K. R. Jaylin

Todestanz


Скачать книгу

ist ein sehr sensibler und leider Gottes auch etwas hilfloser Junge. Er ist leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen und du wirst ihm deshalb in keiner Weise gut tun.“

      Celicia biss sich auf die Lippen, schwieg aber. Ihre Kehle war wie zugeschnürt aufgrund von Eleonores unerhörten Behauptungen, doch sie zwang sich zur Ruhe. Die nächsten Worte der Königin ließen sie allerdings erstarren.

      „Ich habe dich nun hierher befohlen, weil ich erfahren möchte, welch unheilvolle Bindung du an den Tod hast.“

      Celicia sah sie wie vom Donner gerührt an, ihr Herzschlag beschleunigte sich und sichtlich erschrocken flüsterte sie:

      „Ich verstehe nicht, was Sie meinen!“

      Nun drehte Eleonore sich zu ihr um und blanker Hass war ihr ins Gesicht geschrieben, so dass Celicia unbewusst zurückwich. Eleonores Stimme zitterte vor Abscheu.

      „Ich habe es gesehen, euren abstoßenden Balztanz in jener Nacht! Kaum dass Leonard den Saal verlassen hatte, hast du dich dieser bösartigen Kreatur an den Hals geworfen! Wie konntest du dich nur erdreisten, danach die Kranke zu spielen und so zu tun, als wäre dir Leid widerfahren, wo du dich doch bereitwillig seiner Umarmung hingegeben hast!?“

      Celicia senkte den Blick, denn sie konnte nicht länger in Eleonores angewidertes Gesicht schauen. Sie begriff nicht, was vor sich ging - hatte der Tod nicht behauptet, niemand würde ihn sehen können? Doch woher wusste die Königin dann so genau, wer sich ihr auf dem Ball derart unverfroren genähert hatte, dass es selbst ihr bei der Erinnerung daran die Schamesröte ins Gesicht trieb? Celicia schluckte schwer und entgegnete tapfer:

      „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, Majestät. Ich habe mich niemandem an den Hals geworfen und lasse mir nicht vorwerfen, vorsätzlich etwas Unanständiges getan zu haben. Es ist wahr, ich habe mit jemandem getanzt, nachdem Leonard fortgegangen war, doch habe ich nie …!“

      Eleonore trat nun auf sie zu und ihre finstere Miene ließ das Mädchen erneut zurückweichen. Ihre Stimme war nur noch ein leises Zischen.

      „Ich weiß, was vor sich geht, du stehst mit ihm im Bunde! Er benutzt dich, um mir den Sohn zu entreißen, oh ja, ich durchschaue dich und ihn und alles, was ihr plant! Aber merke dir eines, du kleines Luder: ich werde niemals zulassen, dass der Tod mir Leonard wegnimmt! Und dir wird es ebenso wenig gelingen! Jetzt scher dich fort!“

      Augenblicklich drehte Celicia sich um und stürzte mit tränenverschleiertem Blick aus dem Zimmer. Eleonore starrte ihr aufgebracht hinterher und wandte sich dann um, weil ihre Beine zitterten und sie sich setzen wollte. Doch da erklang die leise Stimme hinter ihr.

      „Bravo, Eleonore. Du hast ein unschuldiges Kind in Angst und Schrecken versetzt; ich hätte es selbst wohl nicht besser machen können.“

      Sie schloss kurz die Augen, um Ruhe zu bewahren, dann drehte sie sich mit stolz emporgerecktem Kinn um. Der Tod stand neben der Tür, welche hinter Celicia ins Schloss gefallen war und musterte die Königin sichtlich amüsiert. Eleonore fuhr ihn an:

      „Was willst du hier? Verschwinde gefälligst! Dein Anblick ekelt mich an!“

      Stolz schritt sie nach diesen Worten auf ihr Schlafzimmer zu, doch der Tod versperrte ihr den Weg. Er tauchte so plötzlich vor ihr auf, dass sie erschrocken zurückwich. Sein Lächeln war unheilvoll und die Stimme spöttisch.

      „Was ist denn, Eleonore? Warum stört es dich so, dass ich die junge Prinzessin zum Tanze verführt habe? Letztendlich kann es dir doch gleich sein, was ich mit ihr im Sinn habe; wenn ich sie von hier fortbringen wollte, wäre dir dies doch nur Recht. Wieso also heuchelst du Empörung, wo du selbst doch schon in meinen Armen gelegen hast?“

      Sie erstarrte und öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber er kam ihr zuvor.

