M.E. Lee Jonas

Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 02: Die schwarze Prinzessin


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umgehend in das Büro von Hystasia.

      Nachdem die Hexen ein paar aufgeregte Anrufer beruhigt hatten, hielten sie J.J. eine halbstündige Standpauke und ließen das eingeschüchterte Mädchen daraufhin erst einmal allein.

      Wahrscheinlich mussten diese Hexen eilig ein paar Dinge vertuschen, die sie im Geheimen geplant hatten. Mit der unverhofften Rückkehr des Mädchens war der Hexenrat im ersten Moment noch überfordert.

      Es war schon unheimlich für J.J., als sie im Büro von Hexe Hystasia warten musste. Sie hatte kein schlechtes Gewissen wegen des Zaubers, ihr war nur ein bisschen mulmig zumute, da Rosinante stinksauer auf sie war. Der Hexenbesen lehnte am Schreibtisch und schmollte. Immer wenn das Mädchen sich zu ihm beugte und entschuldigend über das Reisig strich, rückte er ein Stück weiter von ihr weg.

      »Es tut mir leid! Ich kann es aber nicht ändern. Es ist einfach in mir. Ich werde in Zukunft trotzdem versuchen, die Zauber so auszusprechen, wie es sich gehört. Bitte sei nicht mehr böse auf mich«, bettelte sie, aber Rosinante ließ das Mädchen zappeln.

      Als Hystasia endlich zurückkam, einen Stapel Akten unter dem Arm, würdigte sie J.J. keines Blickes. Die Hexe packte die Formulare ordentlich auf den Schreibtisch und begann darin zu lesen. Da begriff J.J., worum es in den letzten Minuten gegangen sein muss.

      Der Hexenrat hatte höchstwahrscheinlich nach einer Klausel gesucht, die dem Mädchen ihr Recht auf den Platz im Hexenrat absprechen würde. Anscheinend ohne Erfolg. Ohne aufzusehen, begann Hystasia, sie daraufhin über die Grundsätze des dunklen Phads aufzuklären. Ab Paragraf zweiundzwanzig, Absatz zwölf hat das Mädchen nicht mehr zugehört. Die Hälfte von dem, was diese stocksteife Hexe ihr erzählte, hat sie sowieso nicht verstanden und auf Zwischenfragen reagierte Hystasia ziemlich ungehalten. So hat J.J. im Wechsel genickt und gelächelt, und darauf gewartet, dass das letzte Blatt zur Seite gelegt wurde.

      Anschließend hat sie alles Mögliche unterschrieben, natürlich mit ihrem vollen Namen nebst Titel und sich höflich bedankt. Als sie wieder auf dem Vorplatz des Amtsgebäudes stand, musste sie lauthals loslachen. Sie war selbst überrascht, wie rasant sich plötzlich alles entwickelte, und das Gesicht von Hexe Onstasia, die sie wild fluchend ins Amtsgebäude zerrte, war einfach zu komisch.

      Dann stand J.J. jedoch eine Weile da, ganz allein im Zentrum des dunklen Zauberreiches und dachte nach. Etwas verloren sah sie sich um, während sie überlegte, wo sie hingehen soll. Sie war nun offiziell eine Bewohnerin des dunklen Phads und dazu die schwarze Prinzessin, aber ein prachtvolles Schloss mit weißen Pferden und einer Hundertschaft an Dienern war im großen Plan der Legende anscheinend nicht vorgesehen. Die schwarze Prinzessin war also noch ohne Obdach.

      Irgendwann meldete sich Rosinante, die die missliche Lage des Mädchens zu erkennen schien. Der Hexenbesen löste sich aus ihrem Griff und erhob sich in Flugposition. Anschließend gab sie J.J. zu verstehen, dass sie sich darüber schwingen solle. Das Mädchen war erleichtert, dass der Besen nicht mehr sauer auf sie war, und sprang auf, ohne weitere Fragen zu stellen. Dann flogen sie gemächlich in Richtung des Wohngebiets, wo auch Ava mit ihrer Familie wohnt. Als sie das Haus dieser Junghexe, ein gigantisches Gebäude in Form einer Steinkamera, überflogen, musste sie schwer schlucken. Aber der Anblick der Luxus-Ferienanlage, die sich direkt an das Wohngebiet anschließt, lenkte von ihren düsteren Gedanken ab.

      »Ein Tropenparadies! Wahnsinn. Das habe ich beim letzten Mal überhaupt nicht gesehen«, jauchzte sie los.

      Rosinante sank langsam zu Boden und ließ J.J. vor dem Eingang des riesigen Hotelgebäudes absteigen. Als das Mädchen schüchtern die Lobby betrat, kam umgehend ein junger Mann auf sie zugeeilt und begrüßte sie aufs Herzlichste. Er wusste sofort, wer da vor ihm stand, und machte keinen Hehl aus seiner Verehrung. Auch wenn sie das Getue des Hotelangestellten affig fand, war J.J. beruhigt, dass sie mit ihrer Begrüßungsansage nicht gleich alle Xesthaner gegen sich aufgebracht hat. Mit ausgebreiteten Armen führte der Hotelangestellte sie durch ihre Suite und erklärte ihr ausführlich jedes Detail. Das Mädchen war erleichtert, als er endlich die Tür hinter sich verschloss. Nachdem sie den üppigen Obstkorb und eine Schachtel Pralinen geplündert hatte, nahm sie eine heiße Dusche. Anschließend schnappte sie Rosinante und flog erneut zum Amtsgebäude.

