Werner Karl

Aevum


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als in den letzten beiden Jahren, Madame. Ich begreife erst jetzt, dass meine etwas romantische Vorstellung, Sie zu finden, völlig unrealistisch war.«

      »Romantisch ist in diesem Zusammenhang ein … unerwartetes Wort. Aber machen Sie sich keine Sorgen mehr. Monsieur: Sie stehen jetzt unter meinem … unserem Schutz.«

      »Unserem?«

      »Ich bin nicht allein hier. Ich … wir haben Hilfe. Und damit meine ich nicht nur Freitag. Aber eine, mit der Sie wahrscheinlich nie rechnen würden.«

      »Sie müssen mir unbedingt erzählen, wie Sie zu dem Kampfsuit und dem Roboter gekommen sind, Madame. Und was Sie die letzten beiden Jahre getan haben.«

      Seine Äußerungen zeigten Bérénice, dass Girard nicht im Traum annahm, sie könnte den Planeten je verlassen haben. Sie grinste in die Dunkelheit hinein.

      »Oh je, Monsieur, ich fürchte, soviel Zeit haben wir nicht. Irgendwann einmal …« Jetzt musste sie selbst ihren Kopf schütteln, als all das, was sie erlebt hatte, in ihr aufloderte und genauso schnell wieder verschwand. Um sich selbst abzulenken und ihn ein wenig darauf vorzubereiten, was er gleich sehen würde, schlug sie einen ruhigen Ton an. »Ich habe ein Raumschiff. Ein kleines … aber es gehört mir. Und eine Besatzung. Sie werden staunen, Monsieur, das garantiere ich Ihnen.«

      Februar 2317

      »Sie kommen zurück«, durchbrach Bozadds ruhige Stimme die Stille in der kleinen Zentrale des Mazzar-Raumschiffes. »Sie haben einen Menschen dabei … einen Mann.«

      Naya fuhr wie von einer Tarantel gestochen aus ihrer nur mühsam aufrecht erhaltenen Ruhe und versuchte, auf dem Beobachtungsmonitor etwas zu erkennen. Aber offensichtlich waren die Augen eines Mazzars besser dafür geeignet, auch im Dunkeln gut sehen zu können. »Schalten Sie bitte für mich auf Nachtsicht, Bozadd?«

      Der Pazifist nickte und wollte die Schaltung vornehmen, als ein anderes Signal erklang. »Die Außenschleuse …«, erklärte er. »Sie sind bereits vor dem Schiff.«

      »Schon gut; lassen Sie es«, sagte die Rigelianerin und wandte sich dem Gang zu, der dorthin führte. Sie hatte die innere Schleuse gerade erreicht, als Bérénice als Erste eintrat. Naya fiel ein nicht zu kleiner Stein vom Herzen. »Den Göttern des Alls sei gedankt, Nice. Du bist wieder da.«

      »Natürlich. Hast du etwas anderes geglaubt?«

      »Freitag hatte die Sambolli geortet … und dann noch ein sehr großes Lebewesen.«

      »Ich habe davon gehört«, schmunzelte Bérénice und drückte Naya an sich. »War halb so schlimm.«

      Naya war sich sicher, dass ihre Freundin maßlos untertrieb, und fasste den festen Entschluss, sie beim nächsten Ausflug zu begleiten. Dann drehte Bérénice sich ein wenig zur Seite, um Naya den Blick auf ihren Begleiter zu ermöglichen. »Darf ich dir Monsieur Laurent Girard vorstellen, meine Liebe? Er gehörte wie ich zum 45. Spacetrooper-Bataillon.«

      Naya hatte hinter Bérénices Körper und Kopf nur einen kurzen Blick auf ihn erhaschen können. Jetzt stand der Mann in voller Größe vor ihr und für mehr als ein paar Sekunden blieb ihr der Mund offen stehen.

      Sein Name weckte in ihr Vorstellungen von Kultur und etwas anderem, das ihr Unterbewusstsein längst erkannt hatte, ihr Bewusstsein aber verweigerte, es an die Oberfläche gelangen zu lassen. Vom ersten Moment an spürte die Trooperin, dass er ihr Verhältnis zu Bérénice verändern würde. Fast automatisch sandte sie einen Tastimpuls an sein Gehirn, so zart, dass er es unmöglich bemerken würde.

      Kein Hindernis, dachte sie sofort, als sie auf seinen offenen Verstand stieß. Keine Barriere, keine undurchdringliche Wand wie bei Nice. Ich könnte ihn augenblicklich scannen …

      Doch sie tat es nicht. Stattdessen betrachtete sie ihn unverhohlen und konnte nicht anders, als dem, was sie zu sehen bekam, Respekt zu zollen.

