M.E. Lee Jonas

Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 02: Die schwarze Prinzessin


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erst einmal schlafen!

      Broaf, du kochst uns eine große Kanne starken Kaffee. Ich habe nur drei Tage Zeit und es gibt viel zu erledigen. Na los. Ab mit dir ins Bett, junge Dame!«

      Oma Vettel küsst ihre Enkelin auf die Stirn und schiebt das erschöpfte Mädchen von der Eckbank.

      J.J. winkt Broaf kurz zu und geht hinauf in ihr Zimmer. Das Mädchen ist wirklich müde und immer noch verstört wegen der seltsamen Sache mit Linus. Als sie ihr Zimmer betritt, wird sie von einem lauten Schnarcher begrüßt. Lincoln liegt in seinem Körbchen und schläft wie ein Murmeltier. Anscheinend hat der Halfie nicht mitbekommen, dass sie vorhin aus dem Bett gefallen ist.

      Sie deckt den kleinen Halbtagshund behutsam zu und geht ins Bett.

      Ganz im Geheimen hofft sie, dass sie noch einmal von Linus träumt und ihn fragen kann, was das alles zu bedeuten habe. Das Mädchen schläft jedoch völlig erschöpft ein und wacht erst am nächsten Mittag wieder auf.

      Als sie sieht, wie spät es ist, springt sie erschrocken auf. Nur drei Tage hat ihre Großmutter Zeit, bevor sie wieder nach Rosaryon muss. Die will das Mädchen auf keinen Fall verschlafen!

      Sie flitzt in ihr Badezimmer und schiebt sich die Zahnbürste in den Mund. Dann rennt sie in ihr Ankleidezimmer und wirft sich hastig ein hellblaues Kleid über. Als sie in die Küche stürmt, erschreckt sie kurz, da sie dort niemanden vorfindet. Da fällt ihr ein, dass sie während Vettels Aufenthalt gemeinsam im Esssalon speisen wollen und eilt verlegen hinüber.

      Die Bewohner und Oma Vettel sitzen bereits gesprächig an der langen Tafel und genießen das Mittagessen. Broaf hat sich heute richtig ins Zeug gelegt und ein gigantisches Büfett aufgebaut. Als das Mädchen hineingestürmt kommt, sehen alle verdutzt auf.

      »Tschuligung. Hab veschlafen. Baf? Baf ist demm los«, stammelt das Mädchen völlig aus der Puste, worauf die Bewohner, einschließlich ihrer Großmutter, loslachen.

      J.J. nimmt die Zahnbürste aus dem Mund, um nachzufragen, was so lustig sei, und wird knallrot. Verlegen versteckt sie die Zahnbürste hinter ihrem Rücken und rennt ohne Kommentar wieder hinauf, um ihr Waschritual zu beenden.

      Mit erhobenen Händen und knallroten Wangen kehrt sie in den Esssalon zurück.

      »Voll peinlich! Tut mir wirklich leid! Als ich gesehen habe, dass es schon Mittag ist, wollte ich mich beeilen. In der Hektik habe ich wohl ein paar Arbeitsschritte vergessen. Hallo Großmutter!«, rechtfertigt sie sich leicht beschämt.

      Oma Vettel, die immer noch kichert, wirft ihr einen Handkuss zu und bittet sie zu Tisch. Automatisch geht das Mädchen zu ihrem Stammplatz neben Lincoln. Als sie ihren Stuhl zurückzieht, hält sie inne und starrt betrübt auf den leeren Platz rechts neben sich. Seitdem Diggler und Flick nicht mehr in diesem Haus sind, hat sie nicht mehr an dieser Tafel gesessen. J.J. schluckt und sieht zu Lincoln, der ebenfalls traurig auf den Stuhl starrt.

      »Du solltest dich beeilen. Das Büfett wurde schon ganz schön geplündert. Wie es aussieht, hat Oma Vettel einen ordentlichen Hunger mitgebracht«, sagt der kleine Halbtagshund und zwinkert ihr verschmitzt zu.

      J.J. schielt kurz zu ihrer Großmutter, die sich gerade genüsslich ein großes Stück Steak in den Mund schiebt, und grinst. Dann schnappt sie sich ihren Teller und packt ihn ebenfalls randvoll. Die Anwesenheit von Oma Vettel scheint sich wie ein spontaner Genesungsschub auf das Mädchen auszuwirken, denn so einen großen Appetit hatte sie schon lang nicht mehr.

      Oma Vettel dagegen beobachtet ihre Enkelin mit zusammengekniffenen Augen und lädt sich hastig die vierte Portion Steak mit Bohnen auf ihren Teller, was den einen oder anderen Anwesenden heimlich schmunzeln lässt. Jeden Bissen krönt die alte Dame mit einem ausgedehnten »Hmmm!«

      J.J. zieht die Augenbrauen nach oben und räuspert sich.