      Eine neuartige Energie erwachte in ihr, die mit leiser Stimme begann, sie zu leiten. Die einzige Bedingung, die sich J.J. selbst stellte, war die, dass sie sich auf dieses neue Leben erst einmal vollkommen einlässt. Was auch bedeutete, ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen.

      J.J. Smith ist Geschichte. Nun ist sie Hexe Jezabel, die legendäre schwarze Prinzessin, unantastbar in ihrem Status. Um diese Entschlossenheit auch dem Hexenrat zu vermitteln, platzte sie einfach in Hystasias Büro und verlangte nach ihrer Amtseinführung. Die Hexe sah sie mehrere Minuten stumm an und rief daraufhin kurzerhand eine Dringlichkeitsversammlung des Hexenrats ein. J.J. durfte natürlich noch nicht daran teilnehmen, da sie offiziell noch kein Mitglied war. Also wartete sie in der Vorhalle und vertrieb sich die Zeit, indem sie den widerlichen Glugg mit ihren Possen auf die Palme brachte.

      Nach zwei Stunden bat sie Hexe Cybill endlich nach oben und erklärte ihr, dass alle sechs Mitglieder zugestimmt hätten. J.J. war darüber nicht sonderlich erstaunt, da dieses Amt ihr sowieso zustand. Trotzdem hätte sie zu gern gesehen, wie diese Hexen krampfhaft nach einer rechtskräftigen Klausel suchen, um ihr dieses offizielle Amt vorzuenthalten.

      Seit diesem Tag hat sich einiges geändert. Die Hexenratmitglieder hofierten das Mädchen zwar nicht, behandelten sie aber absolut respektvoll und ebenbürtig. J.J. fühlte sich in Xestha nicht fremd oder gar unerwünscht. Im Gegenteil, auch wenn die meisten Einwohner sich noch höflich zurückhielten, konnte sie ihre Aufregung spüren, wenn sie sich mit ihr unterhielten. Plötzlich schien es kein Problem zu geben, das sich nicht im Handumdrehen lösen ließe. Die Starre und Ziellosigkeit, die sie in den letzten Monaten lähmten und ihr den Lebensmut raubten, waren einer neuen, inspirierenden Energie gewichen, die sie scheinbar schwerelos durch die Tage trug.

      So ist es nun schon eine Woche her, dass J.J. heimlich aus Havelock weggegangen ist.

      Sie sitzt in ihrem Hotelzimmer und frühstückt eilig, da sie gleich einen wichtigen Termin im Amtsgebäude hat. Nervös starrt sie auf Rosinante und seufzt. Dieser tägliche Weg ist inzwischen zu einer Tortur geworden. Öffentliche Verkehrsmittel benutzt das Mädchen nicht mehr, da der Trubel um ihre Person doch sehr unangenehm ist. Sobald sie jemand erkennt, herrscht augenblicklich Hysterie. Es ist mittlerweile so schlimm, dass sie selbst im Hotel nicht mehr im Restaurant speisen kann. Jeder Zauberreichbewohner erkennt sie, da an jeder Ecke ihr Foto von riesigen Werbebannern prangt. Die schwarze Prinzessin ist, mehr denn je, das allumfassende Thema im dunklen Phad. Aber dieser Hype hat auch etwas Gutes. Er verschafft ihr ungewollt eine gewisse Distanz.

      Das Mädchen stellt den Geschirrwagen auf den Gang und schlendert zum Ausgang. Hastig steigt sie auf Rosinante und begibt sich im Steilflug auf die Verkehrsebene. Im Zickzack fliegt sie zum Amtsgebäude, um ein paar aufdringliche Touristen abzuhängen, die ihr schon vor dem Hotel auflauerten. Genervt stapft sie ins Amtsgebäude, wo sie schon seit einer halben Stunde mit Hexe Cybill verabredet ist. Beim Pförtner muss sie sich inzwischen natürlich nicht mehr anmelden. Während der widerliche Glugg sie keines Blickes würdigt, geht sie also direkt zum Fahrstuhl durch. Die beiden haben ein unausgesprochenes Abkommen:

      Er hasst sie, sie hasst ihn und dabei bleibt es!

      Als sie das Büro von Hexe Cybill betritt, wartet dort noch eine andere Dame, die sie bis jetzt nur flüchtig kannte.

      »Ah, Prinzessin Jezabel! Schön, dass du endlich da bist. Darf ich vorstellen: Hexe Strada, die wohl bekannteste Designerin Xesthas. Sie wird zukünftig für deine Garderobe zuständig sein. Sie ist extra hierhergereist, um Maß zu nehmen.

      Während wir auf dich warteten, hat sie mir berichtet, dass ihr euch bereits bei einer Party im Hause deiner Großmutter kennengelernt habt.«

      Die Kammerwächterin führt das Mädchen zu der alten Hexe, die sehr beschäftigt Nadeln und Stoffproben an einer Schneiderbüste befestigt. J.J. ist verblüfft, wie gekonnt Hexe Strada den hochwertigen Stoff drapiert.

      »Ich freue mich, dich wiederzusehen, Hexe Strada!