegt. Warum sonst wäre ich noch immer hier?“

      Leonard gab einen schwachen Laut von sich und der Tod sank in die Knie, um ihn besser an sich ziehen zu können.

      „Ich bedaure außerdem, dass ich so streng mit dir sein musste, aber du kannst mich nicht derart beleidigen, ohne dass dies Konsequenzen mit sich bringt. Das verstehst du doch, nicht wahr?“

       Der Prinz nickte jämmerlich und der Tod streichelte besänftigend seinen Rücken.

      „Du bist mir sehr nah, Leonard; näher, als mir jemals ein Sterblicher gewesen ist. Darum vergiss nie, dass ich mich stets um dich sorge, selbst in Zeiten, in denen ich nicht bei dir sein kann. Vergessen werde ich dich dennoch nie.“

      Nun meinte Leonard mit erstickter Stimme:

      „Vergib mir, was ich gesagt habe! Aber ich war so verzweifelt wegen ihr …! Ich möchte wissen, was sie so erschreckt hat, dass sie sich vor mir zurückzieht! Und als ich deine Todesengel im Ballsaal erblickte, war ich sicher, dass auch du dort gewesen sein musst - und damit müsstest du wissen, was Celicia widerfahren ist!“

      Beruhigend fuhr der Tod mit einer Hand über den schwarzen Haarschopf seines Schützlings.

      „Alles, was ich sagen kann, ist, dass sie tanzte und sich amüsierte, ehe sie zusammenbrach. Mehr weiß auch ich nicht, mein Lieber. Aber sei unbesorgt, deine Liebste wird sich mit Sicherheit schon bald wieder beruhigen.“

      Hoffnungsvoll hob Leonard den Blick.

      „Wirklich? Wie kannst du dir da sicher sein?“

      Der Tod lächelte sanft.

      „Weil sie eine Kämpferin ist. Sie lässt sich nicht so einfach bezwingen; was auch immer ihr so zugesetzt hat, sie wird es schnell überwunden haben.“

      Leonard warf sich in seine Arme und umklammerte ihn erleichtert.

      „Ich bin so froh, dies von dir zu hören!“

      Der Tod drückte seinen Kopf fürsorglich an seine Schulter.

      „Von nun an bleibe ich dir wieder nah, Leonard. Ich werde dich nicht noch einmal so lang allein lassen, denn dieser Zwischenfall hat mich daran erinnert, wie sehr du mich in deiner Nähe brauchst.“

      Der Prinz nickte erschöpft; er fühlte sich mit einem Mal kraftlos und leicht schwindelig.

      „Ja, das tue ich. Du bist der Einzige, der mich versteht und mich niemals zurückweist. Wann immer du unerreichbar für mich bist, kann ich mein Leben kaum noch ertragen.“

      Leise erwiderte der Tod:

      „Die Welt würde dich zerstören, mein Freund, wenn ich dich nicht führen würde und deshalb weiche ich auch nicht von deiner Seite. Ich beschütze dich vor der kalten Wirklichkeit, bis der Tag gekommen ist, an dem ich dich endgültig von ihr erlöse. Doch für den Moment ist es genug, wenn du deinen Kummer in meinen Armen vergisst und dich von mir trösten lässt.“

      Er spürte gleich darauf, wie Leonards Körper schwer wurde, und hob leicht die linke Hand, woraufhin zwei Todesengel erschienen und den ohnmächtigen Prinzen fortbrachten. Nachdenklich sah der Tod ihnen nach und schritt dann ans Fenster. Er schob die Vorhänge ein wenig auseinander und konnte beobachten, wie ein Diener der Königin auf Celicia zukam. Ein höhnisches Lächeln trat auf sein Gesicht und er wandte sich langsam ab.

      „Wurde auch Zeit, dass du endlich handelst, Eleonore. Ich habe schon darauf gewartet.“

      Mit laut klopfendem Herzen ließ sich Celicia nur wenige Augenblicke später in die Gemächer der Königin führen, die sie zu sich gerufen hatte. Man bat sie, im Salon zu warten und unruhig lief das Mädchen dort auf und ab, bis schließlich eine Tür aufging und Eleonore eintrat. Sie machte eine ausladende Geste in Richtung der Dienerschaft.

      „Ich möchte mit der Prinzessin allein sein.“

      Celicias Eingeweide schienen sich bei dieser Anordnung zu verkrampfen, während die Diener und Hofdamen untertänig nickten und schweigend das Zimmer verließen. Als niemand außer den beiden Frauen mehr im Zimmer war, trat Eleonore ans Fenster. Ihre Stimme war eisig.

      „Kommen wir gleich zur Sache. Du weißt, dass ich dich hier nicht haben will, wenn auch nicht deshalb, weil ich dich nicht leiden kann; ich kenne dich zu wenig, als dass ich dich nicht mögen würde. Allerdings habe ich auch keinerlei Veranlassung, dir näher zu kommen.“

      Celicia schluckte schwer.

      „Ich verstehe, Majestät.“

      Eleonore fuhr ihr sogleich über den Mund.

      „Ich bin noch nicht fertig, also unterbrich mich gefälligst nicht.“

      Celicia errötete leicht und starrte auf den Saum ihres Kleides.

      „Verzeihung, Majestät.“

      Die Königin