Aurel Levy

Dschungeltanz


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achtzehn Uhr dreißig? Da haben Sie das Nachmittags-Tief hinter sich und schlafen mir nicht ein.«

      »Super.«

      »Ich schicke Ihnen den Termin an Ihre Mail-Adresse. Und wir beide treffen uns im Anschluss bei mir in der Uni. Ich bringe Ihnen ein paar hübsche Exponate aus der Gerichtsmedizin mit und wir verkabeln Sie. Dann sehen wir uns an, wie sich Gehirnaktivität und Kreislaufwerte entwickeln.«

      »Okay. Ich bin gespannt.«

      Frau Doktor stand auf. »Machen Sie sich keine Sorgen, Herr Hentschel. Wir kriegen Sie schon so weit, dass sie Medizin studieren können. Jedenfalls sollte es nicht an Ihrer Blut-Phobie scheitern.«

      Sie lachte und begleitete mich zur Tür, wo wir uns verabschiedeten. Mir war nicht klar, wie sie es schaffte, aber nach jeder Sitzung ging ich mit einem guten Gefühl, ja beinahe euphorisch nach Hause. Und freute mich auf den nächsten Termin.

      Voller Zuversicht trabte ich die Treppen der Villa hinab und überquerte die Strecke zum Tor. Ich hielt die Klinke des schmiedeeisernen Gartentors bereits in der Hand.

      »Ach, Herr Hentschel?«

      Ich drehte mich um. »Ja?«

      »Sie sind mir noch eine Antwort schuldig.«

      VIER

      »Du wolltest was? Mit ihr Liebe machen?« Benny ließ seinen Löffel zurück in den Reis sinken und stand auf. Grinsend ging er um Jil herum, die am Kopfende unseres Esszimmertisches saß, und beugte sich zu mir herab. Ungeachtet der Tatsache, dass ich gerade eine Gabel Curry in den Mund geschoben hatte, nahm er meinen Kopf zwischen seine Hände und wollte mich auf die Stirn zu küssen.

      »Topsi, ich bin sowas von stolz auf dich. Möchtest eiskalt deine Therapeutin aufs Kreuz legen!«

      Ich schob ihn weg. »So ein Quatsch! Wie oft soll ich es dir noch erklären? Ich habe nur gesagt, dass sie für ihr Alter recht passabel aussieht. Deswegen muss ich nicht gleich mit ihr ins Bett wollen.«

      »Aber schaden würde es nicht! Da könntest du sicher noch was lernen.« Benny breitete die Arme aus wie ein Prediger und sagte in getragenem Tonfall: »Schon bei Lukas heißt es: Die brachliegenden Felder sollt ihr mit eurer Pflugschar bestellen und ihr werdet reiche Ernte halten.«

      »Komm, hau doch ab!«

      »Jetzt lass die Topsi in Ruhe!« Jil verzog das olivbraune Gesicht. »Ick finde es toll, dass er sie attractive findet. Warum dürfen immer nur die Frauen mit zwanzig gut aussehen? Ick werde mick freuen, wenn ick vierzig bin und eine junge Typ findet mick super!«

      »Ich habe ihr das nicht gesagt.«

      Jil winkte ab. »Eine Frau merkt das, wenn eine Mann sie sexy findet, glaube mick. Aber das ist okay so.« Sie wandte sich an Benny. »Was heißt actually auf die Kreuz legen? Does it mean buumsen?« Jil kicherte in die vorgehaltene Hand. »Ihr Deutschen habt so lustige Worte.«

      Benny streckte ihr den Daumen entgegen. »Dafür, dass du erst seit acht Wochen hier bist, begreifst du ganz schön viel. Fehlt nur, dass wir dein Praxissemester mit Leben füllen. Weißt schon, Praxis und so.«

      Es dauerte einen Augenblick bis Jil begriff. Sie wollte ihm auf den Arm klatschen, doch Benny hatte ihre lange Leitung genutzt und war vorsorglich zurückgesprungen. Jil drohte ihm mit der Gabel. »Du, werd mal nicht freck, du. Ick kann immer nock die Zimmer bei die Rote-Kreuz-Schwestern bekommen, wenn ick will. Ick erzähl denen einfack was von sexual harassment und so. Dann du kannst sehen, wer dir kockt eine so leckere Curry. Bitterly weinen wirst du!«

      Und damit hatte sie recht. Jil war echt ein Zugewinn für unsere WG. Nicht nur, weil sie unglaublich lecker kochte und coole indische Musik laufen ließ. Jil kam zwar aus Atlanta, ihr Vater aber war gebürtiger Engländer. Und von dem hatte sie den Humor.

