Maryam Munk

Das Kamjuna


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Wirtshaus ein, das er fand. Im Schankraum befanden sich nur wenige Gäste. Ein paar ältere Männer standen am Tresen, tranken Bier und unterhielten sich. Sie beachteten Browag nicht. Der Troll ließ sich an einem Ecktisch nieder, wo er die Wand im Rücken hatte und den Raum im Blick. Er zog das Kapuzentuch tiefer über die Stirn. Der Wirt stand hinter dem Tresen und beteiligte sich an dem Gespräch der älteren Männer. Browag wartete. Ein mageres Mädchen kam an seinen Tisch. Browag hielt den Kopf gesenkt, damit das Mädchen sein Gesicht nicht sah.

      "Mein Herr", sagte das Mädchen, "möchtet Ihr etwas trinken?"

      "Trinken und essen auch", antwortete der Troll.

      Dem Mädchen fiel das Haar in fettigen Strähnen über die Schultern. Es trug ein braunes Kleid, das voller Schmutzflecken war. "Bier?", fragte es.

      "Bier ist gut. Und was zu essen."

      "Wir haben Hammelragout mit Pukkaknollen und Schwächel."

      Das Mädchen irritierte Browag. Er wünschte, es würde nicht unentwegt auf ihn blicken. Er versuchte, seiner Stimme einen gelassenen Klang zu geben, so wie Joog in Wirtshäusern sprach. "Das hört sich gut an. Bring mir davon."

      Das Mädchen wandte sich ab. Browag hob den Kopf, um ihm nachzuschauen. Da warf es ihm noch einen Blick zu, vor dem der Troll rasch das Gesicht verbarg. In Joogs Begleitung hätte er sich sicherer gefühlt, so sicher, dass er seine Identität nicht verborgen hätte.

      Beim Tresen lachten der Wirt und die Männer. Vielleicht hatte jemand einen Witz erzählt. Browag wusste, dass Menschen sich in geselliger Runde gerne kleine Geschichten erzählten, an deren Ende alle lachten. Auch Joog kannte solche Geschichten. Zu Beginn ihrer Freundschaft hatte Joog manchmal welche erzählt und danach über Browags unveränderte Miene die Stirn gerunzelt. Schließlich hatte er es sein gelassen, dem Troll Witze zu erzählen. Browag erinnerte sich, wie Joog in einem Wirtshaus - es war diesem hier ganz ähnlich gewesen - den Witz vom Troll und dem Mensch erzählt und danach schallend gelacht hatte. Browag sprach den Witz leise vor sich hin. "Sitzt ein Troll in einem Wirtshaus an einem Tisch, auf dem ein Berg gebratenen Fleischs in einer Schüssel dampft. Kommt ein Mensch vorbei, bleibt stehen und sagt: `Bei allen Geistern! Du willst doch nicht etwa das viele Fleisch alleine essen?´ Sagt der Troll: `Nein, ich bekomme noch Kraut und Rüben dazu.´" Auch nachdem Joog den Witz erklärt hatte, verstand Browag die Pointe nicht.

      "Das Bier, mein Herr."

      Browag senkte den Kopf. Er starrte auf die fleckige Tischplatte, auf die das Mädchen einen Humpen stellte. "Danke."

      "Das Essen braucht eine Weile."

      "Ist gut. Danke."

      Das Mädchen blieb am Tisch stehen und betrachtete Browag. Der Troll fragte sich, ob es etwas von ihm erwartete. Joog drückte weiblichen Bedienungen stets eine Münze in die Hand. Trinkgeld geben nannte er das. Wartete das Mädchen darauf? Browag griff in den Geldsack des Kaufmanns und nahm eine Münze heraus. Damit das Mädchen nicht seine Krallen sah, schob er die Münze mit der Faust über den Tisch. Es war ein Silberstück.

      Das Mädchen riss die Augen auf. "Mein Herr!"

      "Ist gut. Nimm es."

      Das Mädchen blickte zum Tresen, nahm schnell die Münze und verbarg sie in der Faust. "Vielen Dank, mein Herr!"

      Browag nickte, worauf das Tuch verrutschte. Rasch zog er es wieder über die Stirn. Das Mädchen sah ihn fragend an.

      "Geh, bring mir Essen!", brummte der Troll, der allmählich die Geduld verlor. Weshalb ging das Mädchen nicht? Wollte es mehr Trinkgeld? Er griff nochmals in den Geldsack, doch das Mädchen entfernte sich schon. Browag atmete auf. Er leerte den Humpen in einem Zug und fand, dass das Bier wässerig schmeckte.

      Das Mädchen brachte das Essen. Es trug ein großes Tablett, worauf drei Schüsseln standen. Es musste sich anstrengen, um das Tablett halten zu können. Einer Tasche seines Kleids entnahm es eine Gabel mit zwei Zinken. "Bitte sehr, mein Herr. Guten Appetit!"

