K. R. Jaylin

Todestanz


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Gatten hinterher sah. Der Tod gab den Todesengeln ein Zeichen, und während ein Teil von ihnen am Eingang Posten bezog, schirmten die anderen den Tod und sein Opfer vor der restlichen Menge ab. Nun hatte er das Mädchen erreicht und ergriff ihre Hand, um sie zu sich umzudrehen. Ungläubig starrte sie ihn an und er lächelte kühl.

      „Verzeihen Sie mir, dass ich nicht die Etikette wahre, Hoheit.“

      Sie starrte ihn mit einer Mischung aus Empörung und Furcht an.

      „Was soll das …?“

      Mit einem Ruck zog er sie unsanft an sich.

      „Ich denke, der nächste Tanz gehört mir.“

      Er ließ ihr keine Zeit für eine Erwiderung, sondern führte sie sogleich über die Tanzfläche. Celicia wusste nicht, wie ihr geschah, und wisperte ängstlich:

      „Bitte, man sieht auf uns …!“

      Doch er erwiderte ruhig:

      „Sei unbesorgt, niemand achtet auf uns, Celicia. Für alle Welt bin ich nur ein Schatten; niemand, der uns ansieht, wird sich noch an mich erinnern, sobald er sich abgewandt hat.“

      Zunehmend willenlos ließ sie sich von ihm führen und ihr Herz raste dabei wie verrückt, weil er sie ungehörig eng an seinen Körper gedrückt hielt. Doch sie war unfähig, sich gegen ihn zu wehren, denn wie immer hatte er eine fast schon berauschende Wirkung auf sie; die Welt um sie herum schien nicht länger zu existieren und seine Nähe ließ sie erbeben. Da meinte er mit einem Mal leise:

      „Dies ist es also, was dein Herz begehrt? Es sind diese Menschen, welche deinen Lebensweg begleiten sollen? Sieh gut hin, was du gewählt hast, Celicia!“

      Er packte grob ihr Kinn und drehte es der Menge zu, die flüsterte und kicherte, sie mit den Blicken verfolgte und mit den Fingern auf die junge Prinzessin zeigte. Celicia keuchte und verbarg ihr Gesicht an seiner Brust.

      „Nein, bitte nicht!“

      Er wirbelte sie von sich, nur um sie wieder hart an sich zu ziehen.

      „Sie werden sich an jedem Leid, jeder Träne und jeder Schwäche ergötzen, welche sie mit ihren neugierigen Fratzen erhaschen können. Es wird nichts geben, was vor den Klatschmäulern dieser Welt verborgen bleibt. Dein Leben wird ein offenes Buch für sie sein, Prinzessin. Und am heutigen Tage hast du dein Schicksal selbst besiegelt!“

      Er riss ihre Hand empor und ließ sie wie betäubt auf ihren eigenen Ehering starren. Verzweifelt warf sie sich um seinen Hals und stieß hervor:

      „Nein, bitte, zeig mir dies nicht! Ich will es nicht sehen! Ich kann es nicht ertragen, es erschreckt mich …!“

      Da ließ der Tod sie in seine Armbeuge sinken und beugte sich tief über sie, bis ihre Lippen nur noch wenige Zentimeter von seinen entfernt waren.

      „Es bleibt dir nur noch ein Ausweg, um diesem Unheil zu entgehen: bleib bei mir! Es ist deine letzte Chance; ergreif sie und flieh mit mir! In meinen Armen wird dich niemand finden, nur ich kann dich beschützen und in die Freiheit führen! Wählst du das Leben in dieser Welt, wird es dich zerstören; wählst du mich, wirst du das Gefühl grenzenloser Freiheit erfahren! Aber wähle mit Bedacht, Celicia, und tue nichts Unüberlegtes, sonst könntest du es am Ende bereuen. Ich werde nicht ewig auf dich warten.“

      Damit zog er sie noch näher und verharrte unmittelbar vor ihren Lippen, so dass sie seinen Atem spüren konnte und ihre Haut, die seine unmerklich berührte. Sie schloss sehnsüchtig die Augen und er ließ seine Lippen über ihre wandern, ohne sie wirklich zu küssen, leicht wie ein Windhauch und doch hatte es auf das Mädchen die Wirkung eines leidenschaftlichen Kusses. Celicia erschauerte und er spürte, wie die Lust in ihr erwachte. Mit einem zufriedenen Lächeln küsste er nun ihren Hals statt ihrer Lippen und ihr entwich ein leises Stöhnen. Sein Hochgefühl verstärkte sich nur noch mehr, weil er genau wusste, dass es sehr wohl jemanden in diesem Raum gab, der alles, was zwischen ihnen geschah, verfolgen konnte. Nachdem er sich schließlich von dem Mädchen gelöst und sie aus seiner Umarmung freigegeben hatte, sank sie ohnmächtig zu Boden und alle Welt stürzte besorgt auf die junge Braut zu. Würdevoll und höchstbefriedigt schritt er derweil zielstrebig durch den Saal und warf einen letzten, höhnischen Blick auf die Königin, die ihn aus zornfunkelnden Augen anstarrte, ehe er mit einer verächtlichen Verbeugung verschwand.