      Der Typ hat die zwei Jahre im Lager überstanden, die seit Nices Flucht vergangen sind. Ein zäher Bursche … Und dabei sah er noch verdammt gut aus. Okay, sein Körper zeigt vielfache Spuren von Folter, Mangelernährung und Auszehrung. Er strotzt vor Dreck und riecht auch entsprechend. Doch Knochenstruktur und der Rest an Muskeln, der ihm geblieben ist, zeugen davon, dass er in besseren Zeiten wohl einen überwältigenden Eindruck gemacht haben dürfte.

      »Äh, willkommen, Trooper Girard«, brachte sie hervor und streckte ihm ein wenig linkisch ihre Rechte entgegen. Er grinste und erwiderte den Griff mit erstaunlicher Kraft.

      »Was kann einem Mann Besseres geschehen, als von zwei wunderschönen Amazonen gerettet zu werden? Ihr Name, Madame?«

      »Oh, entschuldigen Sie. Ich heiße Naya.«

      »Naya, très jolie. Kein Nachname?«

      »Einfach nur Naya. Ich bin Rigelianerin, da tragen alle nur einen Namen. Es soll unsere absolute Einzigartigkeit unterstreichen.« Naya nahm an, dass dieser Umstand innerhalb der Terranischen Föderation allgemein bekannt war. Deswegen wusste sie eigentlich nicht, warum sie es jetzt betont hatte.

      »Oh, das kann ich bestätigen: Sie sind einzigartig.« Dabei beugte er sich nach vorn, drehte leicht ihre Hand und hauchte tatsächlich einen Handkuss darüber. Naya kannte die Geste nicht, war aber so von ihr fasziniert, dass ihr ein wenig Röte ins Gesicht stieg.

      Girard richtete sich wieder auf und lächelte charmant. »Besteht die Möglichkeit, mich hier an Bord ein wenig frisch zu machen? Ich möchte Sie keine Sekunde länger mit meinem Odeur belästigen.« Er sah den Gang entlang und runzelte die Stirn. »Von außen sah es schon sehr exotisch aus. Ich glaube nicht, dass ich diesen Typ kenne. Was ist das für ein Raumschiff?«

      Nun war es Bérénice, die lächelte, aber auf eine geheimnisvolle, ja fast schadenfrohe Art. »Es ist ein Mazzar-Raumschiff, Monsieur. Und wie ich bereits zuvor sagte: Es ist meins!«

      »Sie verarschen mich, Madame. Pardon, so ein Ausdruck ist sonst nicht meine Art, mich auszudrücken …«

      »Wir sind Spacetrooper, Girard …«, grinste sie.

      »Bon, aber keine Barbaren.«

      »Sie sehen im Moment aber genau wie einer aus, Monsieur. Möchten Sie sich erst waschen oder soll ich Ihnen den Rest der Besatzung vorstellen?« Naya konnte es klar erkennen: Die Vorfreude auf die Überraschung sprühte förmlich aus den Augen ihrer Freundin.

      »Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich mich erst ein wenig vorzeigbar machen wollen. Wenn der Rest der Besatzung so bezaubernd ist wie Sie beide, würde ich mir einen etwas würdigeren Auftritt wünschen.«

      »Wie Sie wollen, Monsieur.« Bérénice grinste und wandte sich dann an Naya. »Liebes, würdest du unserem Gast die Dusche zeigen? Ich möchte mich inzwischen mit den anderen zu unseren nächsten Schritten besprechen. Vielleicht kannst du Monsieur Girard auch etwas zu essen bereitstellen? Ich bin mir sicher, dass er einen Bärenhunger hat. Danach komm bitte in die Zentrale, ja?«

      Naya nickte und deutete auf die Abzweigung, welche in die wenigen Quartiere führte. Bérénices Bezeichnung Gast für den Trooper hallte in ihr mit einer gewissen Befriedigung nach. Offenbar hatte ihre schwarzhäutige Freundin nicht vor, Girard als weiteres Besatzungsmitglied aufzunehmen.

      Es war weniger als eine Stunde vergangen, als Laurent Girard aus der Mazzar-Unterkunft trat, gekleidet in eine sehr eng sitzende Freizeitmontur, welche die Ausrüster für Bérénice Savoy vor ihrem Abflug aus dem Laurin-System mit in das terranische Equipment gepackt hatten. Sie hatten wohl nicht mit der Möglichkeit gerechnet, dass sie einem Mann, dazu einem über 190 Zentimeter messenden, passen sollte. Dass das Material nicht einfach zerriss, war nur dem Umstand zu verdanken, dass es hoch elastisch gefertigt war. Rein optisch jedoch wirkte der hellblaue Stoff bei ihm wie eine zweite Haut. Lediglich im Schritt und um das ganze Becken herum etwas schlackernd, war es ein wenig dicker gearbeitet, sodass peinliche Abdrücke vermieden wurden. Der Trooper hatte noch einen Rest eines Riegels in der Hand, der zur Standard-Notverpflegung