hervorkommt und dabei kichert, was das Zeug hält. Broaf hält sie dabei unbewusst immer noch am Arm fest. Dem Mädchen entgeht nicht der verlegene Gesichtsausdruck ihrer Großmutter, als sie ihn sacht aus seiner Hand zieht.
»Es fasziniert mich immer wieder, wie ähnlich du mir doch bist! Der hast du es ja ordentlich gezeigt! Nun gut, wir müssen also erst mal abwarten! Ich denke, dass sie jetzt eines ihrer geheimen Treffen abhalten werden. Das mit Darania ist garantiert nur eine Ausrede. Cybill wollte nur Zeit schinden!
Wir sollten hinaufgehen und uns ein paar passende Worte für Darania überlegen«, sagt Oma Vettel dennoch zufrieden.
J.J., die immer noch auf den Spiegel starrt, dreht sich lächelnd zu ihr.
»Das hat Spaß gemacht. Nein, nicht Spaß. Es hat sich gut angefühlt. Die Worte »Ich bin die schwarze Prinzessin« haben anscheinend große Macht«, denkt J.J. im Geheimen.
Sie nimmt ihre Großmutter an die Hand und geht mit ihr hinauf in die Küche. Dort beginnt Oma Vettel immer wieder zu kichern, was J.J. langsam sehr unangenehm ist.
»Großmutter, jetzt beruhige dich doch endlich! Ich war sauer, deshalb habe ich so schroff mit ihr geredet. Eigentlich habe ich am ganzen Körper gezittert«, sagt das Mädchen genervt, während sie sich einen Schokoladenkeks in den Mund schiebt.
Oma Vettel lässt sich davon allerdings überhaupt nicht beirren. Sie stellt sich mitten in die Küche und öffnet theatralisch die Arme.
»Ich bin die schwarze Prinzessin! Also habt gefälligst alle Angst vor mir«, singt sie mit geschwollener Stimme. Dabei formt sie ihren Mund wie ein Fisch, reißt die Augen ganz weit auf und schreitet wie ein Storch durch den Salat. Ihre Mimik ist so ausdrucksstark, dass selbst Broaf nicht an sich halten kann und lauthals loslacht.
J.J. schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und stöhnt.
»Das ist ja wie im Kindergarten hier! Großmutter, was hast du jetzt vor?«, fragt sie demonstrativ laut, um dieser peinlichen Situation zu entkommen.
Oma Vettel hält kurz in ihrer Vorstellung inne und presst nachdenklich die Lippen zusammen.
»Ich habe heute Morgen bei Mrs. Rogan angerufen und ihr ein paar Dinge erklärt. Ich habe ihr versprochen, dass du spätestens nächsten Monat zurück nach Marton kommst! Du solltest dein Leben wieder in den Griff bekommen, Kleines. Ich verlange ja nicht, dass du vergisst, was passiert ist. Aber ich möchte, dass du endlich wieder lebst!
Und des Weiteren möchte ich anmerken, dass ich es nicht noch einmal dulden werde, dass du dich heimlich bei Broaf versteckst. Du hast ihn damit in eine sehr unangenehme Lage gebracht, junge Dame! Aber wie du siehst, habe ich alles Wichtige vorerst geregelt, damit ich etwas Zeit für meine weltlichen Belange habe. Ich fahre später mit Broaf zu Iris ins Dorf. Das ist gut für mein Gewissen, so habe ich Konrad nur halb angeschwindelt. Wenn ich Glück habe, hat sie tatsächlich ein weltveränderndes Problem. Dann wäre ich aus dem Schneider!«
Oma Vettel klatscht zufrieden in die Hände und kichert.
J.J. sitzt nervös am Tisch.
»Schon wieder warten, bis ich eine Entscheidung treffen kann.«
Genervt schnappt sie einen Keks und zerbröselt ihn.
Die Nachrichten von Ava gehen ihr nicht aus dem Kopf. Ständig muss sie darüber nachdenken. Sie würde sich zu gern einen Rat von ihrer Großmutter holen, hat aber Angst, dass sie dann erfährt, dass Ava sie hintergeht. Das möchte J.J. nicht mehr. Davon hat sie genug.
Von dem Traum mit Linus hat sie noch niemandem etwas erzählt. Es soll ihr Geheimnis bleiben. Die anderen würden ihr sowieso nur betroffen auf die Schulter klopfen und behaupten, dass es ein Traum war, in dem sie ihre Schuldgefühle verarbeitet. Aber so war es nicht. Zumindest hofft sie das!
Morgen früh muss sie also mit Darania reden. Oma Vettel besteht darauf, dass sich J.J. aus dem Register des dunklen Phads löschen lässt, obwohl sie bezweifelt, dass dies noch möglich ist.