      Die junge Prinzessin blieb die ganze Nacht über bewusstlos. Leonard, der an ihrem Bett gewacht hatte, richtete sich abrupt auf, als sie sich schließlich am frühen Morgen rührte.

      „Mein Engel, wie geht es dir?“

      Verwirrt blinzelte sie und sah ihn an.

      „Was ist passiert? Wo bin ich …?“

      Leonard ergriff ihre Hand und zog sie erleichtert an seine Lippen.

      „Man hat dich in unsere gemeinsamen Gemächer gebracht, nachdem du gestern Abend auf dem Ball ohnmächtig geworden bist.“

      Celicia brauchte einen Moment, um sich zu erinnern, doch dann zuckte sie unmerklich zurück; der Tod war auf dem Ball erschienen und hatte sie durch seine Worte verunsichert, nur um sie dann zu becircen. Sie schämte sich bei dem Gedanken daran und schluckte schwer.

      „Ich erinnere mich schwach. Ich denke, mir wurde mit einem Mal schwindelig.“

      Leonard streichelte verständnisvoll ihre Wange.

      „Es war ein langer und aufregender Tag, der wohl am Ende seinen Tribut gefordert hat. Mach dir keine Gedanken, mein Engel, alle werden es verstehen.“

      Ein leichtes Gefühl des Unbehagens beschlich sie bei seinen Worten.

      „Wer wird es verstehen?“

      Der Prinz lächelte nachsichtig.

      „Das Volk, der Adel, alle, die von deinem Zusammenbruch erfahren haben oder gar Zeuge waren. Ein jeder macht sich Sorgen um dich, Celicia.“

      Sie fröstelte bei dieser Neuigkeit und lehnte sich tief in ihre Kissen zurück.

      „Ich verstehe. In jedem Fall denke ich, dass ich lieber ruhen sollte, denn ich fühle mich noch etwas schwach.“

      Er beugte sich vor und küsste sanft ihre Stirn.

      „Natürlich, mein Engel. Ich werde veranlassen, dass man dir Frühstück heraufbringt und mich um alles andere kümmern.“

      Sie nickte und drückte seine Hand.

      „Ich danke dir, mein Liebster.“

      Mit einem letzten Lächeln ging Leonard fort und Celicia wandte sich langsam dem Fenster zu. Sie fühlte sich wie betäubt, denn nun musste sie erkennen, dass der Tod die Wahrheit gesagt hatte: sie stand im Licht der Öffentlichkeit und wurde damit zwar bewundert und behütet, gleichzeitig jedoch ebenso überwacht und von Blicken verfolgt. Sie biss sich fest auf die Lippe und zog die Decke über den Kopf. Sie würde jetzt nicht darüber nachdenken, nein, sie würde diese Gedanken auf einen späteren Zeitpunkt verschieben, an dem sie sich wieder mutig genug fühlte, um sich den fremden Augen zu stellen.

      In den nächsten Tagen hütete Celicia noch das Bett, ehe sie ihren Mut gesammelt und sich wieder gefasst hatte. Eines Morgens Ende Oktober nahm sie gemeinsam mit Leonard das Frühstück ein und ging anschließend mit zwei Hofdamen spazieren, während er am Fenster stand und ihr bedrückt nachsah. Er spürte, dass auf dem Ball irgendetwas geschehen sein musste, während er sie für einen Moment allein gelassen hatte. Als er in den Ballsaal zurückgekehrt war, hatte er zwei Todesengel verschwinden sehen und wartete deshalb ungeduldig darauf, dass sein Freund sich wieder einmal zeigte; er hoffte von ihm zu erfahren, was vorgefallen war. Doch anscheinend hatte der Tod es nicht eilig, nach dem Prinzen zu sehen und dies trieb Leonard allmählich in den Wahnsinn. Rastlos lief er nun in seinem Zimmer auf und ab, bis er schließlich wütend die Fäuste gegen die Wand rammte.

      „Wo zur Hölle steckst du nur?“

      „Warum so aufgebracht?“

      Leonard wirbelte herum und