      "Danke. Bring mir noch Bier!"

      Während Browag aß, begann das Wirtshaus sich zu füllen. Bald waren alle Tische besetzt, und am Tresen drängten sich die Gäste. Das Mädchen bewegte sich geschickt mit Bierhumpen und Schüsseln in dem Gewühl. Bei jedem Gang, der es an Browags Tisch vorüber führte, warf es einen Blick auf den Troll. Browag beachtete das Mädchen nicht. Nach der Mahlzeit verließ er kurz den Schankraum, um den Abort aufzusuchen, kehrte an den Tisch zurück und trank noch ein paar Humpen.

      Nachdem viele Gäste schon gegangen waren, betrat ein später Gast das Wirtshaus. Er trug einen Hut mit breiter Krempe und einen leichten Mantel. Auf beiden Kleidungsstücken zeichneten sich feuchte Flecken ab. Der Mann schien nicht recht zu den anderen Gästen zu passen. Hätte Browag einen Sinn für Eleganz besessen, hätte er die Kleidung des Mannes als elegant empfunden. Auch verhielt der Mann sich nicht grob, wie die übrigen Gäste. Sein Verhalten verriet einen gebildeteren Geist. Er blickte im Raum umher, als wäre er ein Fremder, doch schien er allgemein bekannt zu sein, denn viele Köpfe nickten ihm zu. Er schaute auch zu Browag hinüber, der sich in die Schatten zurücklehnte, die die Öllampen warfen, die bei Einbruch der Dunkelheit angezündet worden waren.

      Der Mann setzte sich an einen Tisch nahe der Tür. Den Mantel legte er über die Rückenlehne eines Stuhls, den Hut auf die Sitzfläche. Er war etwa in Joogs Alter. Sein Haar war von der gleichen braunen Farbe, wie Joogs Haare, doch länger und lockig. Ohne dass das Mädchen ihn nach seinen Wünschen gefragt hatte, brachte es ihm einen Becher und eine Weinkanne, dazu Räucherschinken, Brot und Butter. Als das Mädchen einen Blick auf den Troll warf, gab Browag ihm ein Zeichen, an seinen Tisch zu kommen.

      "Noch ein Bier, mein Herr, oder noch etwas zu essen?"

      "Nein, eine Frage. Der Mann bei der Tür, wer ist das?"

      Das Mädchen schaute zum Tisch, als wüsste es nicht, welcher Mann gemeint war. "Ach, das ist der Herr Bartholome. Der kommt jeden Abend zum Essen und isst immer das Gleiche."

      "Was macht er?"

      "Was er macht? Na, essen! Ach so. Hm, ich weiß nicht. Er ist ein Kräutermeister oder so was."

      "Ein Kräutermeister?"

      "Ja, mein Herr."

      "Isst er viel?"

      Das Mädchen bedachte Browag mit einem verständnislosen Blick.

      "Ich meine, bleibt er lange?"

      "Wenn er gegessen hat, bezahlt er und geht."

      "Ich bezahle auch."

      Das Mädchen strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr, richtete den Blick in das Deckengebälk und zählte auf: "Hammelragout mit gekochten Pukkaknollen und eine Pfanne geschmorte Schwächel. Dazu fünf Humpen Bier. Das macht ..."

      "Schon gut", sagte Browag. Er schob noch ein Silberstück über den Tisch.

      "Vielen Dank, mein Herr!", sagte das Mädchen erfreut.

      Browag schob noch eine Münze nach. "Die ist für dich." Er stand auf und verließ das Wirtshaus.

      Das Mädchen starrte ihm nach. Der Mann in der eleganten Kleidung hatte seine Mahlzeit fast beendet.

      Kapitel 12

      Ailich, Migwer und Balamba hatten über den Tag erfolglos nach dem Troll gesucht. Als es dunkel wurde, befolgten sie Klinkets Rat und suchten sich im Zwergenviertel ein Gasthaus. Nachdem sie die Felleisen auf das Zimmer gebracht hatten, schritten sie die Treppe hinab und begaben sich für eine Mahlzeit in den Schankraum. Jeder aß den Gerstenbrei, wie er ihn am liebsten mochte: Balamba mit zarten Fleischwürfeln, Migwer mit süßen Früchten, Ailich mit einem großen Klecks Honig darin. Danach bliesen sie den Schaum vom Bier und widmeten sich dem würzig schmeckenden Gebräu.

      "Aber", warnte Ailich mit erhobenem Finger, "Zurückhaltung! Wir sind nicht zum Saufen hier."

      "Sicher, Ailich, sicher", bestätigten Migwer und Balamba.

      Ein