M.E. Lee Jonas

Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 02: Die schwarze Prinzessin


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ist fort und von dem Rest möchte sie im Moment nichts hören. Na ja, so ganz stimmt das auch nicht. Eigentlich ist es so, dass sie sich vor den Nachrichten aus der realen Welt fürchtet.

      Über das Leben und die Geschehnisse außerhalb dieses Reiches möchte sie im Moment nichts wissen, da es nur ihre Gefühle durcheinanderbringen würde und das kann sie sich nicht leisten. Dieser zusätzliche Schmerz würde alles eskalieren lassen.

      J.J. schließt die Augen und baut in Gedanken eine große Mauer um ihre Erinnerungen.

      Dann sinkt die Limousine langsam zu Boden. Der Chauffeur öffnet die Tür und senkt den Blick, während er ihr behilflich die Hand reicht. J.J. starrt auf den hell erleuchteten Eggtower und steigt zögerlich aus. Als sie den gläsernen Fahrstuhl betritt, erhebt sich die Limousine bereits wieder nach oben.

      Im Restaurant wird sie schon ungeduldig von den Hexen Cybill und Onstasia erwartet. Diese sind ebenfalls sehr glamourös gekleidet, was jedoch nichts über die Bedeutung dieses Abends aussagt, da die weiblichen Zauberreichbewohner zu später Stunde meist in ihren schönsten Kleidern ausgehen.

      Die Hexenratmitglieder bringen sie an einen Tisch, ganz am Ende des Restaurants, das heute Abend eigens für dieses Treffen reserviert zu sein scheint. In dem sonst gut besuchten Restaurant befindet sich nämlich kein anderer Gast. Dieser Anblick ängstigt das Mädchen etwas.

      Mit erhobenem Kopf geht sie zu der langen Tafel, an der bereits die restlichen Hexenratmitglieder sitzen. Als diese J.J. bemerken, erheben sie sich, um sie zu begrüßen. Darania lässt sich eine spitze Bemerkung natürlich nicht nehmen:

      »Jezabel. Wie schön, dass du auch endlich da bist. Wir haben uns schon einen kleinen Aperitif bestellt, da wir ja nicht wussten, wann du kommst.«

      Hämisch grinsend erhebt die Oberhexe ihr Glas.

      J.J. presst die Lippen zusammen und setzt sich an das andere Ende des Tisches.

      »Ich wollte dir nur genügend Zeit geben, um dir eine gute Willkommensrede für mich auszudenken. Es wäre mit der Zeit langweilig, wenn du immer das Gleiche loslassen würdest«, kontert das Mädchen und blitzt Darania provozierend an.

      Die eine oder andere Hexe verkneift sich ein Lachen und verdeckt dies mit einem eiligen Griff zum Glas.

      J.J. sieht an der Tafel entlang und bemerkt nun auch die zwei unbekannten Gäste. An deren Kleidung und Haltung kann sie erkennen, dass es sich hierbei um die Abgeordneten aus Rosaryon handeln muss.

      Die beiden sehen das Mädchen ruhig, aber eindringlich an. Der Mann erhebt sich.

      »Guten Abend, Hexe Jezabel! Mein Name ist Orton. Ich bin ein Gesandter des weisen Rates. Neben mir sitzt Hexe Valiria, die rechte Hand von Marla. Wir fühlen uns geehrt, dich endlich kennenlernen zu dürfen«, sagt er ruhig.

      Dieser Abgesandte hat schlohweiße Haare und trägt ein lindgrünes Gewand. Wenn er spricht, senkt er leicht den Kopf, was J.J. noch gut von ihrem kurzen Besuch im weisen Phad kennt. Hexe Valiria scheint etwas jünger zu sein. Sie hat lange, nussbraune Locken und ihre Augen glitzern im Kerzenschein wie ein glasklarer See im Sommer. Die Abgesandte fixiert das Mädchen und nickt ihr leicht abwesend zu.

      J.J. lächelt unsicher zurück.

      »Ich freue mich, euch kennenzulernen. Hattet ihr eine angenehme Anreise?«, fragt sie höflich, bemerkt aber sofort die genervten Blicke der anderen Hexenratmitglieder.

      »Nun ja, die Lichtverhältnisse sind für uns immer eine große Herausforderung. Ebenso die komplizierten, technischen Gegebenheiten. Wie du sicherlich weißt, fliegen unsere Besen in Xestha nicht so gern. Es ist für uns deshalb stets ein nachhaltiges Erlebnis, in den dunklen Phad zu reisen.«

      J.J. spürt den Unmut in Ortons Worten und amüsiert sich innerlich köstlich.

      Darania scheint das höfliche Geplänkel allerdings zu nerven. Laut seufzend erhebt sie sich und gibt Orton zu verstehen, dass er sich wieder setzen kann.

      »Hexe Jezabel, liebe Mitglieder des Hexenrates, werte Abgesandte. Ich hoffe, dass wir einen interessanten und aufschlussreichen Abend verbringen werden, an dem es keine bösen Überraschungen gibt.

