Susanne Sievert

Bloody Julie 2.0


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Idee, sage ich euch, ganz schlechte Idee.

      Unser erster Ausflug führte uns zu einer Scheune und ich sage euch, nicht nur die Zombies sind krank. Die Menschen sind viel schlimmer. Merkt es euch, die Menschen, Leute! Wir trafen auf Grace und ihre Familie sowie zwei Fremde, mit denen die Typen nichts Gutes im Sinn hatten. Das Ende vom Lied: Die Familie ging drauf und es gelang uns, die Fremden zu befreien. Nolan und Rosalie, falls ihr euch immer noch nicht erinnern solltet.

      Nolan führte uns zu einem Motel. Ein klasse Schuppen. Weitab vom Schuss, mit gemütlichen Betten, Essen und endlich mal ein bisschen Ruhe und Frieden. Haha, nein, sorry, war nur ein Spaß. Hier fing der Ärger erst richtig an.

      Nachdem wir das Motel von Zombies befreit hatten, gab es regelmäßig Streit zwischen Nolan und Julie. Ich würde es als Machtkampf bezeichnen, aber das darf sie nicht erfahren, okay? Thema „Roter Wüterich“ und so, soweit klar? Außerdem gab es Ärger mit Rob und bevor ich euch mit langweiligen Details nerve, hier eine Kurzfassung der Ereignisse:

      Rob tötete hinterrücks unseren besten Freund Bobby Bear – ruhe in Frieden alter Knacker – wir brachten dafür Rob um die Ecke und nachdem wir das alles erledigt hatten, war noch lange nicht Schluss. Rosalie beging Selbstmord, verwandelte sich in einen Zombie und biss mich. Ja, ohne Scheiß! In meinen linken Arm. Tja, ich überlebte den Angriff und habe keinen Plan, warum ich ein Mensch geblieben bin.

      Julie drehte durch und tötete Rosalie. Das wiederum fand Nolan zum Kotzen und, tja, da wären wir wieder am Anfang meines Monologs: Nolan erschoss meine Schwester und Olivia knallte wiederum ihn ab. Was für ein Gemetzel.

      Ihr habt bestimmt vermutet, das war’s, richtig? O nein, es kommt noch abgefahrener, das verspreche ich euch.

      An dieser Stelle werde ich aber nichts weiter verraten. Ihr müsst schon selber am Ball bleiben.

      Hab keinen Bock, mehr zu erzählen; die Wände kommen immer näher und ich bekomme Hunger. Schon wieder …

      Part 1

      Wo bin ich?

      Die Geister, die ich rief

      Das Leben ist eine Herausforderung. Und es lässt dir genau zwei Möglichkeiten: Annehmen oder Ablehnen.

      Ach, ich formuliere es deutlicher: Aufgeben oder Weitermachen.

      Na, lieber ganz direkt: den Mittelfinger in den Wind halten oder zu Mami laufen.

      Früher gehörte es mal zu meinen Plänen, das Leben einfach anzunehmen. Und was ist passiert? Gevatter Tod kam um die Ecke. Seit ich auf der Welt bin, spuckt es in mein Gesicht, dieses Leben. Mein Dasein war schon immer kompliziert, anstrengend und voller Stolpersteine. Und jetzt stelle ich fest, dass Sterben sogar noch viel unangenehmer ist. Es ist nicht friedlich oder erlösend. Da ist kein Licht, nur Bedauern. Und selbst im Tod lasse ich Jules nicht los.

      Der Tod lässt dir keine Wahl, das Leben schon.

      Ja, leben ist besser.

      Aber ich muss fair bleiben, schließlich hätte ich es übler treffen können, denn nach meinem Tod sehe ich Jules. Es ist immer derselbe Traum, der sich in einer endlosen Schleife wiederholt. Keine Ahnung, ob es wirklich ein Traum ist, aber wie beschreibe ich die Bilder am besten, die sich in meinem toten Hirn abspielen?

      Jules beugt sich über mich und auf seinem Gesicht sehe ich das traurige Lächeln aus unserer Kindheit. Ein gequältes Lächeln, das sagt: Kopf hoch, Julie. Es wird schon. Er verspricht mir mit Tränen in den Augen, dass er bei mir bleibt. Dass er mich nicht verlässt und mich liebt. Seine Arme zittern, während er mich verbissen festhält, und ich atme seinen Duft ein, der mir die Angst vor dem Sterben nimmt. Ich fühle etwas, das es lange Zeit nicht gab. Einen Hauch von Glück.

       Wie eine Blume.

       Und wie ein Herz.

      Ach, Jules. Ich habe es versaut und werde dich nicht mehr unterstützen können, wenn die Welt zusammenbricht. Ich bin tot und das ist allein meine Schuld. Verdammt, ich wusste, dass meine große Klappe mich eines Tages ins Grab bringen wird. Aber so schnell? Und gerade dann, wenn ein Wunder geschieht?

