Aurel Levy

Dschungeltanz


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gemacht, ganz ruhig, immer wieder erklärt. Meinem Mann wäre längst der Geduldsfaden gerissen. Kai ist schon einer unserer Besten.«

      Daisy hatte den letzten Satz ohne jeden schwärmerischen Unterton gesagt. Ganz nüchtern.

      »Allerdings, Kai ist der Beste.«

      Ich folgte Daisys Blick zu Benny und Kai, die dem Ball hinterherhechteten.

      Eigenartig, das Einzige, was die beiden gemeinsam hatten, war ihre athletische Figur. Kai war einen Kopf größer als Benny und sah mit seinem Dartagnan-Bärtchen aus, als sei er einem Mantel und Degen-Film entsprungen. Die schulterlangen Haare waren das Relikt der Jahre, da Kai seinen Flieger-Job so weit zurückgeschraubt hatte, dass er ihm die Suche nach der perfekten Welle finanzierte. Er hatte zunächst alle berühmten Spots gesurft. Später kamen Strände dazu, die bis dahin noch nie einen Mann auf einem Surfbrett gesehen hatten. Die Welle war sein Leben. Bis zu dem Tag, an dem er Mathilda kennenlernte.

      Benny hingegen hatte haarmäßig schon sehr früh den Zenit überschritten. An dem Tag, an dem wir seinen Hamster ins Jenseits begleiteten – wir waren vielleicht zwölf – hatten wir noch Mühe gehabt, seinen Afro unter die Osiris-Haube zu bringen. Danach begann für Benny eine Zeit des Abschiednehmens. Übriggeblieben waren kurze, dunkle Haarstifte, die einen aussichtslosen Kampf gegen sich rasant ausbreitende Geheimratsecken fochten.

      »Pardon monsieur?«

      War das für mich?

      »Monsieur?«

      Ich drehte mich auf den Rücken. Neben meiner Liege stand eine der beiden Rezeptionistinnen. Groß und schlank, weiße Bluse und hellgrauer Rock.

      »Monsieur, nous avons un Telex pour vous.«

      Ich schaute von der Hoteldame zu Daisy und zurück. »Äh, Telex, for me?«

      »Qui Monsieur, si vou voulez venir avec moi.«

      »Kannst du französisch? Ich hab bloß Telex verstanden.«

      »Maman aus Luxembourg, erinnerst du disch?« Sie zwinkerte mir zu. »Du sollst mit ihr kommen.«

      »Okaaay«, murmelte ich und rappelte mich auf. Ich hatte nicht die Spur einer Idee, wer mir in den Senegal ein Telex schreiben würde. Artig dackelte ich hinterdrein.

      SIEBEN

      Es war nicht für mich. Hätte ich gleich drauf kommen können. Ich hatte in meinem Leben kein Telex bekommen. Schon gar nicht in Afrika.

      Ich muss zugeben: Kurzfristig fühlte ich mich geschmeichelt. Dass mich Mireille, ohne mit ihren Grübchen zu zucken, für den Kapitän gehalten hatte.

      Die German Imperial Cargo unterrichtete Kai davon, dass sich der Abflug nach Manaus um zwei Stunden verzögern würde. Punkt.

      Konnten wir länger schlafen. Auch nicht schlecht.

      Doch zuerst würden wir essen gehen. Thiof hieß laut Kai eine lokale Zackenbarschart. In Butter gebraten und mit viel Knoblauch und grobem Salz serviert. Dazu weißer Reis. In einem winzigen Lokal, keine fünfzehn Minuten zu Fuß, mit Blick auf Meer und Sonnenuntergang. Das klang nach einem Plan. Wobei ich mich auch mit weniger zufriedengegeben hätte. Ich hatte einen Wahnsinns-Hunger.

      »Was ist, sollen wir?« Kai blies zum Abmarsch.

      Wir verließen die Hotellobby und traten durch die Glastüren ins Freie. Es war später Nachmittag. Der Wind hatte nachgelassen und die Sonne brannte nicht mehr ganz so intensiv. Die Luft roch nach Salz und nach irgendetwas, das ich nicht zuordnen konnte. Nicht unangenehm jedenfalls.

