M.E. Lee Jonas

Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 02: Die schwarze Prinzessin


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      Im letzten Moment packt sie jemand am Arm und zerrt sie unter einen Felsvorsprung, der kurz darauf überflutet wird. Als das eiskalte Wasser sich wieder zurückgezogen hat, schnappt das Mädchen mit letzter Kraft nach Luft. Panisch sieht sie zu Broaf, der ebenfalls durchnässt, mit angsterfüllter Miene hinter ihr kauert und sie festhält.

      Das Mädchen starrt zum Ufer, wo ihre Großmutter bis zur Hüfte im Wasser steht. Ihren alten Hexenbesen weit in die Höhe gestreckt, brüllt die alte Dame ein paar dunkle Verse, die ihr allerdings nicht mehr gehorchen. Besorgt beobachtet der Diener, wie sich neue Wellen bedrohlich auftürmen und nun auf Vettel zurasen, die trotzdem entschlossen im Wasser stehen bleibt und immer lauter ihre alten Zaubersprüche brüllt. Rosinante hat jedoch eine neue Herrin, daran ändert auch diese Situation nichts. Als J.J. das endlich begreift, löst sie sich aus Broafs Umklammerung und rennt zu ihrer Großmutter. Ohne zu überlegen, reißt sie ihr den Hexenbesen aus den Händen und brüllt: »Stabigo!«

      Das Mädchen bemerkt, wie sich ihre Stimme verändert. Dunkel und laut donnert sie los. Ihre Angst ist plötzlich wie weggeblasen. Sie stemmt ihre Füße in den Sand und wartet, bis sich der Besen in das mächtige Zepter verwandelt hat. Dann befiehlt sie ihrer Großmutter, zu Broaf unter den Felsvorsprung zu gehen. Der Diener steht jedoch bereits hinter ihnen und zerrt die keifende Vettel mühsam von J.J. weg. Diese streckt das Zepter in die Höhe und konzentriert sich. Mit geschlossenen Augen beginnt sie zu murmeln:

      »Ich rufe den Sturm und den donnernden Blitz! Nur ich bin eure Gebieterin und nur ich kann euch rufen! Kommt an meine Seite und bringt mir die dunklen Schatten!«

      Prompt reißt der Boden unter ihren Füßen mit einer solchen Wucht auf, dass es das Mädchen einige Meter nach hinten schleudert. J.J. rappelt sich schnell wieder hoch und beginnt den Sturm zu dirigieren, der sich brüllend um sie herumwindet. Als die keuchenden Schatten aus dem Boden gekrochen kommen, beginnt sie zufrieden zu lächeln. Sie fühlt sich befreit, so als könne sie seit drei Monaten das erste Mal wieder ausatmen.

      Mit verachtender Miene erhebt J.J. die Hand, worauf die dunklen Wesen sich tief vor ihr verneigen, bevor sie kreischend in den Sturm springen, um in großen Bögen um sie herumzutanzen. Dann beginnt der Boden unter J.J. zu brennen. Diese Feuersbrunst ist so gewaltig, dass Rosinante zu zittern beginnt.

      »Fju! If Aquorius si tei. Nomo fi du ruhx. Goromdai! I fju! Goromdai!«, brüllt J.J. mit dämonischer Stimme, während ihre Augen sich verdunkeln, was ihre Großmutter Gott sei Dank nicht sehen kann. Die alte Dame sitzt leichenblass unter dem Felsvorsprung und kreischt ihr irgendetwas zu. Aber das Mädchen kann sie nicht verstehen. Sie hört nur noch, wie Oma Vettel ein lautes »Allmächtiger!« brüllt, als die Erde zu beben beginnt.

      Eine gigantische Gestalt zieht sich stöhnend aus dem Sand, deren Augen lichterloh brennen. Dieser Sandriese hat große, spitze Dornen, die sich von den Schultern bis zur Schwanzspitze hinabziehen. Ungeduldig und rasend vor Wut schlägt er damit auf den Boden und wirbelt gewaltige Mengen an Matsch und Sand auf.

      Während Broaf und Oma Vettel entsetzt loskreischen, betrachtet J.J. das Geschöpf mit Genugtuung. Genau wie in jenem Augenblick, als Fjigor in die Arena kroch.

      »Goromdai! Hol dir Sander!«, befiehlt sie dem Sandriesen mit dämonischer Stimme.

      Das Monster brüllt und schlägt zornig mit der Faust auf den Boden, als sie den Namen des Fährmanns erwähnt.

      Während er in der dunkelsten aller Sprachen spricht, gleitet Goromdai in das Meer und wird mit jedem Atemzug größer und größer. Als der Gigant die nächste Monsterwelle erreicht, überragt er diese bereits haushoch.

      Oma Vettel sitzt unter dem Felsvorsprung und spuckt Gift und Galle. J.J. ignoriert sie und sieht dem Sandgeschöpf entspannt hinterher. Als der Koloss explodiert und die gewaltigen Sandmassen die Welle unter sich begraben, beginnt die Erde erneut zu beben.

