Anita Egger

Das schmutzige Mädchen


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wollte ich nun wissen.

      „Dieter. Du darfst Dieter sagen.“

      „Dieter Koffner“, sprach ich nachdenklich.

      „Und der Name? Sagt dir mein Name etwas?“, fragte er mit einem sehr seltsamen Blick.

      „Nein“, entgegnete ich. Auch das war gelogen. Der Name klang merkwürdig vertraut, so als kannte ich ihn. Aber auch diesen Namen konnte ich nicht einordnen.

      „Ich bin hier, weil meine Kollegen von der Kripo der Ansicht sind, du hättest dir das Bild von dem Mann nur ausgedacht, weil du ihn durch ein Ereignis kanntest, von dem du der Polizei partout nicht berichten willst, so etwas wie einen Drogendeal oder eine andere Straftat, in die du verwickelt warst. Wenn du mit Carsten Fischer gemeinsam etwas angestellt hast, dann hättest du Grund gehabt, ihn hinter Gitter wandern zu lassen, um dich selbst vor seinem Verrat zu schützen.“

      „Ist klar, ihr wollt unbedingt, dass ich Schuld habe und sonst niemand.“, meinte ich beinahe weinerlich.

      „Du bist von drei Männern gequält und geschlagen worden, sie wollten dich bei minus 15 Grad auf offener Straße vergewaltigen, bist gerade noch dem Tod entronnen. Dann wurdest du in deiner Wohnung von einem Mann mit dem Messer bedroht und verletzt. Dafür, dass du schuld an etwas sein solltest, ist dir selbst schon zu viel passiert.

      Die Kripo ist auf der Suche nach der Wahrheit und würde sehr gerne mit dir zusammenarbeiten. Wenn wir den falschen Mann haben, dann läuft der andere noch frei herum und stellt eine Gefahr für andere Frauen dar.“

      „Die Kollegen von der Kripo. Und Sie sind nicht von der Kripo?“

      „Nein, sagte ich dir schon. Wenn ich du sage, dann darfst du das auch. Also: Ich bin von einem Sonderkommando, Personenschutz.“

      „Personenschutz? Aber weshalb verhörst du mich dann? Warum ermittelst du in der Sache?“, fragte ich.

      „Das gehört mit zum Job. Ich muss wissen in welcher Situation sich die zu schützende Person befindet, die Hintergründe und das Umfeld kennen.“

      Ich blickte in seine Augen, versuchte schlau aus ihm zu werden. Er selbst glaubte wohl gar nicht, dass ich den Mann auf dem Bild schon früher kannte. Führte er das Gespräch nur, um mein Vertrauen zu gewinnen? Wollte er mich gar nur kennenlernen, weil er auf mich aufpassen muss?

      „Personenschutz bei mir? Du beschützt mich immer noch? Wovor denn?“, wollte ich wissen.

      „Einiges ist mir noch unklar bei der ganzen Sache, aber was ich mittlerweile sicher weiß, ist dass der Kerl, der dich überfallen hat damals im Winter, noch eine Rechnung offen hat mit dir. Ich weiß nicht, ob du die Wahrheit sagst, der Kerl hat einen Doppelgänger, maskiert vielleicht, oder aber auch er sieht in Wirklichkeit ganz anders aus, egal! Ich will dir ja nicht unnötig Angst machen, aber ich kenne solche Situationen, du bist nicht außer Gefahr, absolut nicht.

      Wenn dir dein Leben lieb ist, die Unversehrtheit deines Körpers, dann solltest du mir spätestens jetzt alles sagen was du weißt, denn nur so bin ich schneller als der Täter. Anders haben wir wenige Chancen dich rechtzeitig zu bewahren. Ich bin mir nämlich sicher, der Kerl weiß sehr genau, dass du polizeilich geschützt wirst. Wenn er an dich ran will, wird er sich eine Situation aussuchen, in der er freies Feld hat.“

      Ich dachte lange und besorgt über diese Worte nach, bis ich zu dem Schluss kam: Die Polizei stellt mir eine Falle. Sie wollen mir Angst machen, damit ich auspacke. Ich soll ihnen sagen, was Carsten Fischer wirklich mit mir gemeinsam an Verbrechen verübt hat, ein Geständnis ablegen, das ist ihr Ziel. Alles andere ist einfach zu abstrakt. Weshalb sollte, selbst wenn es stimmt was Koffner sagt, der Täter eine Rechnung mit mir offen haben? Außerdem ist es doch der Kerl, der jetzt hinter Gittern sitzt. Er hat die Polizei getäuscht. USA ist weit weg.

      Diese verdammte Polizei, ich hasste sie.

      Lächerlich, dieser Koffner mit seinen Tricks! Sonderkommando! Personenschutz! Das gibt es doch nur im Fernsehen. Er hat mir einen Bären aufgebunden, will sich irgendwelche Prämien verdienen, wenn er mich zum Reden bringt. Ich hasste ihn und seine Tricks!

