Maryam Munk

Das Kamjuna


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aber nur ganz wenig."

      Ailich schüttelte den Kopf. Mit gestrecktem Finger deutete er auf die Nasenspitze des Mädchens. "Worauf zeige ich?", fragte er streng.

      "Is´ mir doch egal!", rief das Mädchen. "Aber was is´n Tajewin?"

      "Tawen-jin", korrigierte Ailich. "Das ist so etwas, wie das Zeug, das ihr Menschen Schnaps nennt." Die finstere Miene des Zwergs hellte sich auf. "Du, Apfelwerferin, du weißt doch noch, wen wir suchen?", fragte er betont freundlich.

      Das Mädchen nickte.

      "Weißt du auch, wohin er unterwegs ist?"

      Das Mädchen schüttelte den Kopf.

      "Sicher hat er mit dir gesprochen, als er im Wirtshaus war?"

      "Klar, das hat´r, aber ich sach dir nix."

      Ailich beherrschte sich. Seine Worte blieben freundlich. "Warum willst du mir nichts über den Troll sagen?"

      "Weil du e´n Giftzwerch bist. Un´ der Droll is´ e´n Lieber. Der hat mir zwei Silberstücke gegeben. Was is´ e´n Droll?"

      Ailich bedachte Migwer mit einem zornigen Blick. "Du hast nicht ganz wenig in deinen Tee getan!"

      Migwer grinste verlegen.

      "Du hast von Silberstücken geredet", wandte Ailich sich wieder dem Mädchen zu. "Wo hast du die denn?"

      Das Mädchen zuckte die Schultern.

      "Einer von euch beiden muss den Balg durchsuchen!", befahl Ailich in der Zwergensprache.

      Das Mädchen verstand nicht, was er sagte, vernahm aber die Grobheit in seiner Stimme. Es klatschte ihm eine Hand auf die Schulter. "Du bist e´n echter Giftzwerch! Ich sach nix über´n Droll." Nach diesen Worten brach es zusammen.

      Browag, Darwen und der Esel tranken aus einem Bach, der zwischen mit Moos bewachsenen Steinen plätscherte. Danach setzten der Troll und der Mensch sich und lehnten die Rücken an Bäume. Browag betrachtete den Esel. Er bewunderte das Tier. Es war zäh und genügsam. War es erschöpft stehen geblieben, hatte er ihm nur sanft ins Ohr blasen müssen, und es hatte sich weiter bewegt. In diesem Moment fühlte Browag sich dem Esel näher als den Menschen. Er erinnerte sich daran, wie Menschen vor ihm zurückschreckten. Sie empfanden ihn abstoßend hässlich. Er sah die Menschen anders. Für ihn wirkten sie zwar fremdartig, doch keineswegs hässlich. Dafür lebte er schon zu lange unter ihnen. Browag konnte sich vorstellen, sich mit einer Menschenfrau zu paaren, aber ihm war klar, dass sich keine Menschenfrau finden würde, die dazu bereit wäre. Vielleicht, so überlegte er, waren Trolle tatsächlich den Tieren ähnlicher, als den Menschen.

      "Ich habe Hunger", sagte Darwen Bartholome.

      Browag sah ihn an. "Du musst Hexenkraut suchen, damit ich Joog finden kann. Im Wald wird es Hexenkraut geben."

      "Deshalb wolltet Ihr hier hin?" Darwen schüttelte den Kopf. "Ich kenne mich zwar mit Pflanzen aus, doch nicht mit Zauberkräutern. Ich bin Naturkundler, kein Hexenmeister."

      "Warum, Naturkundler, kennst du dich nicht mit Zauberkräutern aus?"

      Nervös drehte Darwen den Hut in den Händen. Er will es nicht begreifen, dachte er. Ich darf ihn nicht verärgern. Wozu ist ein Troll fähig, wenn er wütend ist? "Ich kenne zwar kein Zauberkraut, aber vielleicht kann ich trotzdem helfen. Doch Ihr solltet mir erklären, wer dieser Joog ist und was mit ihm und Euch geschah."

      Browag dachte einen Augenblick nach. "Am Mittag, als die Sonne mich betäubte, bist du bei mir geblieben", sagte er. "Du bist nicht fortgelaufen. Ich kann dir vertrauen."

      So erzählte Browag Darwen von seinem Schicksal, das ihn in jungen Jahren mit Indiga Joog zusammengeführt hatte. Er berichtete von der Freundschaft zwischen ihnen und von der Kriegsfront, an der Menschen gegen Orks kämpften. Browag erzählte von den Flugmaschinen, die Joog hatte bauen lassen, und wie er und der Freund damit gegen Drachen geflogen waren. Darwen konnte sich kein Bild davon machen, was eine Flugmaschine war, obwohl der Troll sie anschaulich beschrieb. Browag erzählte, wie Joog mit seiner Flugmaschine verschwand und er dem Freund folgte, aber die Richtung verlor. Er berichtete, wie er im Wagen der Zwerge gelandet war und sich auf die Suche nach Joog gemacht hatte. Abschließend erwähnte er, dass das Mädchen, das im Wirtshaus bediente, ihn auf den Naturkundler aufmerksam gemacht hatte. So war er auf die Idee gekommen, bei ihm Hilfe zu suchen.

