Werner Karl

Aevum


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BEHEMOTH regungslos in der einzigen Frachtschleuse stehen.

      »Mein Freund, wohin geht es zur Zentrale des Schiffes?«

      »Biegen Sie rechts ab und folgen Sie dem Hauptgang bis ans Ende, Sir. Dieses Schiff ist recht übersichtlich konstruiert. Sie können sich nicht verlaufen.«

      »Schön … Freitag, nicht wahr? Ein seltsamer Name für einen Kampfroboter.«

      »Trooperin Savoy fand es nützlich, mir eine kurze und individuelle Bezeichnung zuzuordnen. Ich führe allerdings immer noch meine eigentliche Serien-Nummer. Möchten Sie sie erfahren?«

      »Nein, nicht nötig. Freitag genügt mir völlig.« Girard grinste belustigt, dann wandte er sich um.

      Freitag sah ihm nach und ein Beobachter hätte eventuell den Eindruck bekommen können, dass der Roboter ein wenig enttäuscht wirkte. Aber es gab keinen Beobachter.

      Girard wollte das Schott zur Zentrale öffnen, fand aber keinen Öffnungsmechanismus. Also klopfte er mehrmals an das massive Material und wartete. Als sich nichts tat, hob er erneut die Hand. Doch zu weiteren Klopfzeichen kam er nicht mehr. Das Schott zischte geschmeidig auseinander und Bérénice stand unmittelbar vor ihm. Sie verdeckte einen Teil der Sicht, aber nicht alles …

      Girard nahm hinter ihr einige undeutliche Bewegungen wahr, vermutlich von sehr großen Lebewesen. Seine Augen erhaschten etwas, das aussah, wie eine warzige Haut, die in einer Hand, eher einer Klaue, endete … mit drei Fingern!

      »Was zur Hölle ist hier los, Madame? Was sind das für Wesen?«

      »Bleiben Sie locker, Monsieur. Ich versichere Ihnen: Es sind Freunde! Außerirdische, ja. Aber Freunde.« Sie wartete seine Reaktion ab und nickte, als er ruhig blieb. »Noch etwas, Kamerad: Wir haben es exakt diesen beiden Freunden zu verdanken, dass der Krieg zwischen den Mazzar und uns beendet ist. Haben Sie das verstanden, Soldat? Der Krieg ist aus!«

      Girard blickte sie an, als hätte sie in einer anderen Sprache zu ihm gesprochen. »Aus? Und was ist mit meinen … unseren Kameraden im Camp? Die Sambolli foltern, quälen und töten fast jede Woche einen von uns. Wir müssen sie da rausholen, wenn es stimmt, was Sie da behaupten.«

      »Eines nach dem anderen, Monsieur«, versuchte Bérénice ihn zu beruhigen. »Wir holen alle aus dem Lager. Noch heute, das verspreche ich Ihnen. Es wird ein wenig dauern, bis sich die Nachricht vom Ende des Krieges in beiden Einflussgebieten verbreiten wird. Das muss Ihnen klar sein, Monsieur! Aber es ist die Wahrheit.« Dann trat sie einen Schritt beiseite und gewährte ihm freien Blick auf die beiden Fremdwesen. »Dies sind Siyoss und Bozadd … zwei Mazzar.«

      Girard starrte in den kleinen Raum hinein, als hätte er den Teufel persönlich erwartet. Beide Trooperinnen behielten ihn im Auge, bereit einzuschreiten, sollte er auf eine dumme Idee kommen. Doch er blieb einfach stehen und schien den Anblick der Krötenwesen aufzusaugen, wie trockener Wüstensand einen Tropfen Wasser.

      »So sehen sie also aus, die Mazzar«, murmelte er und machte ein, zwei Schritte in den Raum hinein. Die beiden Pazifisten blickten ihm entgegen und gaben einige Klacklaute von sich. Der Translator, der zwischen ihnen auf einem kleinen Pult stand, übersetzte das Klacken sofort.

      »Wir grüßen Sie, Trooper Girard. Es ist uns eine Freude, einem Menschen, erst recht einem Krieger, endlich als Freund und Verbündetem begegnen zu können.«

      Sofort hakte Girard bei dem unerwarteten Wort nach.