      Eine afrikanische Familie mit drei Töchtern im Teenageralter kam uns auf der Treppe zum Hotel entgegen. Die Mädchen waren unterschiedlich gekleidet, trugen aber alle Ballerinas im Leoparden-Look. Das fiel sogar mir auf. Kaum hatten wir die Familie passiert, polterte Benny los. Ob ihm jemand erklären könne, wann Ballerinas wieder verschwänden. Er müsse den Anblick nun schon über Jahre hinweg ertragen und sehne sich nach der nächsten Modewelle, die diese Dinger mit sich fortspüle. Daisy erklärte, dass Ballerinas wohl gar nicht verschwänden, schließlich seien sie sehr bequem und sähen auch noch toll aus. Sie hatte das Wort »toll« noch nicht zu Ende gesprochen, schon blies ihr der Gegenwind ins Gesicht. Was genau an diesen Schlappen toll aussähe? Sie verliehen einer Frau die Attraktivität einer watschelnden Ente und verhunzten jede noch so vorteilhafte Figur.

      Das Wortgefecht ging ein paar Mal hin und her und ich fragte mich, wieso sich mein Kumpel wegen eines derart unbedeutenden Themas eigentlich um Kopf und Kragen redete. Doch auch Daisy schien partout nicht zurückstecken zu wollen.

      »Oh, Prince Charming! Hat er sein Revier nun ausreichend markiert oder sind da Bäume, die er noch nicht angepinkelt hat? Und überhaupt: Ich frage mich, wie jemand Modefragen diskutieren möchte, der zum Abendessen kurze Hosen trägt und den Kragen seines Polohemds aufstellt. Fehlt bloß noch das Handy am Gürtel ...«

      Für die nächste Runde befürchtete ich Schlimmstes, als etwas an meinem Hemd zupfte. Ich drehte mich um und sah in ein Paar großer, rehbrauner Knopfaugen. Die Augen gehörten zu einem Mädchen mit Kraushaaren, die wie fingerlange Erdnussflips in alle Richtungen abstanden.

      »Hallo, wer bist du denn?«, fragte ich.

      »Aidez moi, Monsieur«, antwortete die Kleine. »Aidez moi!«

      Das Mädchen war keine sechs Jahre alt, superputzig und erinnerte mich an irgendein Kind aus einer amerikanischen Fernsehserie.

      Ich ging in die Hocke und sagte: »Tut mir leid, ich spreche leider kein Französisch.«

      Die Kleine quasselte unbeirrt weiter. Hilfesuchend blickte ich in Richtung Daisy. »Verstehst du, was sie möchte?«

      »Die Urgroßmutter ist krank. Du sollst mitkommen und ihr helfen.« Daisy beugte sich zu dem Mädchen herab und fragte sie etwas. Die Kleine deutete mit dem Finger daraufhin auf einen Platz, auf dem Jugendliche Fußball spielten. Obwohl wir noch keine fünf Minuten von unserem Hotel entfernt waren, hatte sich die Gegend deutlich verändert. War unser Hotel schon keine architektonische Meisterleistung, hatte sich hierher sicher nie ein Architekt verirrt. Die Häuser des Straßenzugs waren heruntergekommen und schrien förmlich nach Renovierung. Hinter dem Bolzplatz standen Hütten, deren einfache Blechdächer in der Abendsonne funkelten. Das Mädchen deutete unablässig dorthin. Gebetsmühlenartig wiederholte es seine Sätze, während es an meiner Hand zog.

      »Sie sagt, ihre Urgroßmutter hat sie geschickt, um einen Arzt zu holen. Du bist Arzt und sollst mitkommen.«

      »Was? Ich bin doch kein ... hast du ihr gesagt, dass ich kein Arzt bin?«

      »Klar, aber du sollst trotzdem mitkommen, ihre Urgroßmutter stirbt sonst.«

      Das war schlecht. Ich griff mir ans Ohrläppchen und begann, es zu massieren. Irgendwie berührte mich die Kleine. Klar, wir waren mitten in Afrika, die Hütten sahen nach Slum aus, aber ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ein so kleines Persönchen schauspielerte.

      »Boah, Leute, machen wir jetzt auf Mutter Theresa oder können wir weitergehen? Mir hängt der Magen sonst wo.«

      Benny hatte die Hände in die Hüften gestemmt.

      Die Kleine sah zu Benny, dann wieder zu mir. Dicke Krokodilstränen liefen über ihre Wangen.

      »Also ich seh mir das auf jeden Fall an«, sagte ich. »Wer weiß, was mit ihrer Oma ist. Vielleicht muss man wirklich einen Arzt rufen.«

      »Ich komme mit dir. Du verstehst allein eh nix.« Daisy wandte sich an Kai. »Und ihr könnt ja schon mal vorgehen und bestellen. Wir kommen gleich nach!«

      »Hm.« Kai strich sich über das Kinnbärtchen. »Weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, euch allein gehen zu lassen.

      »Keine Angst, uns passiert nichts.« Daisy schien Kais Gedanken lesen zu können. »Wenn uns jemand überfallen wollte, dann könnte er das hier genauso tun. Außerdem hab ich ja noch das hier.« Sie klopfte