      Ein schweigsamer Moment verstrich, dann deutete Darwen auf den Esel und fragte: "Wie seid Ihr an das Tier gekommen?"

      "Es war wohl den Zwergen entlaufen, nachdem ihr Wagen zerstört war", log Browag. Sein Leben unter Menschen hatte ihn gelehrt, dass es Dinge gab, über die man besser schwieg oder etwas anderes als die Wahrheit sagte. "Der Esel lief mir auf meinem Weg zu. Ich wollte ihn nicht mit in die Stadt nehmen, deshalb band ich ihn an einen Baum."

      Darwen schaute den Troll nachdenklich an. Dann lächelte er und sagte: "Wisst Ihr, Herr Troll, Ihr seid mir ganz sympathisch." Er streckte eine Hand vor. "Ich heiße Darwen."

      Browag blickte auf die ausgestreckte Hand. Niemand hatte jemals eine solche Geste an ihn gerichtet, doch oft hatte er sie unter Menschen oder Zwergen gesehen. Er kannte ihre Bedeutung. "Browag", erwiderte er und legte seine Hand um die des Menschen. "Joog nennt mich so."

      Kapitel 17

      Scharach litt unter Flugangst. Er zwang sich dazu, nicht über den Korbrand zu schauen, sondern geradeaus oder in den Himmel. Doch jeder Blick, wohin auch immer, trieb ihm den Schweiß aus den Poren. Er hasste die Fliegerei. Als Zarder ihm den Befehl erteilte, mit den Drachen zu fliegen, hätte Scharach ihn am liebsten getötet. Aber er brauchte Zarder. Nur durch die Hexenkunst des Magiers gewannen die Orks Schlacht für Schlacht. Scharach war froh, ganz vorne im Korb zu sitzen, sodass keiner der Krieger sein Gesicht sehen konnte. Mit der Pranke wischte er den Schweiß von der Stirn.

      Wie machte der alte Hexenmeister es bloß, dass die Orks siegreich blieben und mehr und mehr Land gewannen? Die Menschenkrieger waren gute, den Orks ebenbürtige Kämpfer, und doch verloren sie jede Schlacht. Schwächte Zarder sie mit seiner Magie, oder stärkte er die Orks? Und woraus bestand die Magie? Aber was fragte Scharach sich das? Was verstand ein Ork schon von Magie? Unter Orks gab es nur Schamanen. Die besaßen zwar auch besondere Fähigkeiten, die man vielleicht als Magie bezeichnen konnte, doch an die Zauberei, zu der Zarder fähig war, reichte es nicht heran.

      Die Steingnome entdeckten den Kriegstrupp der Südorks, der am Fuße des Gebirges lagerte. Der Gnom der den Drachen lenkte, in dessen Korb die Nordorks saßen, informierte Scharach. Mit Erleichterung nahm der Hauptmann wahr, wie die Echse tiefer glitt. Die Erde kam so nahe, dass Scharach hinab blicken konnte, ohne einen erneuten Schweißausbruch zu bekommen. Da war er, der Trupp der südlichen Orks. Dunkle Gestalten, wie von der Sonne verbrannt. Es hieß, ihr Land besäße keine Wälder und statt Gras gäbe es dort nur stacheliges Gewächs, das aus der trockenen Erde wucherte. Diese Orks sollten dafür dankbar sein, an einem Krieg teilnehmen zu können, in dem auch sie neues - anderes - Land gewinnen konnten. Waren sie dankbar? Nein, sie waren eine feige Bande, die sich erst zur Kampffront gewagt hatte, als die Schlacht vorüber war.

      Braggs Trupp hatte die Leichen auf dem Berg gefunden: Menschen, Sumpfgnome und Nordorks, im Tod vereint. Von einem ungeheuren Feuer verbrannt, hatten sie alle einen scheußlichen Anblick geboten. Der Trupp hatte die Toten geplündert, genommen, was noch zu gebrauchen war, dabei keinen Unterschied zwischen Orks und Menschen gemacht. Danach waren die Krieger den Berg hinabgestiegen, hatten am Fuße des Gebirges gelagert und die Nacht verbracht.

      Die Südorks beobachteten die sich nähernden Flugdrachen. Es waren riesige Tier, größer als die Echsen ihrer Heimat. Bevor die Füße der Drachen die Erde berührten, erkannte Bragg die Gestalten in einem der Körbe. Es waren braunhäutige Nordorks mit behaarten Köpfen. Verwundert fragte Bragg sich, was dies zu bedeuten hatte.

      Die Nordorks ließen Leitern hinab, über die sie hinunter stiegen. Sie sammelten sich neben dem Drachen. Sie trugen Hosen und Brustpanzer, wie Menschen. Ihre Äxte waren größer als die der Südorks, besaßen aber nur