Aurel Levy

Dschungeltanz


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an dir nicht unbemerkt vorbeistreichen. Erbe hin oder her – wir alle müssen den Gürtel enger schnallen.«

      Nein, nicht nur des Geldes wegen. Thunfisch in Sushiqualität ist vom Aussterben bedroht. Davon abgesehen ist eine reine Eiweißdiät für Katzen ungesund. Wenn eine Katze in der freien Wildbahn eine Maus zur Strecke bringt, vertilgt sie diese Maus komplett. Und da sich Mäuse vegetarisch ernähren, also quasi vollgestopft mit Kohlehydraten und Ballaststoffen sind, ist eine Mäusediät ziemlich ausgewogen. Der Plan war: allwöchentlich eine reine Fleischmahlzeit durch ein gesamtheitliches Katzenfertigfutter aus der Dose zu ersetzen. IAMS Adult 1+ mit viel Huhn in Sauce, laut Stiftung Warentest die Königin unter den Feuchtfuttern und mit 2 Euro 77 pro Tagesration nicht eben billig. Um es kurz zu machen: Das Stimmungsbarometer in unserer WG sank beträchtlich. An den Feuchtfutter-Tagen wurde Kasi übellaunig und zickig, streckenweise unberechenbar. Außerdem begann er, willkürlich Gegenstände in der Wohnung zu markieren. Männliche Katzen tun das, indem sie ein Bein heben, das Gesicht verziehen wie Bruce Willis in Die Hard und unter offenbar größten Schmerzen eine übelriechende Flüssigkeit herauspressen.

      Das ganze Haus roch zunehmend nach Katzenpuff. Eines Abends – ich war ausgeflogen – saß Benny vor dem Fernseher und schaute Two and a Half Men. Kasimir hüpfte aufs Sofa, weiter auf Bennys Bauch und kündigte durch intensives Pfotentreten an, dass er im Begriff war, sich niederzulassen. Benny – abgelenkt durch Charlie Sheen und seinen Spezi – wollte Kasimir streicheln. Kasimir wollte sich in Bennys Hand verbeißen und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Benny schrie auf und schüttelte den grauen Teufel ab, der daraufhin unsanft zu Boden plumpste. Kasimir – stocksauer ob der groben Abfuhr – guckte, ob Benny ihm zusah, und marschierte mit aufgestelltem Schwanz zu Bennys geöffneter Unitasche. Dort hob er das Bein.

      Das hätte er nicht tun dürfen. Benny brüllte und schmiss den leeren Pizzakarton nach dem Kater. Zu spät. Bennys feine Kalbledertasche würde nie wieder dieselbe sein.

      Von Hauskatern kann man halten, was man mag, aber sie gehören kastriert. Diese Erkenntnis hatte nun ihren Weg zu Benny gefunden. Und da mein Kumpel selbst um halb elf abends nicht lange fackelt, rief er in der Tierklinik an und ließ sich für den nächsten Vormittag einen Termin geben.

      »Topsi, dein Telefon«, riss mich genau dieser Kumpel aus meinen Gedanken.

      »Wer?«

      »Dein Telefon. Sollen wir uns das Biene-Maja-Gedudel noch ein bisschen anhören oder gehst du dran?«

      »Nee, gib her.«

      »Wie wärs, wenn du dir selber in die Hosentasche greifst? Ich komme von hier aus nämlich schlecht hin.«

      »Okaaaay.« Kurz vor der letzten Klingelwelle hielt ich mein Telefon in der Hand. »Horst Hentschel.«

      »Hallo Topsi, hier ist Kai.«

      Ich überlegte fieberhaft, woher ich diese Stimme kannte. Mit einem Mal machte es Klick. »Servus Kai, wie gehts dir?«

      »Ich kann nicht genug klagen, danke der Nachfrage. Und dir?«

      »Brillant! Bin auf dem direkten Weg in Richtung Millionär.«

      »Dann kann ja nichts mehr anbrennen. Hör mal, Topsi, wir hatten darüber gesprochen, dass du mit auf Tour kommst, wenn es passt. Ich hab einen Flug bekommen, der geht über Dakar nach Manaus und zurück. Drei Tage frei in Manaus. Perfekt für Mitreisende.«

      »Manaus? Das liegt doch in Brasilien.« Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Benny aufhorchte.