      „Natürlich, es ist diese menschliche Regung, die dich erfüllt, nicht wahr? Sie zwingt dich, das Mädchen dafür zu hassen, dass sie mich anlocken konnte, dass ich in ihr dieselbe Sehnsucht und Leidenschaft erweckt habe, welche seit jeher auch in dir schlummert und noch nie völlig erwacht ist.“

      Er war dicht vor sie getreten und sie wollte sich von ihm abwenden, aber er legte einen Arm um ihre Hüften und zog sie ruckartig an sich, ehe sie reagieren konnte. Widerwillig sah sie ihn an und er flüsterte:

      „Die Eifersucht ist es, was die Menschen so zerfrisst und dein Leben derzeit vergiftet. Du willst mich und willst mich nicht, du liebst mich und bist gleichzeitig voller Hass auf mich. Du möchtest, dass ich endlich aus deinem Leben verschwinde, und sehnst dich dennoch nach meiner Umarmung. Du willst mich verfluchen und rufst mich doch immer wieder zurück.“

      Eleonore atmete schwer.

      „Das ist alles Unsinn, ich will dich nicht, ich …!“

      Sie brach ab, weil seine Hände an ihrem Rücken entlang glitten und ihr eine Gänsehaut bescherten. Er erwiderte ruhig:

      „Doch, du willst mich, nein, mehr noch, du brauchst mich. Deshalb kannst du nicht ertragen, dass ich dem Mädchen nahe war. Sie ist ein wenig wie du, Eleonore. Sie versucht alles, um mir zu widerstehen. Aber letztendlich ist sie nicht so stark wie du, weil sie sich vor sich selbst fürchtet. Du dagegen warst schon immer stolz und herrisch, darum fandest du auch den Mut, dich mir zu widersetzen. Doch was hat es dir letztendlich gebracht? Du stehst am Abgrund, versuchst verzweifelt, dich an deinen Lieben festzuklammern, aber du wirst fallen und du weißt es. Es liegt an dir, ob du dich von mir auffangen lässt oder nicht.“

      Verzweifelt rief sie:

      „Hör auf, lass mich! Ich bin nicht schwach …!“

      Aber er zog ihre rechte Hand an seine Lippen und meinte:

      „Doch, das bist du und je näher du mir kommst, desto schwächer wirst du. In meinen Armen verlierst du dich selbst und genau das ist es, was du willst: frei sein von dir und deinem Leben. Darum komm, Eleonore, gib dich endlich deiner Sehnsucht hin und lass dich von mir trösten. Lass es endlich geschehen.“

      Er legte den anderen Arm fester um sie und strich sanft über ihre Brüste, welche sich unter ihrem Mieder abzeichneten. Sie schüttelte den Kopf und riss ihre Hand aus seiner, schob dann seine Arme von sich und taumelte nach vorn.

      „Nein, nicht, ich will nicht, dass du …! Geh doch zu ihr, sie ist es doch, die du wirklich willst! Ich halte dich nicht auf!“

      Langsam kam der Tod zu ihr, hob sie dann in seine Arme, weil Eleonore der Ohnmacht nahe war, und trug sie behutsam hinüber in ihr Schlafzimmer. Dort legte er sie auf dem Bett ab und setzte sich neben sie. Zärtlich streichelte er ihre Wange und sie erschauerte, während sie ihn mit großen Augen ansah. Er flüsterte:

      „Du hast recht, stolze Königin: ich will das Mädchen und ich werde es auch bekommen, doch bedeutet dies nicht, dass ich dich nicht will. Du solltest dich nicht selbst belügen.“

      Gemächlich beugte er sich über sie und sie schluckte schwer.

      „Was hast du vor? Bitte, ich will noch nicht sterben!“

      Er lächelte teuflisch, während sich seine Hand unter ihr Mieder schob und ihr ein Keuchen entwich.

      „Sei ganz unbesorgt, Eleonore, ich werde dich nicht küssen. Ich will nur dafür sorgen, dass du dich endlich einmal lebendig fühlst …“

      Unglücklich stand Celicia am Abend an der Brüstung ihres Balkons und starrte zum hellen Mond hinauf. Sie war noch immer geschockt über die Tatsache, dass die Königin den Tod erkannt und damit auch seine unheilvollen Berührungen mit angesehen hatte. Celicia fühlte sich gedemütigt und zutiefst beschämt und quälte sich mit der Frage, ob Eleonore es womöglich Leonard erzählen würde. Dieser Gedanke war ihr unerträglich, doch wusste sie ganz genau, dass sie selbst es ihm niemals sagen könnte. Wie sollte sie ihm auch erklären, dass der Tod höchstpersönlich ihr ganz offensichtlich nachstellte? Das würde er ihr niemals glauben können und am Ende womöglich noch an ihrem Verstand zweifeln. In manchen Momenten tat sie dies ja sogar selbst. Verzweifelt vergrub sie ihr Gesicht in den Armen.

      „Oh Gott, was ist