Anita Egger

Das schmutzige Mädchen


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nichts dazu.

      „Sagen Sie mir was Sie von mir wollen und dann gehen Sie wieder!“, befahl ich ihm.

      „Alles wieder in Ordnung mit der Wohnung?“, fragte er und ging ins Wohnzimmer.

      Er ging auf die Fenster zu, begutachtete die Arbeit des Glasers.

      „Danke, dass Sie das für mich in Ordnung gebracht haben. Ich war sehr froh darüber als ich aus dem Krankenhaus kam.“

      „Sie waren so schnell wieder zurück, dass es der Glaser kaum rechtzeitig geschafft hat.“, sagte er.

      „Sie? Heute gelingt es Ihnen sogar, die Form zu wahren.“

      „Ja, sogar ein Scheiß-Bulle kann das“, sagte er provokant.

      „Was wollen Sie?“, fragte ich.

      „Darf ich mich setzen?“, entgegnete er.

      „Wenn es sein muss“, meinte ich.

      „Ich muss höflich sein, Sie aber nicht“, sprach er und sah mich beleidigt an.

      „Weshalb sagen Sie verdammt nochmal nicht einfach was Sie von mir wollen? Soll ich aussagen vor Gericht? Von mir aus, mache ich! War 's das jetzt?“, fragte ich.

      „Wenn es eine Gerichtsverhandlung gibt, dann eine, die um etwas ganz anderes geht, als Sie denken, Fräulein.“, erklärte er sehr laut.

      Langsam fing ich an zu ahnen, dass sein Besuch Schwierigkeiten mit sich brachte, von denen ich nichts geahnt hatte.

      Er hatte sich auf meiner Couch niedergelassen und zog seine Jacke aus. Jetzt sah man seine Waffe. Plötzlich hatte ich Respekt vor ihm. Ich hatte immer Angst gehabt vor Polizisten, doch nicht vor ihm. Er hatte die Sache aus einer anderen Warte gesehen, der große Beschützer, daran aber könnte sich etwas geändert haben. Heute war er anders, ganz anders auf eine Weise; er ging auf Angriff.

      Etwas eingeschüchtert sagte ich: „Tut mir leid, ich hatte nicht mit Besuch gerechnet heute. Hätten Sie gerne etwas zu trinken?“

      „Setzen Sie sich“, sagte er.

      Ich gehorchte, setzte mich gegenüber in den Sessel. Dann lehnte er sich vor zu mir, ich wich ein wenig zurück.

      „Das Bild von dem Verhafteten haben Sie selbst gemalt. Es ist sehr gut gelungen. Gerade so, als ob Sie professionell zeichnen könnten. Sicherlich haben Sie noch mehr Zeichnungen, die Sie selbst angefertigt haben, die würde ich gerne sehen.“, erklärte er.

      „Nein!“, sagte ich überrascht, „ich zeichne nicht. Was soll das?“

      „Sie werden mir doch nicht erzählen, dass dies Ihre einzige Zeichnung ist!“, meinte er.

      Ich wurde nervös. Was sollte das? Langsam begriff ich, dass ich verhört wurde. Nicht aber als Opfer, sondern als was?

      „Doch. Ich zeichne nicht. Das ist das einzige Bild dieser Art. Ich habe es angefertigt, weil mir mein Psychologe dazu geraten hat. Das wissen Sie von der Polizei doch alle!“, sprach ich nervös.

      „Und warum wollte Ihr Psychologe, dass Sie das Bild malen?“

      „Seit dem ersten Übergriff auf mich habe ich immer das Gesicht meines Angreifers vor mir gesehen, es verfolgte mich Tag und Nacht. Immer sah ich sein Gesicht. Mein Psychologe war der Ansicht, es würde mir helfen, meinem Angreifer ins Gesicht zu sehen, er würde dadurch seinen Schrecken verlieren. Doch es war anders: Ich war froh als das Bild weg war, mich nicht immer anstarrte. Das machte mir nur noch mehr Angst, es gäbe eine weitere Begegnung mit meinem Widersacher.“, sprach ich.

      „Und die gab es tatsächlich?“, fragte er.

      „Sie waren dabei!“, entgegnete ich.

      „Nun ja! Ich glaube Ihnen, dass Sie der Ansicht sind, das Bild zeigt den Mann, der Ihnen dies alles angetan hat. Ich denke nur, es könnte sein, dass es zwei Männer in Ihrem Leben gibt, die Ihnen Böses angetan haben.“, sagte er.

      „Ich verstehe nicht. Was ist denn los? Wieso zwei?“, fragte ich.

