Maryam Munk

Das Kamjuna


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die taugen nichts!"

      "Gemeinsam mit dem Gnom und dem Mensch taugt dieser Ork doch etwas", widersprach der Magier. Er blickte versonnen vor sich hin, dann wandte er sich wieder Scharach zu. "Es gibt einen Grund, weshalb ich diesen Krieg wollte", verriet er. "Dieser Grund ist rein persönlicher Art und geht über das Anliegen von euch Orks hinaus, die ihr nur Land für eure sich mehrende Art von den Menschen wollt. Mein Grund ist Rache."

      "Rache ist gut!", sagte Scharach.

      "Geht dieser Mensch mit dem Ork und dem Gnom ein Bündnis ein, könnte meine Rache scheitern. Dann wäre der Krieg vergebens, und ihr Orks würdet wahrscheinlich das eroberte Land verlieren."

      "Südorks taugen nichts", blieb Scharach bei seiner Meinung, "Gnome ebenso. Diesem Menschen wird nicht gelingen, was er vorhat, solange er sich in solcher Gesellschaft befindet. Zur Sicherheit werde ich Krieger schicken, die die drei finden und töten werden."

      "Eine gute Idee", stimmte der Hexenmeister zu. "Zuvor erledigst du einen anderen Auftrag. Es gibt noch ein Problem. Ein Kriegstrupp der Südorks erreichte die Front erst nachdem die Schlacht vorüber war. Aus diesem Trupp stammt der verräterische Ork, der gemeinsam mit dem Sumpfgnom zum Feind überlief. Gehe und finde diesen Trupp, und bringe seinen Hauptmann zu mir!"

      Scharach erwartete, dass ihm der Sinn dieses Auftrags erklärt wurde, doch der Hexenmeister schwieg. "Ich werde gehen", sagte er und warf einen Blick auf die Trollfrau. Die saß wieder auf den Fellen und schabte sich den Rücken am rauen Stein der Wand.

      "Komm zu mir, mein praller Eiterbeutel", forderte Zarder sie mit seiner persönlichen Art von Charme auf, nachdem die Steingnome die Türflügel hinter dem Ork geschlossen hatten. "Reiche mir noch einen Kelch." Lächelnd nahm er das Gebräu aus Wein und Blut entgegen. Mit der freien Hand strich er durch das Fell auf dem Hinterteil der Trollfrau. "Epanolia", sprach er sanft. So nannte er die Trollfrau, die eigentlich Srrezzrrengezz hieß. Dieser Name gefiel Zarder nicht. Ein unmöglicher Name, unmöglich auszusprechen, unmöglich zu merken. Epanolia klang angenehm, außerdem hatte seine Mutter so geheißen. "Epanolia, du geliebtes Wesen mit den Maßen einer Bärin, bald werde ich die Welt beherrschen. Die Orks werden alle Länder besetzen und dafür sorgen, dass jeder sich mir unterwirft. Dann werde ich ein König sein und eine Königin an meiner Seite haben." Der Magier sah die Trollfrau an, hatte aber die Zauberin in den Gedanken. Deinen Fellhintern werde ich vermissen, dachte er. Vielleicht erlaube ich dir, zuweilen noch das Bett mit mir zu teilen. Du an meiner einen Seite, sie zu meiner anderen. Seufzend erhob Zarder sich. "Ich werde noch ein wenig auf den Balkon gehen und zusehen, wie der neue Tag beginnt. Schade, dass du mich nicht begleiten kannst, mein felliger Bluterguss."

      Der Hexenmeister öffnete eine Tür, durchschritt einen Gang und betrat einen Balkon, der aus der Felswand gemeißelt worden war. Eine Hand legte er auf die steinerne Brüstung. Den Kelch in der anderen Hand, warf er einen Blick hinab auf den Hof der Festung, der zu dieser frühen Stunde noch verlassen war. Er betrachtete den breiten Streifen aus Licht, der im Osten die Berge zu erhellen begann. Zarder spürte Müdigkeit. Das Leben mit der Trollfrau hatte ihn zu einem Wesen der Nacht werden lassen, denn Bergtrolle scheuten das Sonnenlicht. Angeblich verbrannte es sie. Ich sollte Epanolia einmal bei Tageslicht aus der Festung schicken, überlegte der Magier. Dann wird sich zeigen, ob es stimmt. Er trank den Kelch leer und ging in die Festung zurück. Er wollte sich noch ein wenig mit der Trollfrau vergnügen, die sicher schon im Schlafgemach wartete.

      Kapitel 11

      Browag hatte die Nacht in einem Baum verbracht. Sich bäuchlings an einen dicken Ast zu klammern, war nicht bequem, doch sicherer, als im Gras zu schlafen. Das Geäst bot Browag nicht nur ein Versteck, es gab ihm auch ein Gefühl der Geborgenheit. Obwohl es nur ein einzelner Baum war, der einsam auf der Ebene stand, glaubte der Troll, ein wenig Heimat zu finden. Die heimatlichen Wälder, südwestlich des großen Gebirges ... Sonnenlicht schimmerte durch das dichte Laub der Bäume. Die Sonne selber blieb fern, erreichte die Trolle nicht, die sich in der dämmerigen Kühle des Waldes bewegten. Der kleine Browag lief mit ihnen. Der Wald roch frisch. Dann entfernten die Trolle sich. Browag blieb zurück. Verlangend streckte er die Hände aus. Er glitt in eine gähnende Leere.