      »Verbündete? Was soll nun das wieder bedeuten? Nicht so schnell bitte. Ich muss erst mal verdauen, dass ich Sie nicht umbringen soll … und Sie mich.«

      »Ich sagte doch schon, Monsieur: Eines nach dem anderen«, unterbrach Bérénice die kurze Unterhaltung. »Es gibt viel – sehr viel – zu besprechen. Ich schlage vor, dass wir uns zunächst um die naheliegendste und dringendste Aufgabe kümmern: die Gefangenen.«

      In der anschließenden Stunde verfolgte Girard die Besprechung zwischen den beiden Mazzar und der dunkelhäutigen Trooperin nur mit einem Ohr. Es war für ihn einfach überwältigend zu beobachten, wie sachlich und konzentriert die so verschiedenartigen Wesen sich um eine gemeinsame Aufgabe bemühten: die Befreiung seiner Kameraden. Es wurde ihm von Minute zu Minute bewusster, dass es nicht einfach damit abgehen würde, sich vor den Lagerkommandanten zu stellen und ihm mitzuteilen, der Krieg sei vorbei. Dazu waren die Sambolli nicht zivilisiert genug. Okay, es war ihr Heimatplanet und nur wenige zehntausend lebten mittlerweile auf anderen Welten des Mazzar-Reiches. Im Grunde waren die Sambolli noch viel zu sehr in ihrem eigenen Stammesdünkel und ihren Fehden verhaftet, die sich seit ihrer Entstehung bis in die heutige Zeit mehr oder weniger erhalten hatten. Es gab fortschrittliche Stämme, die mit Vehemenz das portionsweise von den Mazzar an sie übergebene Wissen aufsaugten wie kostbaren Blütennektar. Andere Stämme führten immer noch Kriege gegen Sambolli-Gruppen, denen das Weltall, die Mazzar und erst recht der Krieg gegen die Menschheit offenbar scheißegal waren. Zu welcher Gruppe der Schlächter, also der Kommandant ihres Gefangenenlagers zählte, konnte niemand von ihnen sagen.

      Ohne dass er es bemerkt hatte, hatte sich Naya ebenfalls aus der Diskussion gelöst und sich zu ihm gesetzt.

      »Darf ich Sie etwas fragen, Trooper Girard?«

      »Bitte nennen Sie mich Laurent, Madame Naya.«

      »Nur wenn Sie das Madame weglassen. Ich bin keine Dame.«

      »Ich sehe das anders. Aber wie Sie wollen … Naya. Was möchten Sie wissen?«

      »Es war nicht Ihre erste Flucht, wie ich mitbekommen habe.«

      »Meine vierte.«

      Sie schien die Zahl erst mal verarbeiten zu müssen. Sicher hatte sie über Bérénice genug über deren Flucht erfahren, sodass sie abschätzen konnte, was seine Versuche wohl bedeuteten. »Sie müssen verrückt sein, Laurent.«

      »Ja, bin ich. Nach …« Er unterbrach sich, konnte aber den Blick nicht von Bérénice wenden, die gerade über einer Karte brütete, die den halben Frontschirm einnahm und den Standort des Lagers mit einem einfachen Kreis markierte. Naya hatte seinen Blick aber bemerkt. Und den richtigen Schluss gezogen.

      »Wann machten Sie Ihren ersten Fluchtversuch?«

      Er deutete mit einem Nicken zu Bérénice. »Nur wenige Tage, nachdem sie verschwunden war. Und der Jagdtrupp ohne sie zurückkam. Aus dem Verhalten der Sambolli wurde sehr schnell klar, dass sie sie nicht gefunden hatten. Selbst ihre Leiche hätten sie geborgen, um sie neben die anderen Skelette an der Hauswand des Schlächters zu hängen. Ich floh damals allein, sozusagen spontan, ohne Plan.«

      »Und?«

      »Leider fassten mich die Jäger schon am nächsten Tag. Die Strafe des Kommandanten fiel daher entsprechend harmlos aus.« Er deutete auf seine Brust, welche von der hellblauen Montur bedeckt war. Naya hatte die Narben darauf bei seiner Ankunft gesehen und verstand. »Die Schnitte waren zwar lang, aber nicht besonders tief«, fuhr er fort. »Meine zweite Flucht – ein paar Wochen später – dauerte vier Tage. Als Konsequenz schälten sie mir mit ihren Peitschen ein wenig Fleisch vom Rücken.«

      »Aber Sie haben überlebt. Hofften Sie tatsächlich, Nice im Dschungel finden zu können?«

      »Ja, diese Vorstellung hatte ich. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie dort draußen lag … vielleicht verletzt, wahrscheinlich aber tot. Zuerst war ich stinksauer auf sie, dass sie mich nicht eingeweiht und mitgenommen hatte. Aber ein paar Tage später … ich wollte sie nicht den Tieren überlassen. Wenigstens ein anständiges Begräbnis wollte ich ihr gönnen.«

      »Und mit ziemlicher Sicherheit selbst dabei draufgehen.«

      »Das war mir egal, Naya.«

      Für ein paar Minuten schwiegen sie. Dann setzte Girard ohne Aufforderung seine Schilderung fort.

      »Danach dauerte es sehr lange, bis mich unser Doktor wieder zusammengeflickt hatte. Dabei war er selbst kaum mehr in der Lage, anderen zu helfen. Diese beschissene Krankheit hat ihn dahingerafft. Seltsamerweise reagierte der Lagerkommandant Saddis-til-saddis –