      Universum, ich habe dich oft beschimpft und sage es liebend gern noch einmal: Du bist eine dumme Sau.

      Ich träume von meinem Bruder. Von diesem einen Moment, kurz bevor ich sterbe. Der Traum endet an der Stelle, an der Jules seinen Mund öffnet, um etwas zu sagen. Genau dann spüre ich den brennenden Schmerz und der Ablauf wiederholt sich - erlöst mich von den Qualen. Jules’ Lächeln ist alles, was mir bleibt. Wie gesagt: Nicht die schlechteste Wiederholung, wenn man in einer Spirale gefangen ist.

      Es ist wieder soweit. Die Bilder spulen sich von Neuem ab, dieses Mal ist es jedoch anders. Ich spüre es, obwohl ich tot bin und nichts mehr wissen sollte. Es ist nur ein vages Gefühl, aber es reicht aus, dass mir kalt wird. Dieses Mal fürchte ich mich, als ich Jules’ Lächeln und die dicken, runden Tränen betrachte, die seine Wangen hinunterrollen. Kein Mitgefühl, nur die Gewissheit, dass mir etwas Unheilvolles bevorsteht. Eine seiner Tränen tropft auf meine Wange. Seine Arme zittern, sie schütteln mich regelrecht durch und als er seinen Mund öffnet, ahne ich, dass der Traum sich nicht wiederholen wird. Jules’ Lächeln bleibt und der Schmerz ist unbeschreiblich, als er seine Zähne in meinen Arm schlägt.

      Ich möchte um Hilfe rufen, aber wer soll mich retten, wenn mein eigener Bruder mich töten will? Ich versuche zu schreien, aber alles, was ich höre, ist ein Wimmern und dann geschieht etwas Merkwürdiges: Jules verschwindet. Was man vom Schmerz leider nicht sagen kann. Ein reißendes Gefühl breitet sich in meinem Brustkorb aus und als ich die Augen öffne, höre ich einen Schrei. Meinen.

      Wo auch immer ich bin, es ist stickig und warm. Ich bekomme keine Luft und mit jedem schweren Atemzug habe ich das Gefühl, Staub in meine Lunge zu saugen. Ich huste, blinzle und versuche, mich zu orientieren.

       Wo bin ich? Was …? Was … geschieht mit mir?

      Meine Augen tränen, das Blut rauscht in meinen Ohren und ich höre nichts als meinen eigenen Atem.

       Jules? O Gott, wo bin ich nur?

      Meine Hände kribbeln und abgesehen vom Schmerz schnürt mir die aufkommende Panik den Brustkorb enger. Mittlerweile bin ich klitschnass geschwitzt und frage mich hechelnd, ob das die Hölle ist, von der meine Mutter immer gesprochen hatte, wenn sie über ihr Leben klagte.

      Ächzend rutsche ich ein Stück nach unten – jede Bewegung ist eine zu viel – und höre ein Rascheln. Ich schrecke zusammen und stelle erleichtert fest, dass ich selbst das Geräusch verursacht habe.

      „Nicht durchdrehen, Julie“, ermahne ich mich. Meine Stimme klingt rau und trocken, aber sie ist vertraut. Ein Anker.

      Mir wird schwindlig, also beschließe ich, lieber klein anzufangen. Ich taste neben mich und fühle Stoff auf einer weichen Oberfläche. So weit, so gut. Ich schätze, ich liege auf einer Matratze mit einer Decke, rau, geruchslos und gestärkt.

      „Wie kuschlig“, murmle ich und versuche, die Decke mit den Füßen abzustreifen. „Das ist ja wie im Krankenhaus. Schrecklich.“ Es klappt nicht, also klemme ich die Decke zwischen meine Füße, muss aber einsehen, dass ich nicht genug Kraft habe. Es ist keine gute Idee, es weiter zu versuchen. Ich lege eine Pause ein.

      „Also gut, immer mit der Ruhe, Julie.“ Selbstgespräche hatte ich lustiger in Erinnerung. Ach nein, das waren ja meine anderen verrückten Stimmen, die mich jetzt im Stich lassen.

      Ich kneife die Augen zusammen, blinzle und wische mit der Schulter mein Gesicht trocken. Langsam lichtet sich der Schleier und Ruhe verdrängt die Panik. Eine gute Gelegenheit, meine Umgebung näher zu betrachten.

      Mein Kopf rollt nach links und das erste, was in mein Blickfeld fällt, ist ein Kleiderschrank, geschmackvoll in Kotzgrün gehalten, mit offenen Fächern, in denen Handtücher und andere Stoffstapel liegen – aus meiner