      »Sag mal, Benny, heute Morgen habe ick in die bathroom eine blonde Frau getroffen, die war schon mal zu Besuck, right?«

      »Klar. Inga.«

      Jil inspizierte ihre Gabel, die sie zwischen den Fingern hin- und herdrehte.

      Die Masche funktionierte, Benny wurde ungeduldig. »Und?«

      »Ock, nickts.«

      »Was soll das heißen, nichts?«

      »Is it was Ernstes?« Jil sah Benny an und hielt sich mit der Gabel abwechselnd mal das eine, mal das andere Auge zu.

      »Nicht direkt. Sagen wir mal, sie ist zurzeit meine feste Freie.«

      »Lass mick raten, das bedeutet bei dir: Wenn sick keine andere findet, gibst du ihr eine Anruf?«

      Ich war gespannt, was Benny antworten würde. Meines Erachtens hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Doch Benny schob sich einen weiteren Löffel Butter-Chicken in den Mund.

      »Na, dann ist es ganz good, dass wir ein biscken miteinander gesprocken haben.«

      »Über Kamasutra?«

      »Pah, du spinnst dock! Ick habe ihr bloß gesagt, dass ick freue mick, in der Fruh mal eine vertraute Gesickt neben mick zu sehen.«

      Benny sah auf. »Danke, Jil. Prima gemacht. Jetzt denkt sie, dass ich jeden Tag ne Neue ins Bett zerre.«

      »Ja und? Ist dock von die Wahrheit nickt so weit weg, right?«

      Benny legte seine Gabel in den Teller und setzte seine Super-Unschulds-Miene auf. Aus Erfahrung wusste ich, dass Frauen diesem Bernhardiner-Blick keine zehn Sekunden standhielten.

      »Ich kann nichts dafür, dass ich mich schon sehr früh für Mädchen interessiert habe. Das liegt mir im Blut. Und wenn du von allen Seiten zu hören bekommst, dass du etwas außergewöhnlich gut kannst, dann motiviert dich das natürlich.« Benny kippelte mit dem Stuhl vor und zurück und drückte seine Brust raus. »Außerdem ist das evolutiv betrachtet ein völlig korrektes Verhalten. Seit unsere Vorfahren runter vom Baum und rein in die Höhle ...«

      »Naa, Benny, nicht schon wieder Höhle.« Ich hob beide Hände abwehrend in die Höhe. »Ich kanns echt nicht mehr hören. Sei so lieb und erzähl Jil deine Theorie wann anders.«

      Benny stutzte. Dann fuhr er fort: »Aber Fakt ist doch: Ich hab halt früher als die meisten kapiert, dass das Ding zu mehr gut ist, als nur um Pusteblumen wegzustrullern.«

      Er stand auf und versuchte, sich Kasimir zu schnappen, der auf dem Weg in Richtung Couch war. Gerade als Benny zupacken wollte, drehte sich der Kater blitzschnell um und verpasste Benny mit ausgefahrenen Krallen fauchend eine Rechte.

      »Ho, ho, ho – ruhig, Fury!« Benny zog seine Hände zurück. »Schon gut, Alter, alles cool.« Benny betrachtete das blutige Tribal auf seinem Unterarm.

      »Du brauckst dick gar nickt darüber zu wundern«. Jil war aufgestanden und ging zu Kasimir. Der ließ sich von Jil ohne Widerstand hochheben und schmiegte sich an ihren Hals. Sein Schnurren war so regelmäßig wie das Rattern einer Singer-Nähmaschine.

      »Nack allem, was du mit ihm gemackt hast.«

      Meine schlimmsten Befürchtungen bezüglich Benny und dem Kater waren Wirklichkeit geworden. Und es gab keinen Zweifel, Kasimir kam seit dem Tag des Showdowns deutlich breitbeiniger daher. Zumindest, wenn er sich beobachtet fühlte. Wie ein Cowboy, dem man das Pferd unter dem Hintern zusammengeschossen hatte. Und an diesem Handicap war ich nicht gänzlich unbeteiligt.

      Kasimir ist ein Kartäuser. Sozusagen der Aston Martin unter den Hauskatzen. Groß, gut gebaut, markanter Unterkiefer. Seidiges, dunkelgraues Fell mit Blaustich. Was Edles halt. Meine Großmutter, die sich zeitlebens von Hirsebrei und abgelaufenem Joghurt ernährte – Gott habe die alte Dame selig – ließ nicht die geringsten Zweifel aufkommen, dass Kasi etwas Besonderes war. Mieze bekam jeden Tag frisch geschabtes Fleisch – Rinderhüfte aufwärts. Einmal die Woche gab es lecker Thunfisch vom Fischhändler. Selbstverständlich in Sushiqualität. Nun hatte ich das Erbe angetreten und war laut Testament verpflichtet, Kasimir bis