      Es ist erst wenige Tage her, dass Junghexe Jezabel, die uns vom Spiegel der Tore als schwarze Prinzessin angekündigt wurde, sich nach längerem Zögern endlich in den schwarzen Phad eingefunden hat. Dies war auch für uns Mitglieder des Hexenrates eine außergewöhnliche und anstrengende Phase, die uns viel organisatorisches Geschick abverlangt hat. Aber nun ist ja alles bestens.

      Soweit ich es aus eurem Schreiben entnehmen konnte, haben wir uns hier zusammengefunden, um über den weiteren Werdegang der schwarzen Prinzessin zu sprechen. Ich brauche die jeweiligen Legenden nicht noch einmal vorzutragen, da ich mir sicher bin, dass jeder an diesem Tisch sie in- und auswendig kennt.

      Der besondere Umstand, dass ein Wesen, welches dazu in der realen Welt geboren wurde, frei wählen konnte, welchem Phad es seine Fähigkeiten zur Verfügung stellt, hat sowohl bei Hexe Jezabel als auch bei uns für große Anspannung gesorgt.

      Obwohl es mir natürlich von Anfang an klar war, dass sich die schwarze Prinzessin für den dunklen Phad entscheidet. Vergessen wir nicht ihren Familienstammbaum, der bis zu dem Fehlverhalten ihrer Großmutter, Hexe Vettel, eine durchgehend lupenreine Linie des schwarzen Blutes darstellt.

      Ich kann ohne Umschweife behaupten, dass Hexe Jezabel sich schon außerordentlich gut bei uns eingelebt hat und den Verpflichtungen, die der schwarze Phad ihr abverlangt, sehr gut nachkommt. Bereits nächste Woche soll ihre offizielle Amtseinführung stattfinden, die wir natürlich gebührend feiern werden. Ganz Xestha befindet sich deshalb schon im Ausnahmezustand. Im Anschluss daran wird sie ihr Quartier beziehen, um sich in Ruhe ihrer Bestimmung widmen zu können.

      Orton, Hexe Valiria, was sind eure Beweggründe, die uns zu der Ehre kommen lassen, dass sich weise Abgesandte freiwillig in den schwarzen Phad begeben?«

      Darania lächelt die beiden Abgesandten erwartungsvoll an. Gekünstelt und kühl, wie man es von ihr gewohnt ist.

      J.J. ist sich sicher, dass die Oberhexe in den letzten Tagen die Hölle durchgemacht haben muss. Ihr Plan, die schwarze Prinzessin im Geheimen durch ein anderes Wesen ersetzen zu lassen, wurde durch J.J.s freiwillige Einkehr in den dunklen Phad vereitelt. Also hat sich die Oberhexe den neuen Gegebenheiten vorerst geschlagen gegeben. Aber das Mädchen traut dem Frieden nicht. Ihre gemeinsame Vorgeschichte spricht eine andere Sprache. Deshalb ist J.J. der abwertende Unterton in Daranias Ansprache auch nicht entgangen. Amüsiert lächelt das Mädchen in sich hinein und sieht erwartungsvoll zu den Abgesandten. Dabei bemerkt sie, dass Hexe Valiria die Oberhexe trotzig und mit zusammengekniffenen Lippen anstarrt.

      Eine Weile herrscht unangenehmes Schweigen.

      Orton sieht verunsichert zu seiner Begleiterin und steht erneut auf, als er begreift, dass Hexe Valiria der Oberhexe wohl nicht antworten möchte.

      »Wir danken euch für die kurzfristige Einladung zu dieser offenen Zusammenkunft. Leider wurde der weise Phad erst gestern über die Einkehr der schwarzen Prinzessin in den dunklen Phad unterrichtet. Es scheint, als wurde uns diese wichtige Information fälschlicherweise etwas länger vorenthalten.

      Aber nun hat ja alles seine Richtigkeit.

      Es ist uns sehr wohl bekannt, dass die schwarze Prinzessin die Wahl hatte, auf welchem Phad sie leben möchte. Aber vergessen wir nicht die letzte Option: Hexe Jezabel hätte sich ebenso für ein Leben in der realen Welt entscheiden können! Immerhin hat sie eine menschliche Mutter. Diese Besonderheit hast du, werte Darania, seit ihrer Geburt starrsinnig ignoriert. Wir wissen inzwischen von der heimlichen Liaison Sir Konrads mit Hexe Vettel, die ja nun zu unserer aller Bereicherung seit ein paar Monaten zur Probe in Rosaryon lebt.«

      Als der Abgesandte Oma Vettel erwähnt, lächelt er J.J. an. Das Mädchen schreckt zusammen und schluckt. Für einen kurzen Moment schließt sie die Augen und versucht ihre Gefühle zu blockieren.

      Hexe Valiria scheint dies nicht zu entgehen. Die Abgesandte lächelt das Mädchen an und nickt, als wolle sie bestätigen, dass alles