      »Und Großmutter, wie hat es denn so mit der Ernährungsumstellung geklappt?«, fragt sie verschmitzt. Denn als Neurosaryerin sollte Oma Vettel eigentlich streng vegetarisch leben. Die alte Dame starrt ihre Enkelin biestig an und beißt sich verlegen auf die Lippen. Verstohlen sieht sie an der Tafel entlang und beginnt ganz leise zu erzählen:

      »Das könnt ihr euch nicht vorstellen! Ich war stark. Sehr stark!

      Ich habe mich an alles gehalten, was sie von mir verlangten. Ich verzichtete auf Fleisch und Fisch, aß nur noch Obst und Gemüse. Nach drei Wochen begann mein Körper jedoch ganz merkwürdig zu reagieren. Tagsüber hatte ich Schüttelfrost und in der Nacht Hitzewallungen, von denen ich angsteinflößende Träume bekam!

      Eines Nachts, ich wähnte mich auf einem unserer großartigen Picknicks, wälzte ich mich keuchend im Bett umher, sodass Konrad mich ganz besorgt aufweckte. Ich war schweißgebadet und sah mich mit großen Augen um. Als ich begriff, dass ich wieder im Vegetarierparadies bin, war ich etwas beleidigt, da ich mir im Traum gerade ein saftiges Steak zum Munde führte.

      Ich sagte: »Konrad! Entweder bekomme ich bald ein richtiges Steak oder ich werde zur Werwölfin!«

      Aber er lachte nur und beichtete, dass es ihm ähnlich erginge. Schließlich hat Konrad viele Jahre in Neuseeland gelebt und ist ebenfalls ein großer Freund von BBQs. Trotzdem versuchte ich durchzuhalten. Ich hoffte, dass mein Körper sich irgendwann an dieses Blattzeugs gewöhnt. Aber ich sollte mich gewaltig irren. Es wurde immer schlimmer!

      Eines Morgens, der Tau lag noch frisch über dem weisen Phad, haben sie mich im großen Gemüsefeld von Hexe Jelula aufgegriffen. Denn als Konrad in jener Nacht bemerkte, dass ich nicht mehr in meinem Bett lag, hat sich ein Suchtrupp auf den Weg gemacht, der mich schließlich, lediglich mit meinem Nachtgewand gekleidet, im Dickicht der großen Kürbisse fand. Ein Lasso in der einen und eine Bratpfanne in der anderen Hand.

      Ich kann mir bis heute nicht erklären, wie ich und dieses Lasso dorthin gekommen sind. Als sie mich aufweckten, war ich selbst sehr erschrocken!

      Daraufhin habe ich meine zweite Verwarnung von Marla bekommen, weil sie mir nicht glaubte, dass ich geschlafwandelt bin. Sie ist wirklich sehr, sehr streng mit mir. Ich finde sie schon etwas zu kleinkariert. Na ja, was soll’s? Seit diesem Vorfall verschließt Konrad eben jeden Abend die Haustür!«

      Ein großer Seufzer entfährt der alten Dame, bevor sie sich das nächste große Stück Steak in den Mund schiebt.

      J.J. lacht laut los.

      »Aber hier darfst du zugreifen?«, fragt sie völlig perplex.

      Oma Vettel schluckt hastig den Happen hinunter und nickt.

      »Die Regeln gelten nur für Rosaryon! Soweit ich weiß. Na ja, ich denke, dieses kleine Steak hier geht schon in Ordnung. Aber wie ich gehört habe, lasst ihr es euch ohne mich nicht mehr so gut gehen. Ich finde, ihr solltet die gemeinsamen Essen und ein paar gelegentliche Feste ruhig wieder einführen. Es wird euch sicherlich sehr guttun!«

      Die Bewohner nicken verhalten und prusten zeitgleich los. Sie wollten höflich sein und Oma Vettel nicht beschämen. Aber die Geschichte über ihre Albträume wegen der erzwungenen Ernährungsumstellung ist einfach zu lustig. In bunten Farben malen sie sich nun aus, wie die alte Dame in dieses Feld geschlichen ist und sich mit einem Lasso auf die Lauer gelegt hat. Oma Vettel ist darüber nicht verärgert, sondern amüsiert sich ebenfalls köstlich. Selbst Broaf lässt sich zu dem einen oder anderen Lacher hinreißen.

      Nachdem der Nachtisch verputzt ist, räumen alle gemeinsam den Tisch ab. Dann gehen die Bewohner hinauf in ihre Zimmer. Oma Vettel, Broaf und J.J. setzen sich in die Küche.

      »Ich finde es gut, dass hier mal etwas Moderneres steht. Das Rot der Schränke finde ich zwar etwas zu dunkel, aber sonst gefällt mir die Küche sehr gut!«, schwärmt Oma Vettel und zwinkert dem Diener zu, der daraufhin heimlich die Augen verdreht.

      Sie setzt sich zu J.J. auf die Eckbank und nimmt deren Hand.

      »Wir müssen eine Entscheidung treffen, Liebes! Ich sagte dir ja am Tag meiner Amtsniederlegung, dass du dich auch aus dem Register des dunklen Phads löschen lassen solltest. Ich habe nicht im Traum daran gedacht, dass sie dich in solch eine heimtückische Falle locken würden.«