J.J. ist sich jedoch gar nicht mehr so sicher, ob sie das überhaupt noch will. Als Hexe Cybill ihr vorhin am Spiegel der Tore sagte, dass Darania erst morgen früh Zeit habe, war sie innerlich erleichtert. Aber das kann sie ihrer Großmutter nicht sagen. Genauso wenig wie die Tatsache, dass sie bemerkt hat, dass diese grobe Sprache und die Nutzung ihres Prinzessinnentitels sie innerlich total entspannt haben. Im Moment ist das wahrscheinlich die ehrlichste Seite an ihr. J.J.s Emotionen sind dunkel und aggressiv. Sie fragt sich oft, ob das schwarze Blut für ihre extremen Gefühlsschwankungen verantwortlich ist.
»Oder ist es umgekehrt, und ich habe schwarzes Blut, weil ich so dunkel fühlen kann?«
Oma Vettel kommt zu ihr und sieht sie besorgt an.
»Möchtest du mit zu Iris kommen? Sie würde sich bestimmt sehr freuen, dich wiederzusehen. Außerdem solltest du mal hier rauskommen. Du hast dich lang genug vor der Welt da draußen versteckt.«
Sie streicht dem Mädchen über die Schulter und sieht sie fragend an.
Aus reiner Gewohnheit schüttelt J.J. den Kopf, kneift dann aber die Lippen zusammen und seufzt.
»Du hast ja recht. Ich sollte wirklich mal an die frische Luft. Ich habe allerdings keine Lust, mir von Iris die Wangen wundkneifen zu lassen. Wieso machen das alte Leute eigentlich immer? Tschuldigung, Großmutter, war nicht so gemeint.
Na gut. Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich gern zum Strand gehen! Ich weiß, es ist Herbst und die See ist rau. Aber ich will ja auch nicht schwimmen oder picknicken, sondern einfach nur herumlaufen und ein paar Muscheln sammeln! Wäre das für dich in Ordnung?«, fragt sie schüchtern.
Oma Vettel nickt hocherfreut und dreht sich zu Broaf.
»Würdest du sie am Strand absetzen?«, fragt sie erleichtert.
»Es wäre mir ein außerordentliches Vergnügen«, antwortet der Diener.
Broaf ist froh, dass J.J. sich langsam zu erholen scheint. Auch ihm ist nicht entgangen, dass die Anwesenheit Vettels dem Mädchen guttut.
Na ja, nicht nur ihr. Alle Bewohner, einschließlich seiner Person, blühen seit Oma Vettels Eintreffen regelrecht auf. Dass dieser Besuch nur sehr kurz ist, trübt die Freude allerdings ein wenig. Trotzdem summt der Diener ein fröhliches Lied und beginnt umgehend mit den Vorbereitungen für die gemeinsame Fahrt ins Dorf.
J.J. steht derweil in ihrem Zimmer und denkt nach. Sie weiß nicht genau, warum sie zum Strand wollte. Draußen ist es windig und sehr kalt. Richtig ungemütlich. Okay, sie hatte keine Lust auf weitere Diskussionen mit ihrer Großmutter, aber dieser Impuls kam so plötzlich. »Meer!«, blitzte es vor ihrem geistigen Auge auf, als ihre Großmutter sie fragte, ob sie mit ins Dorf fahren wolle.
»Ich habe mich lange genug versteckt. Außerdem muss ich meine Gedanken ordnen und mir überlegen, wie ich Großmutter behutsam beibringe, dass ich mich noch nicht aus dem Register des dunklen Phads löschen lassen möchte. Ich denke, dass sie das nicht verstehen wird. Aber ich möchte keine Entscheidungen aus schlechtem Gewissen treffen. Es ist mein Leben! Mein Blut! Wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass es ein Fehler war, muss ich dann wenigstens nicht wieder irgendjemanden hassen, den ich eigentlich sehr liebe. Es ist eben alles sehr kompliziert.«
Sie geht in ihr Ankleidezimmer und zieht sich warme Kleidung an. Dann packt sie noch schnell ihr Tagebuch in die Tasche und hüpft die Treppe hinunter. Plötzlich ist sie ganz aufgeregt und freut sich auf den spontanen Ausflug.
Oma Vettel und Broaf warten in der Küche und albern derweil etwas herum. Das Mädchen beobachtet amüsiert, wie sich ihre Großmutter haarklein jedes Detail des neuen Kühlschranks erklären lässt. Mit entzücktem Gesichtsausdruck steht die alte Dame neben Broaf und lässt alle zwei Sekunden ein lang gezogenes »Ohhh« los, das von einem anerkennenden Schulterklopfer gekrönt wird. Der Diener ist sichtlich stolz, dass ihr der Kühlschrank so gut gefällt. Ständig fährt er sich verlegen durch sein Haar und räuspert sich.
Als J.J. in die Küche schleicht, bestellen sie sich gerade einen Sonnenaufgang mit