      „Das sage ich Ihnen: Der Mann, der Sie hier in Ihrer Wohnung bedroht hat, den wir verhaftet haben, dessen Gesicht Sie so genau zeichnen konnten, ist nicht derselbe Mann, der Sie damals im Winter überfallen hat. Er kann es nicht sein, denn er war definitiv nicht in Deutschland zu diesem Zeitpunkt.“

      „Was?! Aber er ist es doch! Woher sollte ich sonst wissen wie er aussieht?“, fragte ich völlig überrascht.

      „Christine! Ich weiß, dass ich nicht der Erste bin, der Sie dies fragt, aber bitte, in Ihrem eigenen Interesse, Sie müssen mir jetzt die Wahrheit sagen: Wann haben Sie den Mann auf dem Bild zum ersten Mal gesehen? Denken Sie nach! Es ist gut möglich, dass Ihnen die eigenen Sinne einen Streich spielen, überlegen Sie genau! Weshalb konnten Sie dieses Gesicht so haargenau zeichnen? Kannten Sie den Mann aus irgendeiner anderen Erinnerung in Ihrem Leben? Als Kind vielleicht?“, fragte er eindringlich.

      „Nein“, sagte ich. Dann dachte ich nach, versuchte zu verstehen, wonach er eigentlich fragte. Er war davon überzeugt, dass der Mann auf dem Bild bei dem Angriff im Winter nicht dabei war; also meinte er, dass ich es mir einbildete, das Gesicht eines Mannes gezeichnet hatte, den ich von früher her kannte. Doch das konnte nicht sein. Ich wusste ganz genau, dass er es war und kein anderer. Ich hatte das Bild nur aus diesem Grund, weil er es war, überhaupt erst zeichnen können. Der Kerl hatte die Polizei getäuscht, er hatte ein gut getäuschtes Alibi, falsche Zeugen bestochen, eine andere Identität angenommen, was auch immer. Koffner wurde getäuscht, die Polizei wurde getäuscht, doch sie glaubten dem Täter, nicht mir.

      „Was nein?“, fühlte mir Koffner auf den Zahn.

      „Ich weiß todsicher, dass der Mann auf dem Bild der Kerl ist, der mich im Winter überfallen hat. Ich hätte das Bild sonst gar nicht zeichnen können. Dieses Gesicht habe ich noch nie zuvor gesehen, nicht vor jener Nacht. Warum sollte er denn in meine Wohnung eingebrochen sein? Haben Sie dafür eine Erklärung, wenn Sie mir schon nicht glauben?“

      Koffner sah mich streng an. Er wusste nicht, ob er mir glauben sollte. Er war Polizist und wusste genau was für ein Typ Mensch ich bin. Meine kriminellen Elemente machen mich der Polizei gegenüber jedenfalls mehr zum Täter als zum Opfer. Doch der Einbrecher mit dem Gesicht des Mannes auf dem Bild war ebenfalls ein Krimineller. Koffner, als ein nicht unerfahrener Polizist, sah uns beide als Täter. Fragt sich nur, wer mehr Dreck am Stecken hat, wer schlimmer lügt, der Einbrecher oder ich.

      „Dafür hat er uns eine Erklärung abgegeben: Das Bild. Er war nicht der Mann, der dich im Winter überfallen hat, doch mit den Plakaten seines eigenen Gesichts als Steckbrief einer Groß-Fahndung konnte er sein Leben nicht weiterführen. Er wollte dich dazu bringen, dass du die Wahrheit sagst, eine ihn entlastende Wahrheit. Zum anderen aber hatte er auch gesagt, er wusste nicht, woher du sein Bild hast, er wäre dir niemals begegnet.

      Was habt ihr beide zu verbergen, du und er, Christine? Hat er dich als Kind missbraucht? Vielleicht weißt du das auch gar nicht mehr, deine Seele hat es verdrängt, doch dein Kopf hat sich das Bild gemerkt.“

      „Nein! Ganz falsch! Ich habe ihn noch nie gesehen.“

      „Er war es aber nicht, im Winter war er nachweislich in USA“

      „Wieso glauben Sie ihm das nur? Er kann doch zwischenzeitlich einfach einen Trip in die Heimat gemacht haben von dem niemand etwas weiß. Er lügt! Wieso sollte er es zugeben, wenn er doch so ein gutes Alibi hat, das ihm jedermann abnimmt?“

      „Carsten Fischer, so heißt der Mann, saß in dieser Nacht, sowie zwei Wochen zuvor und zwei Wochen danach, wegen Autodiebstahls in einem Vorort von New York im Gefängnis. Er konnte nicht weg von dort, wir haben das mehrmals überprüft.“

      „Carsten Fischer“, wiederholte ich nachdenklich.

      „Sagt dir der Name etwas?“, fragte Koffner.

      „Nein“, entgegnete ich, doch das war gelogen.

      Tatsächlich sagte