      J.J. steht unberührt am Ufer und beobachtet, wie sich das Wasser langsam zurückzieht. Ihre Großmutter und der Diener hocken mit offenen Mündern unter dem Felsvorsprung und starren das Mädchen entsetzt an.

      Dann zieht der Sturm sich zurück und plötzlich ist es so still, als hätte jemand den Ton abgestellt. Noch ehe sie begreifen, was hier vorgeht, lässt ein markerschütternder Schrei die Drei zusammenzucken. Das Meer treibt Goromdais Stimme ans Ufer, der in den Tiefen des Meeres dämonische Verse murmelt, die Sander schier unerträgliche Qualen zu bereiten scheinen, denn der Fährmann wimmert in dunkler Sprache um Gnade.

      J.J. betrachtet derweil mit schmerzverzerrtem Gesicht ihre Hände. Rosinante vibriert so heftig, dass sich auf den Innenflächen schon Blasen bilden. Der Hexenbesen wehrt sich entschlossen gegen diese Art der Magie und versucht sich aus den Händen des Mädchens zu befreien.

      Mit verachtender Miene stemmt das Mädchen das Zepter in den Sand:

      »Ich bin deine Herrin! Es ist zu Ende, wenn ich es dir befehle! Meine getreuen Diener: Nehmt diese Kreaturen und bringt sie dem Falken!«

      Diese Worte, die verachtend und dunkel aus dem Mund des Mädchens donnern, lassen Broaf und Vettel den Atem stocken. Mit aufgerissenen Augen sehen sie zu, wie die dunklen Schatten in das Meer stürzen und kurz darauf mit zwei glühenden Körpern, die sich wild in ihren Klauen winden, wieder emporsteigen.

      Während J.J. dem Treiben gelassen zusieht, beginnt Rosinante zu rotieren, sodass das Mädchen große Mühe hat, das Zepter in ihren Händen zu halten. Mit eiskaltem Blick hält sie es vor ihren Körper, während die grüne Kugel die kreischenden Kreaturen einsaugt.

      »Du bist nur ein Dämon! Nichts als ein gewöhnlicher Dämon«, spricht sie verachtend, während Sanders Körper im Sog des dunklen Wirbels verschwindet.

      Als die grüne Kugel innehält, fällt Rosinante wie vom Blitz getroffen zu Boden.

      Die dunklen Wolken lösen sich schlagartig auf und der Sturm wandelt sich zu einer leichten Brise. J.J. steht bis zu den Oberschenkeln im Meer, das nun ruhig vor ihr liegt, und erwacht nur langsam aus ihrer Trance.

      Broaf springt hoch und zieht das erstarrte Mädchen mühsam ans Ufer. Oma Vettel stapft wütend an ihnen vorbei und sucht Rosinante. Schnaubend holt sie den Reisigbesen aus dem Wasser.

      »Das ist eine Schande! Sechshundert Jahre hat Rosinante uns treu gedient und du benutzt sie für deine Spielchen. Und obendrein vergisst du sie einfach im Meer! Du solltest gut auf sie aufpassen, Jezabel«, schimpft Oma Vettel empört los und trägt den Besen wie ein Kleinkind zu dem Felsen.

      J.J. kniet im Sand und sieht verwirrt zu ihrer Großmutter, die nun wütend auf sie zugestapft kommt.

      »Hast du den Verstand verloren? Was hast du dir dabei gedacht? Nein. Halt! Ich will überhaupt nicht wissen, was hier gerade passiert ist. Wahrscheinlich musstest du deinen verrückten Emotionen wieder freien Lauf lassen und hast mit ein paar alten Versen herumgespielt!«, schreit Oma Vettel vollkommen außer sich los.

      Broaf hält beschwichtigend die Hand gegen die wütende alte Dame und zieht J.J. ein Stück näher zu sich heran.

      »Wir sollten uns erst einmal beruhigen, Vettel. Das war gerade außerordentlich anstrengend für uns alle und wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, mehr als gefährlich. Nicht nur für uns, sondern auch für die anderen Bewohner von Havelock! Jezabel, wie konntest du nur in aller Öffentlichkeit solche Geschöpfe herbeirufen? Das war keine gewöhnliche dunkle Magie. Das war der Vorhof zur Hölle!«, sagt er entsetzt. Obwohl der Diener immer noch am ganzen Leib zittert, versucht er ruhig und sachlich zu sprechen.

      J.J. rappelt sich auf und sieht die beiden wütend an.

      »Das glaubt ihr also? Ihr glaubt, dass ich das war? Ihr denkt, ich bin hier am Strand herumspaziert und habe aus Langeweile Sander in die reale Welt gerufen?«, brüllt sie los.

      Als sie den Namen des Sirenendämons erwähnt, verdunkelt sich Oma Vettels Gesicht noch mehr. Entsetzt reißt sie die Augen auf.

      »Sander? Das war der Fährmann vom Traubenperlensee? Das kann nicht sein, Jezabel! Erstens kommt ein Dämon niemals ungerufen in die reale Welt! Niemals! Und zweitens würde Sander