Maryam Munk

Das Kamjuna


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angezündet. "Wie sollen wir den Wirtsleuten den Brand erklären?", fragte er Ailich. "Was, überhaupt, wolltest du auf dem Dach?"

      Ailich räusperte sich. "Ich habe den Mond betrachtet. Dabei ist mir die Pfeife in die Regenrinne gefallen." Er besah den Brandschaden. "Das wird teuer", seufzte er. "Eine neue Decke und neue Bodenbretter. Ja, das wird teuer! Und alles wegen diesem Troll."

      "Was hat der Troll damit zu tun?", wunderte Migwer sich.

      "Wenn der Troll nicht wäre", erklärte Ailich aufgebracht, "wären wir nicht hier, und wenn wir nicht hier wären, hätte nichts gebrannt."

      Migwer kratzte sich den Kopf. Balamba ging zu Ailichs Bett und tauschte dessen Decke gegen seine.

      "Was soll das?", fragte Ailich.

      "Ich habe deine Pfeife nass gemacht, dafür darf ich sie behalten. Du hast meine Decke angebrannt, dafür darfst du sie behalten."

      Nun kratzte Ailich sich den Kopf.

      Kapitel 13

      Browag stand unter dem Vordach eines Ladens und beobachtete das Wirtshaus auf der anderen Seite der Gasse. Die wenigen Menschen, die an dem Troll vorüber gingen, hielten ihn für einen hühnenhaften Mann, der unter dem Dach Schutz vor dem Regen gesucht hatte und nicht bemerkte, dass es nicht mehr regnete. Es dauerte nicht lange, bis der elegant gekleidete Mann aus dem Wirtshaus kam. Ein Lichtschein fiel in die Gasse. Der Mann blieb darin stehen, als würde er seine Augen an die Dunkelheit gewöhnen, dann schloss er die Tür und schritt in Browags Richtung. Der Troll trat einen Schritt zurück, wo ihn das Mondlicht nicht fand. Er stand so reglos wie die Balken, die das Vordach stützten. Der Mann bemerkte Browag nicht. Die schmatzenden Laute, die seine Stiefel im Matsch erzeugten, waren die einzigen Geräusche. Der Mann hielt den Blick gesenkt. Browag schaute der Gestalt nach. Der helle Mantel und der helle Hut waren im Schein des Mondes deutlich zu erkennen. Als der Mann in eine andere Gasse abbog, eilte Browag ihm nach.

      Darwen Bartholome verschloss die Tür. Er zog Hut, Mantel und Stiefel aus und Filzpantoffeln an. Er betrat sein Arbeitszimmer. Noch stank es im Raum nicht nach Verwesung. Es roch nur nach Lampenöl. Zwar hatte er den Körper auf dem Tisch mit einer Harzlösung bestrichen, aber die konservierte den Leichnam nicht, verzögerte nur dessen Zersetzung. Darwen überzeugte sich, dass die Vorhänge an den Fenstern noch so hingen wie zuvor, als er das Haus verlassen hatte. Natürlich hatte keine Hand sie während seiner Abwesenheit bewegt. Darwen Bartholome lebte alleine in dem Haus. Er hatte nicht mal eine Haushälterin, obwohl er dringend eine benötigte, wie die Unordnung und der Staub, der die Möbel bedeckte, bewiesen. Darwen zündete die Lampen an, die er vor verlassen des Hauses gelöscht hatte. Nur ein Flämmchen hatte weiter gebrannt, das aber zu kraftlos war, um Licht zu spenden.

      Über einer Ölschale, in deren Mitte ein Docht brannte, war ein geschliffener Kristall befestigt. Durch die kleine Flamme führte ein Metallstäbchen, das mit einer ebenfalls metallenen Rinne verbunden war, die die Schale umrandete. In der Rinne befand sich Wasser. Das Stäbchen leitete Hitze zur Rinne, das Wasser darin verdunstete, die Rinne wurde leichter und hob sich langsam an. Dadurch wurde ein Mechanismus ausgelöst, der Tonkügelchen aus einer Holzschale in regelmäßigen Abständen in eine andere Holzschale hinab klicken ließ. Dies versetzte die Halterung des Kristalls in Bewegung, der gleichmäßig und sehr langsam über dem Flämmchen rotierte. Der Kristall projizierte das Licht des Flämmchens vergrößert auf einen zweiten Kristall, der ebenfalls über ein Gestell montiert war, das dem ersten Gestell glich. Ein zweites Metallstäbchen verband die Rinnen beider Gestelle miteinander. So wurde auch das Wasser in der Rinne des zweiten Gestells erhitzt. Es verdampfte ebenfalls und ließ auch Tonkügelchen klicken. Der zweite Kristall gab das Licht, das er von dem ersten empfing, an hölzerne Stäbchen weiter, die in genau gemessenen Abständen aus dem Rand einer exakt runden Holzscheibe ragten. Weil beide Kristalle unablässig rotierten, veränderte sich stetig der Schatten, der auf die Holzscheibe fiel und von einem Stäbchen langsam zum anderen wanderte. So zeigten die vierundzwanzig Stäbchen die Stunden an und die Kerben dazwischen die Minuten. Darwen musste einzig die Maschinerie in Gang halten, indem er ab und an etwas Öl oder Wasser nachgoss. Die Apparatur nahm einigen Platz im Zimmer ein, aber der Raum war groß genug, auch dem Seziertisch und einigen anderen Tischen Platz zu lassen.