      Vielleicht aber wollte Koffner doch etwas anderes von mir. Er wollte wissen, ob ich ihn kannte, dem Mann auf dem Bild. Es war ihm wichtig, ob ich ihm vor dem Überfall schon einmal begegnet war. Und er wollte noch etwas: Mir Angst machen. Er wollte, dass ich in Alarmbereitschaft bleibe. Warum ist das so wichtig für ihn, wenn er mich sowieso schützt? Was könnte ich schon ändern, wie könnte ich mich selbst verhalten, dass ich nicht mehr angegriffen werde?

      Ich verstand es nicht. Sein Besuch jetzt bei mir, was war so wichtig? Was wollte er von mir erfahren? Irgendwie hatte ich den Eindruck, er wollte mich eher informieren, als verhören.

      So sehr wie ich an einen Betrug durch die Polizei glaubte, so glaubte ich doch in selbem Maße daran, mein Verstand spielte mir einen Streich. Nehmen wir mal an, der Mann, der nun hinter Gittern saß, wäre wirklich nicht der Mann auf dem Bild: Nun ja, etwas war seltsam an der Begegnung mit ihm. Es gab so ein Gefühl, dass er mir nicht ernsthaft etwas Schlimmes antun würde. Dieses Gefühl gab es bei der ersten Begegnung im Winter nicht. Da fühlte ich, dass er vorhatte mich zu töten. Es hätte ihn in jeder Hinsicht befriedigt mich zu töten. Nicht nur deshalb, weil ich ihn dann nicht als Täter identifizieren hätte können, nein, nicht nur deshalb. Er hätte es gewollt, weil er es eben wollte. Der Mann in meiner Wohnung aber wollte mich nicht töten. Er hatte selbst Angst, ich fühlte, dass er sich in die Enge getrieben fühlte durch die Situation. Seine Hände waren schwitzig, seine Stimme zitterte. Er war nicht halb so selbstsicher wie der Mann im Winter. Und dann war da noch dieser Blick von ihm als er abgeführt wurde. Es war so, als bereute er es, nicht gesprochen zu haben mit mir. Er wusste, er hätte es anders angehen müssen mit mir.

      Gefühle! Es könnte auch sein, dass ich mir alles nur einbildete, doch dies ließe ebenfalls Fragen über Fragen offen.

      Am selben Abend noch googelte ich Carsten Fischer. Ich bekam heraus, dass er in München-Stadelheim in Untersuchungshaft saß. Also rief ich dort an und wollte einen Besuchstermin mit Fischer vereinbaren. Zunächst durchlief ich die ganz normale Bürokratie mit meiner Anfrage. Doch als die Dame am Telefon meinen Namen hörte, stockte sie erst, dann stellte sie mich zu einem Herrn von der Gefängnisleitung durch.

      Der vermutete erst, ich wolle mir einen Scherz erlauben oder wäre von der Presse. Er fragte mich nach dem Grund meines Besuchs. „Ich möchte Carsten Fischer etwas fragen“, erklärte ich.

      „Sie sind es wirklich, oder?“, stellte er fest.

      „Natürlich. Ist es jetzt möglich oder nicht?“, fragte ich.

      „Kommen Sie vorbei, wir werden sehen. Der Gefangene kann Ihren Besuch auch ablehnen.“, erklärte der Mann und schlug mir einen Termin vor.

      Als ich ankam, wurde ich ins Büro von Herrn Direktor Neumeier von der Gefängnisleitung gebracht. Es war der Mann am Telefon.

      „Der Gefangene hat Ihr Leben bedroht, weshalb wollen Sie ihn sprechen, kommen allein hierher?“, fragte mich der Direktor.

      „Die Polizei ist der Ansicht, er wäre in Wahrheit nicht der Täter. Sie verdächtigen mich, Carsten Fischer schon länger zu kennen. Doch ich habe ihn nie zuvor gesehen. Ich verstehe das alles nicht. Ich hätte gerne gewusst, ob er es war oder nicht, der mich im Winter überfallen hat.“, erklärte ich.

      „Möchten Sie denn die Recherchen nicht lieber der Polizei überlassen? Ein Gespräch mit diesem Mann versetzt Sie doch nur unnötig in Unruhe? Was soll das helfen?“, entgegnete der Mann.

      „Sie haben mich kommen lassen, mir einen Termin gegeben, klappt es nun oder nicht?“, fragte ich ungeduldig.

      „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das zulassen soll“, sagte er und musterte meine Reaktion, „haben Sie jemanden von der Polizei über Ihr Vorhaben informiert?“

      „Nein. Muss ich das denn? Ich will nur einen Mann im Gefängnis besuchen, ist das so schwer?“, fragte ich.

      „Also gut. Aber ich werde die für