      »Mittendrin, direkt am Amazonas. Weiß auch nicht, was unsere Firma da möchte, aber anscheinend gibt es dort haufenweise Sachen, die unbedingt nach Deutschland müssen. Und so gut bezahlt werden, dass wir sie in unsere Flugzeuge packen.«

      »Und wann würde es losgehen?«

      »Das ist der Haken an der Sache. Am Freitag, also überübermorgen ...«

      »Ui!«

      »Und am Samstag drauf bist du wieder im Lande. Ne stramme Woche also.«

      »Okaaaay, ne Woche ...«, versuchte ich Zeit zu gewinnen, während meine Gedanken durcheinanderwirbelten. Ich hatte einen Termin mit Prangishvili, einen weiteren bei der Hypnosetante und musste echt viel für den Medizinertest vorbereiten, außerdem ...

      »Überleg es dir einfach, und ruf mich zurück. Ich bin morgen den ganzen Tag zuhause.« Kai schien Gedanken lesen zu können.

      »Kai, das wäre echt voll die Gaudi, ich muss nur schauen, ob ...«

      »Kein Problem, Topsi, gib mir einfach Bescheid.«

      »Okay, mach ich. Bis dann.«

      Benny und Jil sahen mich an wie Zeus und Apollo, die beiden Dobermänner aus Magnum, als ich das Telefon auf den Tisch legte.

      »Kai, der jetzt als Kapitän bei der Fracht fliegt ...«

      »... mit dem du Weihnachten in Novosibirsk und Hongkong warst, ich weiß.«

      »... hat gefragt, ob ich mitfliegen möchte. Nach Dakar und Manaus.«

      »Manaus! Muss der Hammer sein. Hab mal irgendwo gelesen, dass die den brutalen Frauenüberschuss haben. Im Verhältnis 3:1 oder so. Und als weißer Europäer bist du für die voll der Exot. Das wäre mein persönliches Mekka!«

      »Wie kannst du da einfack mitfliegen?« Jil hatte ihre Stirn in Fragezeichen gelegt.

      »Die haben in ihren Frachtmaschinen zusätzliche Sitze. Genau weiß ich das auch nicht, aber es scheint zu funktionieren. Kai sagt, sie nehmen ständig Gäste mit.«

      »Du bist dabei, oder?«

      »Richtig passen tut mir das nicht. Ich hab volles Programm nächste Woche ...«

      »Hey, Hentschel, jetzt langweil nicht rum. Volles Programm, so ein Schmarrn! So gesehen passt es nie. Logisch fährst du mit. Wenn du nicht fährst, machs ich!« Benny sprang auf und legte eine Kombination aus Zumba- und Merengue-Hüftschwung hin. Die eine Hand wie ein Torero über dem Kopf, die andere wie Michael Jackson in seinen besten Zeiten stabil im Schritt.

      »Bo-asch noite, Ma-na-uuuuusch! Tropische Nächte am Amazonas-Strand, isch komme!«

      »Wenn du dort solcke Bewegungen mackst, denken die Frauen, dir ist die Vogelgrippenvirus in die Hirn gestiegen.« Jils Gesicht konnte sich scheinbar nicht einigen, ob es lachen oder weinen sollte.

      »Keine Sorge, meine Prinzessin aus dem Palast der Winde! Ich verstehe die Frauen und die Frauen verstehen mich. Die Sprache der Liebe ist inter---natio---nal.« Auf international folgten unzweideutige Hüftbewegungen.

      »Du und das Liebe, das sind zwei Worte, die nickt zusammenpassen«, meldete sich Jil. »Doesn't fit, understand?«

      Benny grinste und antwortete mit weiteren Hüftstößen.

      Manchmal frage ich mich, was Leute, die Benny nicht so gut kennen, über meinen Kumpel denken. Sicher nicht, dass er bei den Profs als einer der hellsten und innovativsten Köpfe des ganzen Münchner BWL-Lehrstuhls rangiert.

      Apropos BWL. »Du schreibst nächste Woche eine Klausur oder?«, gab ich zu bedenken.

      »Scheiß drauf! Klausuren kannst du wiederholen oder schickst jemand anders für dich hin, aber so eine Chance kommt nie wieder. Glaub mir, sowas muss man mitnehmen.«

      Eigentlich hatte Benny recht. Das war ja das Schlimme. Der Kerl hatte immer recht. Und kam auch noch durch mit dieser Nummer.

      Würde solch eine Gelegenheit wiederkommen? Schwer zu sagen. Ich befand mich mitten in meinem Teilzeit-Monat, die Termine würden sich verschieben lassen und lernen konnte ich auch unterwegs. Vielleicht sogar besser als zuhause, wo ich mich ständig durch irgendetwas ablenken ließ. Tagsüber im Schatten des Hotelpools die Unterlagen des Medizinertests durcharbeiten, abends lecker Essengehen. Zusammen mit Benny und Kai würde die Gestaltung des Abendprogramms recht bunt ausfallen. Schön von einer Kneipe in die nächste. Außerdem kämen mit Senegal und Brasilien gleich zwei neue Pins auf meine