      Der Sturz riss Browag aus dem Schlaf. Benommen lag er im Gras. Browag erhob sich. Noch war es Nacht, doch im Osten kroch der Tag wie ein breites, graues Maul heran, das die Nacht verschlingen wollte. Browag machte sich auf den Weg. Ziellos lief er der Dunkelheit nach, die mehr und mehr schwand. Als der Himmel die Sonne gebar, die sich langsam über den Horizont reckte, sah der Troll Lichter in der noch finsteren Ferne. Es waren Zeichen einer menschlichen Siedlung.

      Ailich schlug die Augen auf. Von irgendwoher hatte er ein Geräusch vernommen. Es war in sein Bewusstsein gedrungen, zwischen nicht mehr schlafend und noch nicht ganz erwacht. Misstrauisch horchte der Zwerg in die Dunkelheit. Er hörte Balamba schnarchen und Migwer im Schlaf seufzen. Ailich drehte den Kopf und sah den sich nähernden Tag. Er wickelte sich aus der Decke, stieß Migwer und Balamba mit dem Stiefel an und befahl ihnen aufzustehen. Bis es hell genug war, um die Spur des Trolls wieder aufnehmen zu können, gönnten die Zwerge sich ein Frühstück aus schwarzem Brot und kaltem Tee. Danach schnürten sie sich die Felleisen auf die Rücken.

      Die Nacht war kühl gewesen. Im heller werdenden Licht glitzerte der Morgentau auf den Gräsern. Nicht alles Gras, das von den schweren Tritten des Trolls niedergetreten worden war, hatte sich über Nacht erholt und wieder aufgerichtet. Viele Halme waren noch gebeugt. Sie deuteten in eine Richtung, der die Zwerge folgten. Die Fährte führte zu einem Baum, der von einem fort gewanderten Wald vergessen worden zu sein schien. Wenige Fuß neben dem Stamm war eine große Fläche Gras plattgewalzt. Da wusste Ailich, welches Geräusch er gehört hatte. Wütend ballte er die Fäuste. Sie waren dem Troll so nahe gewesen. So nahe!

      Als Browag die Vorstadt erreichte, knöpfte er den Mantel zu und zog die Kapuze über. Noch wurden die Gassen nur von wenigen Menschen belebt. Die Leute, die zu der frühen Stunde unterwegs waren, wirkten noch müde. Schweigend schritten sie daher, ohne die mächtige Gestalt im Soldatenmantel zu beachten. Sie strebten der Innenstadt zu. Der Troll bewegte sich zwischen ihnen, als wäre auch er ein Bewohner der Stadt, der sich auf dem Weg zu seiner täglichen Arbeit befand. Er kam an einem Haus vorüber, wovor ein in einen Kittel gekleideter Junge einen Stand aufbaute. Browag roch den Duft frisch gebackenen Brotes, der aus der offenen Tür strömte, und wurde sich seines Hungers bewusst. Durstig war er ebenfalls. In einer Stadt benötigte er Geld, um sich Essen und Getränke kaufen zu können. Joog besaß Geld, und Joog hatte immer für Browag gezahlt. Natürlich hätte der Troll sich nehmen können, was er begehrte, aber dann würde er Aufsehen erregen und von Menschen bedrängt werden. Dies wollte Browag verhindern, also musste er an Geld kommen.

      Die Gassen wurden breiter, die Häuser prächtiger. Mehr und mehr Menschen bewegten sich nun um den Troll. Browag wusste, dass sich inmitten jeder menschlichen Siedlung, ob Dorf oder Stadt, ein freier Platz befand, auf dem Nahrungsmittel und anderes verkauft wurde. Oder es fanden dort Versammlungen statt, die die Menschen Festlichkeiten nannten. Schließlich erreichte Browag diesen Platz. Auf dem Markt wurden Stände und Buden errichtet. Schon kamen erste Kunden. Das geschäftige Treiben schreckte Browag ab. Er hielt sich abseits, denn er wollte nicht als Troll erkannt werden und sich nicht von dem verlockenden Angebot an Früchten, Schinken und Würsten zu einem Diebstahl verleiten lassen. Er sah einen Brunnen, in dessen Becken sich die steinerne Figur eines Bären erhob. Das Wasser lockte ihn, und aus dem Brunnen zu trinken, würde ihn kein Geld kosten. Aber neben dem Brunnen befand sich eine Gruppe von Zwergen. Auch sie errichteten einen Verkaufsstand, dessen Ladentisch niedriger und der im Ganzen kleiner war, als die Stände der Menschen. Hatten sie etwas mit jenen Zwergen zu tun, in deren Wagen er gelandet war? Browag hoffte, einen anderen Brunnen zu finden.

      Die Spur des Trolls endete an einer gepflasterten Straße. Schnurgerade führte sie zu einer Stadt.

      "Bärwald", murmelte Ailich, der den Namen seltsam fand, denn in der Nähe der Stadt gab es keinen Wald mehr, nur einige Bäume, und von Bären nicht mal mehr einen Tatzenabdruck.

      "Glaubst du, er ist dorthin gelaufen?", fragte Migwer.

      "Wohin sonst?"