      Darwen zog das gewachste Tuch von dem toten Körper und betrachtete den Gnom. Ein Soldat hatte ihn gebracht. "Frisch von der Front", hatte er gesagt, als er im frühen Morgenlicht die in eine schmutzige Decke geschnürte Leiche von seinem Pferd band. Der Soldat behauptete, von einem Kameraden, der aus Bärwald stammte, von Darwen Bartholome und dessen Interesse an Pflanzen und Tieren erfahren zu haben. Er hatte eine hohe Summe für den Sumpfgnom verlangt, doch Darwen hatte nicht widerstehen können. Seine ohnehin nicht volle Kasse hatte sich noch mehr geleert.

      Die Innenraumsonnenuhr, wie Darwen die Maschinerie nannte, hatte den Schatten zwei Kerben weiter bewegt. Es war sehr spät, aber das hinderte Darwen nicht daran, mit der Untersuchung des Gnoms fortzufahren. Ein Schnitt durchtrennte den Rumpf der Leiche vom Unterleib bis zum Brustbein. Darwen nahm einen Holzspatel und hob eine Seite der Bauchdecke an. Eine Weile betrachtete er den hohlen Leib, dann legte er den Spatel beiseite. Er ging zu einem Tisch, worauf ein Buch aufgeschlagen lag, setzte sich und las die letzte Eintragung.

      Die Sumpfgnome scheinen sich aus den Fröschen entwickelt zu haben, worauf die kleinen Hautfalten zwischen Fingern und Zehen schließen lassen, die als verkümmerte Reste einstiger Schwimmhäute zu bezeichnen sind.

      Darwen blickte zu einem anderen Tisch, auf dem sich in mehreren Gläsern die in Harzlösungen konservierten Organe des Gnoms befanden. Er zog den Korkverschluss aus dem Tintenfässchen, tippte den Kiel einer Gänsefeder hinein und schrieb weiter.

      Die inneren Organe ähneln denen der Menschen, ebenso die Anordnung der Rippen, von welchen sich auf jeder Seite des Skeletts zwei mehr befinden, als bei Menschen. Der Darm ist ungewöhnlich kurz. Die Geschlechtsorgane (Mir liegt nur ein männliches Exemplar vor.) unterscheiden sich von denen eines Menschen so extrem, dass keine Übereinstimmung in Aussehen und Anwendung genannt werden kann. Im Beckenraum befindet sich eine Art Hodenblase. Der Penis (Wenn es denn einer ist.) befindet sich an der gleichen Stelle wie der eines Menschen. Er hat die Form einer knubbeligen Wucherung, nicht größer als eine Daumenkuppe. (Wie bei diesen Wesen eine Fortpflanzung erfolgen kann, ist mir ein Rätsel. Die Anatomie eines weiblichen Exemplars der Gattung könnte darüber Aufschluss geben.)

      Darwen hielt einen Augenblick nachdenklich inne, dann schrieb er weiter.

      Auch die Färbung der Oberhaut unterscheidet sich von der des Menschen. Das mir vorliegende Exemplar scheint von hellem Grün zu sein. (Auf dem Leichnam haben sich braune Flecken gebildet, doch glaube ich, als natürliche Färbung besagtes Grün zu erkennen.) Die nur eine Schicht der Unterhaut ist farblos, also bleich. Die Gliedmaßen sind schlank, ebenso Rumpf und Hals. Der Kopf ist schmal. Die gesamte Körperfläche ist haarlos. (Was ich mit Sicherheit nur über das mir vorliegende Exemplar sagen kann, denn es mag sein, dass andere Gnome sowohl über Kopf- als auch Körperhaarwuchs verfügen.) Was den Kopf betrifft, sind besonders die Augen zu erwähnen, die ...

      Ein Pochen an der Tür unterbrach Darwen. Er legte die Feder hin und fragte sich, ob der Soldat zurückgekehrt war, um ihm noch eine Leiche zu bringen. Es pochte abermals, machtvoll, verlangend, nicht so verhalten, wie das des Soldaten. Darwen stand auf. Er wollte das Tuch über den Gnom breiten, doch ein drittes Pochen, das so kraftvoll klang, als wollte es die Tür aus den Angeln sprengen, hielt ihn davon ab. Er eilte zur Tür, fragte, wer da sei. Statt einer Antwort kam ein weiteres Pochen. Darwen ahnte, dass ihm keine Zeit blieb, wollte er ein gewaltsames Eindringen verhindern. Rasch zog er die Riegel zurück. Eine massige Gestalt zwang sich herein. Sie trug ein weißes Gewand und hielt den Kopf mit einem Kapuzentuch bedeckt. Nur das Gesicht war frei.

      Einen Schrei ausstoßend, stolperte Darwen zurück. "Wer ... wer ... was ... seid Ihr?", stammelte er.

      Der Eindringling schlug die Tür zu. "Du bist ein Hexenmeister?", fragte er.

      "Hex ... Hexenmeister?"

      "Du kannst mir zeigen, wo Joog ist?"

      "Ich